Seit einiger Zeit ist das Thema CETA und TTIP trotz massiver Geheimhaltungsversuche auch in den Medien präsent, wenngleich oft auf einem unterirdischen Niveau. Die Bedrohung besteht nicht im Chlorhühnchen und die Vorteile liegen nicht in einheitlichen Blinkerfarben auf beiden Seiten des Atlantiks. Vielmehr stellen die geplanten Schiedsgerichte und der regulatorische Rat unser demokratisches System insgesamt in Frage und bieten Konzernen ungeahnte Möglichkeiten der Einflußnahme auf die zukünftige Ausgestaltung staatlicher Regulation.
"Zufahrtsgenehmigung" erforderlich, um Briefe abzugeben
Getrieben von diesen Sorgen sah ich es als probates Mittel, mich per Brief an die Bundestagsabgeordneten zu wenden. Konkret wollte ich in dieser Angelegenheit die Parlamentarier der SPD-Fraktion kontaktieren, da ich hier die Hoffnung hatte, auf Verständnis zu stoßen. Also verfasste ich einen dreiseitigen Brief an jeden der 193 SPD-Abgeordneten und steckte jeden in einen addressierten Umschlag. Da mir das Porto für 193 Briefe zu hoch war und ich zudem in Berlin wohne, suchte ich auf der Webseite des Bundestages die Postadresse heraus und radelte mit meinem Paket voller Briefe zum Bundestag.
Am Reichstagsgebäude wurde mir der Weg zur Poststelle gewiesen. Allerdings kommt man dort nicht so einfach hin, weil diese im unterirdischen Erschließungssystem liegt. Der Pförtner zu diesem System sagte mir, dass es früher möglich war, bei ihm Briefe abzugeben. Das sei jetzt allerdings nicht mehr der Fall: angeblich wegen der Sicherheit. Aber ich könne mit 24 Stunden Vorlauf eine Zufahrtsgenehmigung beantragen, was jedoch nur motorisiert ginge.
"Ausschließlich motorisiert"
Dieser Umstand wurde mir bei meinem darauffolgenden ersten Telefonat mit der Poststelle bestätigt: ausschließlich motorisiert. Diese gesamte Situation empfand ich und viele meiner Freunde, darunter auch Juristen, als skandalös.
Ich kontaktierte abgeordnetenwatch.de, die daraufhin eine Anfrage bei der Pressestelle des Bundestages stellten. Deren Antwort lautete:
“[…]bezüglich Ihrer Anfrage vom 17. März 2015 kann ich mitteilen, dass Bürgerinnen und Bürger einzelne bzw. eine kleinere Anzahl von Postsendungen beim Deutschen Bundestag abgeben können. Aus Gründen der Sicherheit sowie betrieblichen Gründen müssen sie jedoch von den Beschäftigten der Poströntgenstelle unmittelbar entgegengenommen werden. Diese ist in der Nähe des Eingangs zum Marie-Elisabeth-Lüders-Haus untergebracht. Bürgerinnen und Bürger, die nur eine einzelne Sendung oder kleinere Mengen an Briefen beim Deutschen Bundestag abgeben wollen, werden deshalb gebeten, sich zur Poströntgenstelle zu begeben. Aus denselben Gründen können größere Sendungen nur über das unterirdische Erschließungssytem mittels eines zuvor überprüften und zugelassenen Serviceunternehmens angeliefert werden. Die Möglichkeiten einer Abgabe von Postsendungen werden interessierten Bürgerinnen und Bürgern auf Anfrage vorab erläutert, so dass diese sich im Vorfeld darauf einstellen können.[...]“
Nun ja. Der Weg über die Poströntgenstelle schien für mich also auszuscheiden, weil 193 Briefe wohl kaum mehr als „kleinere Anzahl“ anzusehen sind. Der Schlußsatz ließ mich allerdings etwas aufhorchen: Wer erläutert einem die Möglichkeit zur Abgabe von Postsendungen - und vor allem: wo? Auf der Bundestagshomepage gibt es diesbezüglich keine Erläuterung, sämtliche Pförtner, mit denen ich sprach, haben ebenfalls nichts von der Poströntgenstelle erwähnt und auch die Poststelle selbst hat mit keiner Silbe darauf hingewiesen.
Es scheint, als solle die Kontaktaufnahme zu Abgeordneten erschwert werden
Nachdem nun mehrere Bekannte, darunter einige Mitarbeiter im Bundestag anregten, ich könne die Briefe doch als Paket senden, rief ich also ein weiteres Mal bei der Poststelle an. Mir wurde sehr freundlich erklärt, dass das natürlich ginge. Ich müsse nur ein entsprechendes Kürzel in die Adresse schreiben und damit wäre die Poststelle dann der Empfänger, sie würde das Paket öffnen und die darin enthaltenen Briefe weiterverteilen. Das hielt ich für vertretbar, wunderte mich allerdings, dass diese Info auf der Seite des Bundestages ebenfalls nicht zu finden war.
Zu allem Überfluss kam das daraufhin von mir gesendete Paket dann nach über zweieinhalb Wochen mit der Begründung “Annahme verweigert” zurück. Das hat mir eine schlaflose Nacht bereitet. Es stellte sich allerdings nach Rücksprache mit der Poststelle und dem Versanddienstleister heraus, dass der Dienstleister den Fehler begangen hatte. War es dem Zustelldienst etwa zu aufwendig, die Zufahrterlaubnis für das Erschließungssystem zu beantragen?
Selbst wenn, wie ich hoffe, mit der nächsten Paketsendung alles klappt, bleibt doch ein bitterer Nachgeschmack. Es scheint, dass es dem Bürger so schwer wie möglich gemacht werden soll, Kontakt mit seinen Repräsentanten aufzunehmen, während Tausende Lobbyisten ungehinderten Zugang sogar zu den Abgeordnentenbüros haben.