Frage an Anette Hübinger bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Anette Hübinger
CDU
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Frage von Heinz H. •

Frage an Anette Hübinger von Heinz H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Hübinger,

ich stelle meine Frage absichtlich unter dem Thema "Demokratie und Bürgerrechte" ein.

Ich bitte Sie mir zu erklären, warum Sie, als meine gewählte Interessensvertretung, heute für die menschenrechtsverletzende Ausweitung der staatlichen Datensammwelwut gestimmt haben.
Gerade Sie, als Juristin und somit nicht fachfremd, hätten erkennen müssen, dass sich hier der Staat in private, schützenswerte Gebiete einmischt und zwar in blindem, vorauseilendem Gehorsam einer EU-Verordnung gegegenüber. Blind vorallem, da in den letzten Monaten eine große Zahl tatsächlicher Fachleute immer wieder die Sinnhaftigkeit dieser Datensammlungen wiederlegt und die Gefahr darin beschrieben hat.
Ich muss Ihnen leider für Ihre heutige Entscheidung Ihr Verständnis absprechen und sagen, dass ich mich von Ihnen hier in keiner Weise vertreten fühle.

Ich hoffe, Sie werden bei den weiteren Punkten der Einführung des unrechtmäßigen Überwachungsstaates wie Fluggastdatenspeicherung / -mitteilung an fremde (Schurken-)Staaten und dem "Bundestrojaner" sich nicht als beratungsresistent beweisen.

Mit freundlichen Grüßen

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Heinzelmann,

ich wehre mich dagegen, in Bezug auf die verabschiedete Vorratsdatenspeicherung von einem schleichenden Abbau des Rechtsstaates zu sprechen!

In meinen Augen ist der Zugriff auf Telekommunikationsverkehrsdaten, insbesondere bei Straftaten mit komplexen Täterstrukturen, wie sie für den internationalen Terrorismus und die organisierte Kriminalität kennzeichnend sind, unverzichtbar. Mit war bei meiner Zustimmung bewusst, dass das hierfür gewählte Instrument der Richtlinie möglicherweise nicht ganz frei von rechtlichen Risiken ist. Doch weder aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 30. Mai 2006 in Sachen Übermittlung von Fluggastdaten, noch aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. April 2006 in Sachen Rasterfahndung lässt sich zwingend ableiten, dass die umgesetzte Richtlinie der EU von der Form oder vom Inhalt her rechtswidrig wäre.

Grundsätzlich muss festgehalten werden:
- es werden nur Verkehrsdaten gespeichert und keine Telekommunkationsinhalte,
- neu hinzu kommt, dass bei der Mobilfunktelefonie auch der Standort bei Beginn der Mobilfunkverbindung gespeichert wird,
- zu den Telekommunikationsverkehrsdaten gehören neben Telefonverbindungen auch solche Verkehrsdaten, die bei der Kommunikation über das Internet anfallen,
- im Bereich des Internets werden nur Daten über den Internetzugang und die E-Mail-Kommunikation gespeichert und nicht welche Seiten besucht wurden oder welchen Inhalt eine E-Mail hat,
- die Daten werden für sechs Monate gespeichert und
- wie bisher schon, können Polizei und Staatsanwaltschaft grundsätzlich nur dann auf die Daten zugreifen, wenn dies zuvor durch einen richterlichen Beschluss erlaubt wurde.

Die Rechtspolitik bewegt sich im Bereich der Telekommunikationsüberwachung in einem Spannungsfeld. Dem Grundrechtsschutz der Bürger steht die ebenfalls verfassungsrechtlich gebotene Pflicht des Staates zu einer effektiven Strafverfolgung gegenüber. Das Bundesverfassungsgericht hat immer wieder das öffentliche Interesse an einer möglichst vollständigen Wahrheitsermittlung im Strafverfahren betont und die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten als einen wesentlichen Auftrag des staatlichen Gemeinwesens hervorgehoben (BVerfGE 107, 299, 316 m. w. N.), weil ein solches Gemeinwesen anders gar nicht funktionieren kann. Grundrechtsschutz der Bürger und die Verpflichtung des Staates für die Sicherheit seiner Bürger zu sorgen müssen deshalb in einen vernünftigen Einklang gebracht werden. Dies wurde mit der so genannten Vorratsdatenspeicherung erreicht und deshalb habe ich zugestimmt.

Mit freundlichen Grüßen
Anette Hübinger, MdB