Kandidaten-Check-Analyse MV: SPD- und Linken-Politiker weichen häufig von Parteilinie ab

Parteilinie? Denkste! Beim abgeordnetenwatch.de-Kandidatencheck für Mecklenburg-Vorpommern überraschen Teile von SPD und LINKEN mit ihren Antworten.

von Martin Reyher, 31.08.2011

Insgesamt 242 Direktkandidaten bewerben sich für die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern am kommenden Sonntag, und viele von ihnen sehen zentrale Sachfragen vollkommen anders als die Mehrheit in ihrer Partei. Das geht aus einer Analyse des abgeordnetenwatch.de-Kandidaten-Checks hervor, bei dem die Wähler seit einigen Wochen die Positionen ihrer Wahlkreiskandidaten abfragen und vergleichen können. Vor dem Gang ins Wahllokal lohnt sich ein genauer Blick auf jeden einzelnen Kandidaten, denn nicht jeder Grünen-Politiker ist auch automatisch ein Anhänger von Tempo 30, und nicht jeder FDP-Kandidat ein Befürworter von Steuersenkungen. Von den insgesamt dreißig Themen, zu denen jeder Politiker beim Kandidaten-Check seine individuelle Position hinterlegen konnte, sind nicht wenige innerhalb der Parteien umstritten. Auffallend dabei: Vor allem bei der SPD (und teilweise auch bei den Linken) gehen die Meinungen der Kandidatinnen und Kandidaten in den 36 Wahlkreisen oftmals stark auseinander.

Die folgende Auswertung besitzt eine große Aussagekraft in Bezug auf das Meinungsbild innerhalb der Parteien, denn bei Grünen (97 Prozent Teilnahmequote), Linke (88 Prozent), SPD (75 Prozent) und FDP (69 Prozent) hat sich ein Großteil der Kandidierenden am Kandidaten-Check beteiligt. Obwohl die CDU den Dialog mit den Wählerinnen und Wählern auf abgeordnetenwatch.de boykottiert und auch am Kandidaten-Check nicht teilnehmen will, hat sich ein gutes Drittel der Kandidaten trotzdem beteiligt und ihre Positionen hinterlegt. Die NPD als im Landtag vertretende Partei boykottiert abgeordnetenwatch.de ebenfalls. Alle im Text getroffenen Aussagen beziehen sich NICHT auf die Gesamtheit der Kandidatinnen und Kandidaten einer Partei, sondern auf jene, die sich am Kandidaten-Check beteiligt haben. Die umstrittensten Themen im Kandidaten-Check:

 

These 2: Empfänger von Arbeitslosengeld 2 sollen stärker gefordert werden. In keiner Partei gibt es eine vollkommene Übereinstimmung in dieser Frage, am wenigsten bei den Grünen und der SPD. Von den Kandidaten der Bündnisgrünen lehnt knapp die Hälfte die Forderung ab, Hartz IV-Empfängern stärker zu fordern, etwa ein Drittel schließt sich der These an, der Rest ist unentschlossen. Ein ähnliches Bild bei der SPD, dort allerdings unter umgekehrten Vorzeichen. Während etwas mehr als die Hälfte der Kandidaten ALG2-Empfänger künftig stärker fordern will, spricht sich jeder Fünfte dagegen aus.

 

These 8: Um Unternehmen und Bürger zu entlasten, sollen Steuern und Sozialabgaben gesenkt werden. Während FDP (Ja), SPD und Grüne (Nein) sich in Sachen Steuersenkung weitgehend einig sind, ergibt sich insbesondere bei der Linkspartei ein uneinheitliches Bild. Knapp die Hälfte der Kandidaten sind gegen eine Absenkung von Steuern und Sozialabgaben, eine weitere große Gruppe ist in dieser Frage unentschlossen. Im Fall der CDU ist die Aussagekraft aufgrund der geringen Teilnahmequote zwar eher gering, doch auch hier zeigt sich ein geteiltes Bild. Sechs der 37 Kandidaten sprechen sich für, weitere sechs gegen Steuersenkungen aus.

 

These 10: Gymnasien sollen in ihrer jetzigen Form als eigenständige Schulen erhalten bleiben. Höchst kontrovers wird das Thema Gymnasien innerhalb von SPD und Linken gesehen. Während es unter den Kandidaten der Linken weder eine absolute Mehrheit für noch gegen eine Beibehaltung von Gymnasien in der jetzigen Form gibt, präferieren die Kandidierenden der SPD zwar mehrheitlich das Gymnasium als eigenständige Schulform. Allerdings ist ein Drittel entweder dagegen oder unentschlossen.

 

These 13: In Mecklenburg-Vorpommern soll nur noch höchstens ein Flughafen öffentlich gefördert werden. Auch in der Frage „Förderung von Flughäfen“ gibt es innerhalb von SPD und Linke divergierende Meinungen. Jeweils eine knappe Mehrheit der Kandidaten in beiden Parteien stimmt obenstehender These zu, etwa ein Viertel ist gegensätzlicher Meinung, das übrige Viertel ist unentschlossen. Von den Kandidaten der FDP sind 60 Prozent gegen eine öffentliche Förderung von mehr als einem Flughafen, allerdings teilt ein Viertel diese Ansicht nicht.

 

These 14: In den Städten sollen deutlich mehr Tempo-30-Zonen eingeführt werden. Innerhalb der SPD ist die Meinung beim Thema „Tempo 30-Zonen“ dreigeteilt. Etwa ein Drittel fordert deren Ausweitung, ein weiteres Drittel ist dagegen, die übrigen Kandidaten sind hier unentschlossen. Auch bei den Linken gehen die Meinungen auseinander. Etwas mehr als die Hälfte der Kandidaten spricht sich für mehr Tempo 30-Zonen aus, während gut ein Viertel dagegen ist. Bei den Grünen und der CDU sticht jeweils ein einzelner Kandidat hervor, der konträr zur Mehrheit seiner Parteikollegen steht.

 

These 17: Die Förderung von konventioneller Landwirtschaft soll zugunsten ökologischer Betriebe reduziert werden. Erneut sind es SPD und Linke, bei denen die Meinungen parteiintern deutlich auseinandergehen. Gut ein Drittel der SPD-Kandidaten spricht sich für eine Reduzierung der Fördermittel für die konventionelle Landwirtschaft zugunsten ökologischer Betriebe aus, ein weiteres Drittel lehnt diese Forderung ab, die übrigen Kandidaten sind unentschlossen. Ein Drittel der Linke-Kandidaten ist für eine Streichung der Fördermittel, knapp die Hälfte stimmt dieser Forderung nicht zu, etwa ein Viertel ist hier unentschlossen.

 

These 19: Um die öffentliche Sicherheit zu erhöhen, sollen mehr Videokameras eingesetzt werden. Während es zu dieser These bei den übrigen Parteien ein relativ eindeutiges Meinungsbild gibt, sind die Positionen der SPD-Kandidaten recht uneinheitlich. Ein Drittel von ihnen spricht sich für den Einsatz von mehr Videokameras aus, etwa die Hälfte vertritt jedoch die gegensätzliche Meinung. Fast jeder fünfte SPD-Kandidat ist in dieser Frage unentschlossen.

 

These 21: Der Stellenabbau bei der Polizei muss gestoppt werden. Mehr uniformierte Polizisten sind notwendig. Erneut sind es die Sozialdemokraten, die sich mit ihren Standpunkten von den übrigen Parteien abheben. Während sich die Kandidaten von CDU, FDP, Grüne und Linkspartei mit ziemlich deutlicher absoluter Mehrheit für mehr Polizisten aussprechen, ist die SPD in dieser Frage dreigeteilt: Weniger als die Hälfte der sozialdemokratischen Direktkandidaten ist für eine Aufstockung der Polizisten, gut ein Viertel ist dagegen, knapp ein Drittel unentschlossen.

 

These 26: Die Behörde der Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen soll gestärkt werden, um die Geschichte der DDR besser zu erforschen und darüber aufzuklären. Bei der Frage nach einer Stärkung der Stasi-Unterlagenbehörde fallen die Antworten der Linken-Kandidaten ins Auge. Als einzige sprechen sie sich mehrheitlich dagegen aus (zu gut drei Vierteln). Lediglich zwei Kandidaten befürworten, dass die Behörde der Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen gestärkt wird. Bei der SPD gehen die Meinungen am stärksten auseinander. Mehr als ein Drittel der Kandidaten spricht sich für eine Stärkung der Stasi-Behörde aus, ein weiteres Drittel ist dagegen, ein Viertel unentschlossen.

 

These 27: Den Bürgern soll es leichter gemacht werden, sich direkt an politischen Entscheidungen zu beteiligen. Für Volksentscheide sollen die vorgeschriebenen Zahlen für nötige Unterschriften und abgegebene Stimmen gesenkt werden. Nur Linke und Grüne haben einen einheitlichen Standpunkt zum Thema Beteiligungsquoren bei Volksentscheiden. Mit Ausnahme eines Grünen-Kandidaten sprechen sich beide Parteien für deren Senkung aus. Bei FDP und SPD teilt diese Position zwar ebenfalls eine Mehrheit der Kandidierenden, allerdings ist Gruppe der Gegner von geringeren Quoren in beiden Parteien überraschend groß.

 

These 30: Jugendliche ab 16 Jahren sollen künftig auch den Landtag mit wählen dürfen. Während sich die Kandidaten von Linken und Grünen beinahe einhellig für das Wahlrecht ab 16 aussprechen, tun sich die Wahlbewerber die übrigen Parteien in dieser Frage schwer. Bei SPD sind knapp die Hälfte der Kandidaten ebenfalls für eine Herabsetzung des Wahlalters, aber gut ein Drittel dagegen, der Rest unentschlossen. Von den FDP-Kandidaten spricht sich eine knappe Mehrheit dafür aus, dass 16jährige zur Wahl gehen dürfen, etwas mehr als ein Drittel der Kandidaten ist dagegen. Nur in der CDU gibt es eine Mehrheit gegen eine Änderung des Wahlalters.

 

--------------------------

 

Lesen Sie auch:

 

Noch mehr interessante Geschichten gibt es in unserem Newsletter. Jetzt hier abonnieren - natürlich kostenlos und jederzeit wieder abbestellbar.

 

Lizenz: Der Text auf dieser Seite steht unter der Creative Commons Lizenz BY-NC-SA 4.0.