Abschiebungsrichtlinie

Nach zweijähriger Debatte hat das EU-Parlament eine umstrittene Richtlinie zur Abschiebung von Einwanderern ohne gültige Papiere beschlossen. Das Regelwerk sieht eine Abschiebehaft von sechs Monaten vor, die in Ausnahmefällen bis maximal 18 Monate verlängert werden kann.

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Dafür gestimmt
61
Dagegen gestimmt
24
Enthalten
2
Nicht beteiligt
12
Abstimmungsverhalten von insgesamt 99 Abgeordneten.

Insgesamt stimmten 369 Abgeordnete für die Richtlinie, 197 dagegen, 106 enthielten sich. Änderungsanträge von Sozialdemokraten (SPE), Grünen und der Vereinigten Europäischen Linken, die auf eine Verbesserung der Situation der von einer Abschiebung Betroffenen zielten, wurden ebenso abgelehnt wie zwei Änderungsanträge, die die Richtlinie insgesamt zurückweisen wollten.

Zwischen acht und zehn Millionen Menschen halten sich nach Schätzungen von EU-Kommission und EU-Parlament ohne Genehmigung in Europa auf. Bislang entschied jedes EU-Mitgliedsland selbst über die Abschiebezeit. Erstmals wurden nun einheitliche Standards geschaffen.

Die "Rückführungsrichtlinie" schreibt die Abschiebung von Einwanderern ohne gültige Papiere fest. Für sie gilt eine Frist von 30 Tagen zur freiwilligen Ausreise. Andernfalls droht eine Abschiebehaft von bis zu sechs Monaten, in bestimmten Fällen bis zu 18 Monaten. Nach der Abschiebung kann ein fünfjähriges Wiedereinreiseverbot verhängt werden. Die Höchstdauer von 18 Monaten gilt in Deutschland bereits heute. In neun Mitgliedsstaaten gibt es bislang keine Begrenzung der Haftdauer.

Befürworter der neuen Richtlinie betonten, dass diese nötig sei, um mit einer gemeinsamen EU-Einwanderungspolitik voranzukommen. Sie verweisen u.a. darauf, dass nun Mindeststandards für Kinder und Familien festgeschrieben wurden. Bei unbegleiteten Minderjährigen und Familien mit Minderjährigen wird Haft "nur im äußersten Falle und für die kürzestmögliche angemessene Dauer" eingesetzt, heißt es in der Richtlinie.

Der Berichterstatter des Europäischen Parlaments, Manfred Weber (CSU) erklärte, die "Rückführungsrichtlinie" werde dafür sorgen, dass Menschen aus der Illegalität befreit würden. Die EU-Mitgliedsstaaten müssten sich nun entscheiden, den illegal lebenden Menschen entweder einen legalen Aufenthaltstitel zu geben, oder sie nach Hause zu schicken. Das "Sklaventum" von illegal Beschäftigten werde nun beendet.

Der SPD-Europaabgeordnete Wolfgang Kreissl-Dörfler begrüßte den Beschluss. Zwar habe sich das Europäische Parlament nicht in allen Belangen durchsetzen können. Dennoch stellten insbesondere die "verbesserten Haftbedingungen und die Einräumung einer Ausreisefrist für die freiwillige Rückkehr und die Besserstellung von Familien und Minderjährigen große Fortschritte in vielen Mitgliedsstaaten dar".

Der FDP-Abgeordnete Alexander Alvaro erklärte, die Richtlinie schaffe Recht für Menschen, die es benötigten. Sie sei besser als das, was zurzeit bestehe.

Dagegen kritisierte die Europaabgeordnete Sahra Wagenknecht für Die Linke einen "erneuten Ausbau der Festung Europa". Die Richtlinie sei ein "schändlicher Kompromiss", der unmenschlich sei und gegen die Menschenrechte verstoße. Statt den Aufenthalt von Menschen zu legalisieren, die sich zum Teil schon viele Jahre in der EU aufhielten, hier integriert seien und die oft genug jene Arbeit erledigten, die niemand anders gern mache, würden diese Menschen wie Kriminelle behandelt.

Ähnlich äußerte sich der grüne Abgeordnete Cem Özdemir. Ein Kontinent, der sich der Einhaltung der Menschenrechte verschrieben habe, könne nicht erlauben, dass Minderjährige in Abschiebelagern festgehalten werden. Auch die Inhaftierung von Einwanderern, deren Herkunftsländer bei der Abschiebung nicht kooperierten, sei ebenso unannehmbar wie das fünfjährige Einreiseverbot nach der Abschiebung.

Menschenrechtsorganisationen bezeichneten das neue Regelwerk als "Richtlinie der Schande". Sie kritisierten, dass es keine Garantie für eine "würdige und sichere Rückkehr" gebe. Zudem sei die Haftdauer von bis zu 18 Monaten "exzessiv".

Die Richtlinie muss noch formal vom Ministerrat beschlossen werden. Zwei Jahre bleiben den Mitgliedsländern, diese in nationales Recht umzusetzen.