Frage an Annette Schavan bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

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Annette Schavan
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Frage von Jens B. •

Frage an Annette Schavan von Jens B. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Sehr geehrte Frau Schavan,

durch Zufall habe ich heute festgestellt, dass über eine Webseite namens ´bildungsserver.de´, welche vom DIPF - einem über die Leibniz-Gemeinschaft durch Bund und Länder gefördertes Institut - betrieben wird, eine online Lernsoftware namens ´Oeconomix´ angeboten wird.

Oeconomix ist eine Lernsoftware, welche von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft verbreitet wird und vom privaten Wirtschaftsforschungsinstitut IW Köln in Zusammenarbeit mit der Citigroup entwickelt wurde. Es versteht sich dabei von selbst, dass es sich hierbei um kein objektiv gestaltetes Projekt handelt, sondern um eines, von der sich die Teile der Industrie, welche die INSM finanzieren, auch einen Profit erwarten (kurz: Werbung).

Weiter wird diese ideologisch geprägte Lernsoftware und weitere Materialien für den Unterricht über speziell für Schulen entwickelte Webseiten der FDP (s. ´ http://www.wirtschaft-und-schule-lsa.de ´) verbreitet.

Mit derartigen Referenzen versehen, ist der Weg in die Klassenzimmer frei, wie beispielsweise hier bei einem städtischen Gymnasium:
http://gymnasium-blomberg.de/2005/07/18/oeconomix-praktisches-wirtschaftwissen/

Meine Fragen hierzu:
1. Ist es sinnvoll, die von einer Lobby erstellten Unterrichtsmaterialen tatsächlich in staatlich bzw. städtisch finanzierten Schulen zu verwenden?
2. Sollte Bildung nicht auch in dem Sinne frei sein, dass der Auszubildende lernt, selbständig und kritisch zu denken sowie Sachverhalte zu hinterfragen?
3. Ist es nicht demokratiefeindlich, wenn man Schüler nur einseitig ausbildet?
4. Wo beginnt die Grenze jener staatlich geförderten propagandistischen Manipulation, an der man fürchten muss, dass die Demokratie nachhaltig gefährdet wird?
5. Wieso finanzieren alle Steuerzahler Marketinginstrumente, wie den oben genannten Bildungsserver, wenn er doch aus wirtschaftlichem Interesse Weniger genutzt wird?

Ich würde Sie bitten, mich ein wenig aufzuklären.

Vielen Dank für Ihre Bemühungen.

Mit freundlichen Grüßen
Jens Bekersch

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Bekersch,

vielen Dank für Ihre Frage.

Der Deutsche Bildungsserver ist kein Marketinginstrument, sondern vielmehr ein von Bund und Ländern getragenes Informationsportal, das als Wegweiser durch das deutsche Bildungssystem dienen soll. Gerade mit Blick auf die Finanzierung des Deutschen Bildungsservers aus öffentlichen Mitteln unterliegt er hohen und sorgfältig bedachten Qualitätsstandards. Auch muss der aus der Betrachtung eines einzelnen Datensatzes erfolgte Schluss zurückgewiesen werden, der Deutsche Bildungsserver diene wirtschaftlichen Interessen.

Es ist richtig, dass es im Deutschen Bildungsserver einen entsprechenden Datensatz zur Software Oeconomix gibt, weil das Institut der deutschen Wirtschaft von der Selbsteintragungsfunktion des Deutschen Bildungsservers Gebrauch gemacht und einen Verweis auf die Webseite der Software vorgeschlagen hat. Eintragungsvorschläge werden von der Redaktion des Deutschen Bildungsservers jedoch grundsätzlich daraufhin überprüft, ob sie einen Bildungsbezug haben, der Zugang zur Information frei ist und keine kommerzielle Absicht damit verbunden ist. Zusätzlich wird geprüft, ob die Seiten den grundgesetzlichen Vorgaben des Deutschen Bildungsservers entsprechen; es werden grundsätzlich keine rassistischen, nationalsozialistischen, diskriminierenden oder ähnliche Hinweise auf Webseiten aufgenommen.

Was jedoch nicht möglich und vorgesehen ist, ist beispielsweise eine Prüfung auf politische, ideologische oder wirtschaftliche Ausrichtungen, weil es nicht zur Aufgabe des Deutschen Bildungsservers gehört, zu prüfen, ob eine bildungsbezogene Webseite bestimmten politischen Positionen nahesteht und daraufhin gegebenenfalls die Informationen auszuschließen. Würden darüber hinaus privatwirtschaftliche Webseiten oder Produkte aus privatwirtschaftlichem Kontext generell ausgeschlossen, könnten ganze Bildungssektoren wie zum Beispiel der Weiterbildungsbereich nach Lage der Dinge nicht mehr dokumentiert werden.

Die angesprochene Webseite wird vom Institut der deutschen Wirtschaft zusammen mit einer Bankenstiftung angeboten - zweifellos keine objektiven und interessefreien Instanzen, dennoch lagen nach den bis dato beim Bildungsserver geltenden Aufnahmekriterien keine Ausschlussgründe für das Produkt vor. Dieses ist kostenfrei und bietet Lernmodule zu wirtschaftlichen Fragestellungen an. Direkte Werbung etwa für die Bank wird nicht betrieben. Hinzu kommt in diesem speziellen Fall, dass das betreffende Angebot mit dem "Comenius EduMedia-Siegel" ausgezeichnet wurde, das durchaus Renommee im Bildungsbereich hat. Dieses wurde als weiteres Qualitätsindiz betrachtet. Die genannte Software wird darüber hinaus nicht gewerblich angeboten.

Ich hoffe, dass Ihnen diese Ausführungen hilfreich sind und grüße Sie
herzlich.

Ihre Annette Schavan