Internetsperren

Mit 389 Ja- zu 128 Nein-Stimmen hat der Bundestag die umstrittene Einführung sog. Internetsperren beschlossen. Dadurch soll der Zugriff auf Seiten mit kinderpornographischen Inhalten erschwert werden. Gegner halten die Sperren für weitgehend wirkungslos und befürchten eine Zensur des Internets.

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Dafür gestimmt
388
Dagegen gestimmt
128
Enthalten
18
Nicht beteiligt
77
Abstimmungsverhalten von insgesamt 611 Abgeordneten.
NameFraktion Absteigend sortieren WahlkreisStimmverhalten
Portrait von Christel Happach-KasanChristel Happach-KasanFDP10 - Herzogtum Lauenburg - Stormarn-Süd Dagegen gestimmt
Portrait von Hellmut KönigshausHellmut KönigshausFDP85 - Berlin-Treptow-Köpenick Dagegen gestimmt
Portrait von Otto FrickeOtto FrickeFDP111 - Krefeld I - Neuss II Dagegen gestimmt
Portrait von Patrick MeinhardtPatrick MeinhardtFDP273 - Karlsruhe-Land Dagegen gestimmt
Portrait von Max StadlerMax StadlerFDP230 - Passau Dagegen gestimmt
Portrait von Guido WesterwelleGuido WesterwelleFDP97 - Bonn Nicht beteiligt
Portrait von Birgit HomburgerBirgit HomburgerFDP288 - Konstanz Dagegen gestimmt
Portrait von Volker WissingVolker WissingFDP213 - Südpfalz Dagegen gestimmt
Portrait von Harald LeibrechtHarald LeibrechtFDP267 - Neckar-Zaber Dagegen gestimmt
Portrait von Angelika BrunkhorstAngelika BrunkhorstFDP29 - Delmenhorst - Wesermarsch - Oldenburg-Land Dagegen gestimmt
Portrait von Heinz-Peter HausteinHeinz-Peter HausteinFDP162 - Freiberg - Mittlerer Erzgebirgskreis Dagegen gestimmt
Portrait von Konrad SchilyKonrad SchilyFDP140 - Ennepe-Ruhr-Kreis II Dagegen gestimmt
Portrait von Ulrike FlachUlrike FlachFDP119 - Mülheim - Essen I Dagegen gestimmt
Portrait von Carl-Ludwig ThieleCarl-Ludwig ThieleFDP39 - Stadt Osnabrück Dagegen gestimmt
Portrait von Horst MeierhoferHorst MeierhoferFDP234 - Regensburg Nicht beteiligt
Portrait von Karl AddicksKarl AddicksFDP296 - Saarbrücken Dagegen gestimmt
Portrait von Hans-Joachim OttoHans-Joachim OttoFDP183 - Frankfurt am Main I Dagegen gestimmt
Portrait von Hans-Michael GoldmannHans-Michael GoldmannFDP26 - Unterems Nicht beteiligt
Portrait von Sibylle LaurischkSibylle LaurischkFDP285 - Offenburg Dagegen gestimmt
Portrait von Elke HoffElke HoffFDP199 - Neuwied Dagegen gestimmt
Portrait von Sabine Leutheusser-SchnarrenbergerSabine Leutheusser-SchnarrenbergerFDP225 - Starnberg Dagegen gestimmt
Portrait von Jörg van EssenJörg van EssenFDP146 - Hamm - Unna II Dagegen gestimmt
Portrait von Christoph WaitzChristoph WaitzFDP155 - Leipziger Land - Muldentalkreis Dagegen gestimmt
Portrait von Paul Klemens FriedhoffPaul Klemens FriedhoffFDP113 - Kleve Dagegen gestimmt
Portrait von Daniel BahrDaniel BahrFDP130 - Münster Dagegen gestimmt

Mit einem Stopp-Schild (s.o.) will die Bundesregierung gegen Kinderpornographie im Internet vorgehen. Internetanbieter (sog. Provider) werden in dem Gesetz verpflichtet, "technische Maßnahmen zu ergreifen, um den Zugang zu kinderpornographischen Internetangeboten zu erschweren." Dazu wird ihnen vom Bundeskriminalamt eine täglich aktualisierte Liste mit den Adressen von Kinderpornoseiten übermittelt. Wer künftig eine indizierte Seite aufruft, bekommt lediglich ein Stopp-Schild angezeigt.

Gegner der sog. Netz-Sperren, darunter die Oppositionsparteien und der "Arbeitskreis gegen Internetsperren und Zensur", halten diese Maßnahme im Kampf gegen Kinderpornographie nicht nur für weitgehend wirkungslos, da eine Sperre leicht zu überwinden sei, sondern sogar für kontraproduktiv. Statt durch eine Löschung von Internetseiten entschlossen gegen Kinderpornographie vorzugehen, würde diese lediglich hinter einem Stopp-Schild versteckt. Kinderpornographie würde so auch weiterhin Verbreitung finden.

Von Union und SPD wird darauf verwiesen, dass nach dem Prinzip "Löschen statt Sperren" verfahren werden soll: Erst wo die Löschung einer Internetseite mit Kinderpornos nicht gelingt, weil sich diese z.B. auf einem Server im Ausland befinden, soll eine Sperrung erfolgen. Allerdings kann laut Gesetzentwurf eine Internetseite auch dann auf der Sperrliste des Bundeskriminalamtes landen, wenn eine Löschung "nicht in angemessener Zeit erfolgversprechend" ist. Dies kann z.B. der Fall sein, weil deutsche Polizeibehörden keinen direkten Zugriff auf ausländische Provider haben und erst einen Umweg über internationale Behörden nehmen müssen, wie es die CDU-Abgeordnete Martina Krogmann in einer Antwort auf abgeordnetenwatch.de beschreibt.

Kritiker des Sperr-Gesetzes befürchten, dass eine Zensur-Infrastruktur für das Internet geschaffen wird, der auch andere Inhalte zum Opfer fallen könnten. In Blogs, Foren und bei Twitter formierte sich ein Proteststurm, der in einer ePetition an den Bundestag zusammenlief: Mit mehr als 130.000 Unterstützerinnen und Unterstützer ist die Petition "Keine Indizierung und Sperrung von Internetseiten" die größte Online-Eingabe aller Zeiten.

Auch innerhalb der SPD-Fraktion gab es kritische Stimmen gegen das umstrittene Gesetz. Der Abgeordnete Gregor Amann schrieb auf abgeordnetenwatch.de, er rechne wegen Bedenken in seiner Fraktion damit, dass die Internetsperre "entweder gar nicht oder nur in sehr veränderter Form beschlossen wird". Auf Drängen der SPD kam es in letzter Minute schließlich noch zu Änderungen an dem Gesetzentwurf.

Die Koalitionsfraktionen einigten sich auf folgende Eckpunkte:

1. Für die Sperrung von Internetseiten mit kinderpornographischen Inhalten wird ein Spezialgesetz geschaffen, das einzig den Bereich Kinderpornographie umfasst und zuächst auf drei Jahre befristet wird. Dies hatte die SPD gefordert. Ursprünglich war vorgesehen, die Netz-Sperren innerhalb des Telemediengesetzes zu verankern. Dadurch, so Kritiker, ließe sich die Sperrung auch problemlos auf andere Inhalte wie "Killerspiele" (wie z.B. vom CDU-Abgeordneten Thomas Strobl auf abgeordnetenwatch.de angedacht) oder bei Urheberrechtsverletzungen ausweiten.

2. Internetnutzer, die auf den Stopp-Seiten landen, sollen keine Strafverfolgung mehr fürchten. In der ursprünglichen Fassung des Gesetzes war eine Verpflichtung für Internetanbieter geplant, Nutzerdaten zu speichern und diese auf Verlangen an das Bundeskriminalamt weiterzuleiten. Dadurch hätten auch Internetsurfer, die bspw. durch das versehentliche Anklicken eines Links auf eine solche Stopp-Seite gelangt wären, ins Fadenkreuz der Ermittlungsbehörden geraten können.

Der endgültige Gesetzentwurf sieht außerdem eine unabhängige Kontrolle der Filterliste des Bundeskriminalamts vor, wovon zuvor keine Rede gewesen war.