Frage an Angela Godawa bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Angela Godawa
SPD
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Frage von Andreas S. •

Frage an Angela Godawa von Andreas S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Godawa,

am 8. September 2009 soll im Bundestag ein Gesetz verabschiedet werden, welches den so genannten Lissabonner Vertrag der Europäischen Union für Deutschland rechtsverbindlich macht.

Die deutsche Bevölkerung würde den Lissabon-Vertrag in einem Referendum klar ablehnen.
http://aristo.excusado.net/comments.php?y=09&m=07&entry=entry090711-161106

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Mit freundlichem Gruß
Andreas Straubinger

Antwort von
SPD

Die schlechten Erfahrungen in der Weimarer Republik haben die Väter des Grundgesetzes dazu bewogen, auf eine repräsentative Demokratie zu setzen.

Gerade der negative Ausgang der Volksentscheide in Frankreich und in den Niederlanden 2005 im Zusammenhang mit den Kampagnen im Vorfeld haben gezeigt, dass es viel einfacher ist, Menschen Angst zu machen, als ihnen Mut zu machen: Die Abstimmungsergebnisse waren hauptsächlich von nationalen Themen beeinflusst: in Frankreich wurde unter anderem aus Protest gegen die nationale Regierung mit Nein gestimmt. Die Niederländer sorgten sich um den Verlust ihrer nationalen Identität. Es zeigte sich aber auch im anschließenden Diskussionsprozess, dass die Mehrheit der Franzosen und Niederländer davon überzeugt sind, dass der europäische Integrationsprozess fortgesetzt werden müsse und sowohl die Mitgliedschaft ihrer Länder in der EU, wie auch die europäische Idee als solche eine gute Sache seien. Das trifft auch auf die Mehrheit der Deutschen zu.

Meine Vision ist ein demokratisches, ein starkes und ein soziales Europa. Der Vertrag von Lissabon bringt uns einen wichtigen Schritt weiter auf diesem Weg. Darum würde ich am 8. September 2009 als Abgeordnete dem Begleitgesetz zustimmen und jedem Bürger gegenüber meine Entscheidung begründen.

Der Lissabon- Vertrag ist das Ergebnis eines 7jährigen Verhandlungsmarathons, der mit dem Europäischen Konvent 2001 ("Erklärung von Laeken") begann.
Der über 17 Monate öffentlich tagende Konvent wurde beauftragt, Vorstellungen für eine grundsätzliche Reform der EU zu entwickeln. Bis zu 100.000 Personen verfolgten monatlich die Debatten, in einer Anhörungsphase zu Beginn wurden zudem die Positionen der europäischen Öffentlichkeit ermittelt.

Aus dem Ergebnis des Konvents wurde zunächst der Verfassungsvertrag geschmiedet. Während Volksabstimmungen in Luxemburg (56%) und Spanien (77%) deutlich für den Verfassungsvertrag ausgingen, waren es letztlich die negativen Volksabstimmungen in Frankreich und den Niederlanden, die dafür sorgten, dass der Ratifikationsprozess gestoppt wurde.
Nach der zweijährigen „Reflexionsphase“, in der auf nationaler und europäischer Ebene (Dialog und Diskussionen mit den Bürgern) ausgelotet wurde, wie weiter zu verfahren sei, wurde 2007 der Vertrag von Lissabon bzw. Reformvertrag von den Staat- und Regierungschefs verabschiedet, der auf der Substanz des Verfassungsvertrages aufbaut und jetzt durch die Parlamente der Mitgliedstaaten ratifiziert wird.

Mit dem Lissabon- Vertrag erhalten sowohl die nationalen Parlamente, als auch die Bürgerinnen und Bürger erstmalig die Möglichkeit einer direkten Teilnahme an europäischen Entscheidungsprozessen.
Die nationalen Parlamente bekommen mehr Verantwortung und Mitwirkungsmöglichkeiten. Sie haben die Gelegenheit, im Rahmen des so genannten „Frühwarnsystems“, binnen acht Wochen Einspruch gegen eine europäische Gesetzgebungsinitiative einzulegen. Sie können die gelbe, die orange oder gar die rote Karte zücken, wenn ein Vorschlag dem Subsidiaritätsprinzip widerspricht.
Die Bürgerinnen und Bürger können durch die vom Lissabon- Vertrag eingeführte Europäische Bürgerinitiative konkrete Handlungsaufforderungen zu europäischen Themen an die Kommission richten. Diese Teilnahmemöglichkeit an europäischen Fragen wird erstmalig durch den Lissabon- Vertrag geschaffen.
Mit dem neuen Europa- Vertrag bekommen die Bürgerinnen und Bürger zum ersten Mal entscheidenden Einfluss auf die Wahl des »Regierungschefs« der EU, den Präsidenten der Europäischen Kommission, der Chef der europäischen Exekutive ist. Dieser wird in Zukunft vom Europäischen Parlament gewählt. Dabei muss das Ergebnis der Europawahlen berücksichtigt werden.

Das Europäische Parlament kann durch den Vertrag seine Rolle im Gesetzgebungsprozess weiter stärken und künftig bei 95% der EU- Gesetze gleichberechtigt mit dem Rat entscheiden. Das Mitentscheidungsverfahren wird zur Regel, die Haushaltsbefugnisse des Europäischen Parlaments werden weiter ausgedehnt, ebenso wie seine Rechte bei der Kontrolle der europäischen Exekutive.

Durch den Vertrag von Lissabon wird die EU auch deutlich handlungsfähiger. Der Nizza-Vertrag war für eine Union der 15 Mitglieder geschaffen. Jetzt, mit 27 Mitgliedstaaten, sind neue Verfahren zur Entscheidungsfindung notwendig, werden institutionelle Reformen gebraucht, die der Rolle der EU in der Welt entsprechen und den modernen Herausforderungen, wie Globalisierung, Energiesicherheit, Finanz- und Wirtschaftkrise oder der Bedrohung durch Terrorismus, gerecht werden.
Der Lissabon- Vertrag will diese Reformen einführen und einen Stillstand der EU verhindern.