Frage an Angelika Krüger-Leißner bezüglich Wirtschaft

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Angelika Krüger-Leißner
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Frage von Jens L. •

Frage an Angelika Krüger-Leißner von Jens L. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrte Frau Krüger-Leißner,

der Deutsche Bundestag klärt uns auf seiner Homepage darüber auf, dass das Haushaltsrecht zu den Grundzügen einer Demokratie gehört.

"Parlament und Haushalt – das gehört heute untrennbar zusammen. Staatliches Handeln muss legitimiert sein, und deshalb gilt dies in ganz besonderer Weise für die Verwendung der finanziellen Mittel. Aber das war nicht immer so. Nicht von ungefähr spiegeln sich in der wechselhaften Geschichte um das Budgetrecht Rückschläge und Erfolge des demokratischen Parlamentarismus wider."

Wo kein Haushaltsrecht, da keine Demokratie. So sieht es der Deutsche Bundestag selbst. In einer parlamentarischen Demokratie hat das Parlament die alleinige Entscheidung darüber, wie viele Steuern erhoben werden und was mit dem Geld gemacht wird.

Nun werden andere über uns bestimmen. Sie persönlich sind jetzt dafür verantwortlich, dass der Bundestag möglicherweise durch Milliardenrisiken des ESM und die Sparvorgaben des Fiskalpaktes seiner Haushaltsrechte beraubt wird. Auch in Deutschland können jetzt einfach Renten, Löhne und Sozialleistungen gekürzt werden.

Gegen diesen Mißstand ist die frühere Justizministerin Herta Däubler-Gmelin von Ihrer eigenen Partei, die nun eine Verfassungsbeschwerde gegen den Euro-Rettungsschirm ESM und den europäischen Fiskalpakt eingereicht hat.

Was hat Sie dazu bewogen, dieses Banken-Ermächtigungsgesetz zu unterstützen? Bei welchem Finanz-Experten haben Sie zuvor Rat eingeholt? Hatten Sie genügend Zeit zum Studium der Gesetze und mußten Sie bei der Abstimmung mit sich etwas hadern? Ist Ihr Geburtsdatum (13. August) Mahnung?

Vielen Dank für Ihre baldigen Antworten!

Mit freundlichen Grüßen
i.A. Jens Lehmann

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Lehmann,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 02. Juli 2012. Ich möchte Ihnen heute auf Ihre Fragen antworten. Ich weiß, dass die aktuelle Situation in Europa und die damit einhergehenden Herausforderungen viele Menschen in unserem Land bewegen. Deshalb war die Abstimmung zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) und Fiskalpakt eine ganz wichtige. Ich nehme Ihre Sorgen ernst. Ich habe mir täglich Gedanken gemacht und die Gespräche auf höchster europäischer Ebene stets verfolgt. Das Bundesverfassungsgericht hat den Bundespräsidenten um Aufschub bei der Ausfertigung der Gesetze zum ESM und Fiskalpakt gebeten. Dem liegen mehrere Eilanträge gegen die Gesetze zum ESM und Fiskalpakt zugrunde. Das Bundesverfassungsgericht erbittet sich in seiner Anfrage an den Bundespräsidenten genügend Zeit, um alle Unterlagen genau prüfen zu können. Das alles deutet schon darauf hin, dass es eine äußerst komplizierte und weitreichende Entscheidung war und noch immer ist.

Wir dürfen bei allen Sorgen um die Zukunft nicht vergessen, dass die Geschichte der Europäischen Union eine einzigartige Erfolgsgeschichte ist. Die Europäische Gemeinschaft war immer auf das miteinander ausgerichtet und darauf bedacht, sich gegenseitig zu unterstützen und zu helfen. Deutschland hat als starke Exportnation wirtschaftlich in besonderer Weise von dieser Gemeinschaft profitiert.

Von dieser Grundeinstellung ist auch meine Beurteilung des Europäischen Fiskalpaktes und des ESM getragen. Beide sind Ausdruck der innereuropäischen Solidarität. Diese Solidarität empfinde ich als sehr wichtig. Sie ist selbstredend keine Einbahnstraße. Die von Refinanzierungskrisen betroffenen Staaten müssen ihrer Verantwortung für den Abbau ihrer Verschuldung gerecht werden. Klare und strikte Bedingungen für Hilfsmaßnahmen, die Haushalte zu konsolidieren, sind unerlässlich. Aber ebenso wichtig ist es, Wachstum und Beschäftigung zu fördern. Ich weiß nur zu gut, dass die notwendige Konsolidierung ohne wirtschaftliche Belebung nicht gelingen kann. Vor allem muss aber der Finanzsektor reguliert und an den Kosten der Krise beteiligt werden.

Jeder spürt: Es geht in Europa ums Ganze. Diesem Ernst der Lage müssen wir uns stellen und den Menschen in Deutschland reinen Wein einschenken. Die Regierung hat diese Aufgabe bisher nicht erfüllt. Wir sind alle von der harten ökonomischen Realität in Europa schlicht und einfach überholt worden. Die Krise schlägt eine Schneise der Verwüstung quer durch Europa und es ist kein Ende in Sicht! Die Krise erreicht auch uns. Wir leben auf keiner Insel der Glückseligen. Die Arbeitslosigkeit in Europa erreicht täglich neue Höchststände und Rekorde. Das Wachstum bricht ein. Das wird sich auch auf die Exporte Deutschlands und auf die Wettbewerbsfähigkeit von Arbeitsplätzen in Deutschland auswirken. Wenn wir an unseren Südgrenzen erst einmal mexikanische Verhältnisse haben, dann wird sich der Druck auf die Sozialbedingungen in Deutschland verschärfen! Die prognostizierten Folgen eines Scheiterns in der Krisenbewältigung malen eine düstere Aussicht auf die Zukunft.

In der SPD-Fraktion haben wir sehr kontrovers diskutiert. Wir hätten es uns leicht machen können. Aber wir haben hart mit der Regierung verhandelt und den Ton und die Stoßrichtung in der Debatte um den ESM und den Fiskalpakt entscheidend verändert. Konsolidierung und Wachstum, das ist der neue Zweiklang in Europa! Die ergänzenden Wachstumsimpulse, die Sofortprogramme gegen die Jugendarbeitslosigkeit in Europa und die Finanzmarkttransaktionssteuer machen dieses Gesamtpacket aus ESM und Fiskalpakt für die Mehrheit auch in der SPD-Fraktion zustimmungsfähig.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass mir die Zustimmung zu diesem Gesetzespaket nicht leicht fiel. Besonders die verfassungsrechtlichen Fragen treiben mich immer noch um. Fakt ist, dass der Deutsche Bundestag als Vertreter des deutschen Volkes hier von Anfang an nicht mit einbezogen wurde und die Beratungen im Nachhinein unter Zeitdruck standen.

Ich möchte Ihnen aber in Erinnerung rufen, wie wir in Deutschland durch die Krise gekommen sind. Zusammen mit den Gewerkschaften und den Betriebsräten wurde Kurzarbeit auf der Basis gesicherter Tarifautonomie vereinbart. Es gab zwei Konjunkturpakete in Höhe von insgesamt ungefähr 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und einen Rettungsschirm, von rund einem Viertel des Bruttoinlandprodukts. Das hat Entschlossenheit gezeigt und dazu geführt, dass die Spekulation und die Arbeitslosigkeit bei uns nicht in die Höhe geschossen sind. Das hat uns durch die Krise gebracht und Wachstum und Beschäftigung gesichert.

Die Krise gefährdet mittlerweile die Grundlage der Europäischen Union. Gibt es keine erfolgversprechenden Strategien und Lösungen, ist ein Lebensmodell bedroht, das für uns alle selbstverständlich geworden ist. Und die Folgen dessen sind von niemanden zu überschauen.

Mit herzlichen Grüßen,
Angelika Krüger-Leißner, MdB