"Mangel an Transparenz"

Europarat kritisiert Deutschlands Umgang mit Lobbyismus

Der Europarat fordert mehr Transparenz und strengere Regeln gegen die politische Einflussnahme von Unternehmen in Deutschland. Auch Bürger:innen sollen von den Vorschlägen des Experten-Gremiums profitieren. Bis April 2022 soll Deutschland den Korruptionswächtern berichten, wie weit die Umsetzung der Maßnahmen vorangekommen ist.

von Redaktion abgeordnetenwatch.de, 18.12.2020

In Deutschland mangelt es an Transparenz und Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung. Zu diesem Schluss ist die Staatengruppe gegen Korruption des Europarates (GRECO) in ihrem am 15. Dezember 2020 veröffentlichten Bericht gekommen. Und das nicht zum ersten Mal: Zuletzt hatten die Korruptionswächter Deutschland gerügt, weil es die Empfehlungen zum Umgang des Parlaments mit Interessenvertreter:innen nicht ausreichend berücksichtigt hatte.

Die GRECO bewertet die insgesamt 50 Mitgliedstaaten in regelmäßigen Abständen zur Transparenz der Gesetzgebung, Korruptionsprävention, Parteien- und Wahlkampffinanzierung und spricht ihnen verbindliche Empfehlungen aus. Das Urteil beruht auf Untersuchungen eines internationalen Experten-Gremiums, das 2019 auch mit Vertretern von abgeordnetenwatch.de, Transparency International und LobbyControl über die mangelnden Transparenzmaßnahmen sprach. So sind auch Forderungen von abgeordnetenwatch.de mit in die Beurteilung des Gremiums eingeflossen.

Diese Forderungen stellt der Europarat an Deutschland

Wegen eines „Mangels an Transparenz bei äußeren Einflüssen auf die Agenda der Bundesregierung“ sei das Unbehagen in der Republik in den vergangenen Jahren stark gewachsen, kritisierte das Anti-Korruptionsgremium. Das Kabinett soll darauf mit strengeren Vorgaben für Abgeordnete reagieren. Insgesamt acht Maßnahmen zur Korruptionsprävention haben die Expert:innen herausgearbeitet. Im Jahr 2022 soll überprüft werden, inwieweit sich die Bundesregierung an die Empfehlungen gehalten hat.

Ein zentraler Kritikpunkt der GRECO ist die häufig der Politikerkarriere nachfolgende Arbeit als Lobbyist:in. Die Expert:innen fordern daher eine Verlängerung der Karenzzeit für Bundesminister:innen und Parlamentarische Staatssekretär:innen. Auch für Politiker:innen mit niedrigeren Posten soll es strengere Regelungen geben. Zudem sollen eine neue Zusammensetzung des Ethikrates sowie die Einführung von Sanktionen bei Missachtung der Karenzzeit erwogen werden.

Gremium fordert mehr Transparenz

Das Gremium fordert die Bundesrepublik dazu auf, transparent zu machen, mit wem hochrangige Politiker:innen zu welchen Themen gesprochen haben. Als Leitfaden für Abgeordnete schlagen die Korruptionswächter vor, einen Verhaltenskodex zu installieren, der den Umgang mit Lobbyisten, Nebentätigkeiten und Geschenken regelt. Damit dieser eingehalten wird, soll ein Kontrollmechanismus entwickelt werden.

Unter anderem auf das Wirken von abgeordnetenwatch.de und der Initiative FragdenStaat hat die Bundesregierung am 15. November 2018 eine Vereinbarung verabschiedet, die zur Erhöhung der Transparenz in Gesetzgebungsverfahren beitragen soll. Seitdem machen alle Bundesministerien Entwürfe von Gesetzesvorlagen und Verordnungen sowie dazu eingegangenen Stellungnahmen von Interessenvertreter:innen öffentlich. Da das Gremium dies jedoch als nicht ausreichend bewertet, empfiehlt es, „wesentliche Beiträge zu Gesetzesentwürfen, die vor der Einleitung des Beteiligungsverfahrens eingehen, nebst deren Quellen zu identifizieren, zu dokumentieren und offenzulegen“. 

Offenlegung von Interessenkonflikten und finanziellen Interessen

Zudem sollen Bundesminister:innen und Parlamentarische Staatssekretär:innen „zu Fragen der Integrität“ in regelmäßigen Abständen Auskunft erteilen. Das Gremium rät, Orientierungshilfen zur Handhabung von Interessenkonflikten bereitzustellen und diese unmittelbar offenzulegen. Finanzielle Interessen sowie Angaben zur finanziellen Situation von Ehepartner:innen sollen ebenfalls öffentlich gemacht werden. 

Auch das derzeit bestehende Regelwerk für den Zugang zu Regierungsinformationen über das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) nehmen die Experten in die Mangel. Die darin festgelegten Gründe um Anfragen von Bürger:innen abzulehnen, seien „problematisch“, erklärte die GRECO. Das gelte ebenso für die Gebühren, die für die Informationsauskünfte berechnet würden und sich auf bis zu 500 Euro belaufen können. Eine unabhängige Analyse der Regelung soll Abhilfe schaffen. 

Wird Deutschland sich an die Empfehlungen halten?

Bis Ende April 2022 hat die Bundesregierung Zeit, die verbindlichen Empfehlungen des Europarats umzusetzen. Reports aus den vergangenen Jahren zeigen, dass Deutschland sich zuletzt nicht ausreichend an die vorgeschlagenen Maßnahmen gehalten hat. Ob es bei der Überprüfung in knapp eineinhalb Jahren anders sein wird, bleibt abzuwarten.

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