Frage an Anton Friesen bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Anton Friesen
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Frage von Mario S. •

Frage an Anton Friesen von Mario S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte/r Abgeordnete/r,

ich schreibe gerade meine Bachelorarbeit zu den Jamaika-Sondierungen 2017. Um möglichst viele Eindrücke, Hintergründe und Ideen zu sammeln, habe ich mich entschlossen, Sie als gewählte/r Abgeordnete/r anzuschreiben. Dabei interessiert mich vor allem Ihre Meinung zu den gescheiterten Verhandlungen. Was könnte der Grund für das Scheitern sein? Welche Folgen machen Sie an dem Scheitern fest? Wie haben Sie die Verhandlungen und das Ergebnis verfolgt?
Welche Motivation gibt/gäbe es für Ihre Partei, in eine Regierung einzutreten und wie können Parteien wieder stärker die Gunst des Wählers erlangen? Welchen und wie viel Einfluss haben politische Parteien in Deutschland in der heutigen Zeit, auch im Vergleich zu anderen (europäischen) Ländern?
Abschließend würde mich noch interessieren, ob und inwiefern unser politisches (Wahl-)System in Zusammenhang mit der Thematik steht und wie es reformiert werden könnte.

Über Ihr Mitwirken würde ich mich sehr freuen. Falls Sie weitere Informationen (Links, Berichte etc.), wäre ich Ihnen sehr dankbar. Vielen Dank.

Mit freundlichen Grüßen
M. S.

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Antwort von
AfD

Sehr geehrter Herr S.,

vielen Dank für Ihre zahlreichen Fragen!

Da ich weder bei den Koalitionsverhandlungen dabei war, noch (in absehbarer Zeit) hierzu Protokolle als Primärquellen vorliegen, kann ich das Ganze nur von außen beurteilen.
Persönlich sehe ich es als eine (gescheiterte) PR-Aktion von Christian Lindner an, der der FDP wohl durch den "großen Knall" (den Abbruch der Koalitionsverhandlungen) höhere Umfragewerte und damit bessere Wahlergebnisse bei drohenden Neuwahlen verschaffen wollte. Bekanntlich ist allerdings die FDP danach bei den Umfragen abgestürzt und Neuwahlen hat es auch nicht gegeben.

Ich bezweifele, dass die Jamaika-Koalition, falls sie gebildet worden wäre, eine stabile, den inneren und äußeren Herausforderungen Deutschlands gewachsene Regierung wäre. Die Schnittmengen zwischen den Grünen und der FDP sind doch äußerst gering. Die Halbwertszeit einer solchen Koalition wäre daher gering. Alle drei "Partner" würden es darauf anlegen, kurzfristige PR-Erfolge zu erzielen, um gestärkt aus den wahrscheinlichen Neuwahlen hervorzugehen. Eine langfristige, (außenpolitische) Strategie wäre unter diesen Bedingungen ganz sicher nicht konzipiert und umgesetzt worden.

Wir sagen - wir sind zu einer Regierung bereit, wenn unsere grundlegenden Positionen hinsichtlich der EU, der Migration und der direkten Demokratie berücksichtigt werden.
Sollte das nicht der Fall sein, ist eine Opposition einer Regierungsbeteiligung vorzuziehen. Unter Angela Merkel wie auch unter ihrer (Kanzler?)-Nachfolgerin Kramp-Karrenbauer gibt es eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit, dass unsere Positionen zu den Grundsteinen einer Koalition gehören. Da wir - im Gegensatz zu der FDP, die in dieser Hinsicht über einige Erfahrung verfügt - keine Machtbeschafferin ohne Rückgrat sein wollen, kommt für uns daher auf absehbare Zeit eine Regierungsbeteiligung auf Bundesebene nicht in Frage. Darüber hinaus denke ich, dass für die AfD als neue, junge Partei zunächst eine Regierungsbeteiligung auf Landesebene primär in Frage käme - die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg bieten dieses Jahr eine Chance dazu.

Parteien "wirken an der politischen Willensbildung" mit, heißt es im Grundgesetz (Art. 21, Abs. 1). Wichtig ist, wie bei rechtlichen Regelungen im Allgemeinen, der Wortlaut: sie "wirken mit" - nicht: "sie bestimmen". Als Partei des Grundgesetzes sehen wir es genauso - die repräsentative Demokratie sollte um direkt-demokratische Elemente ergänzt werden. Dies heißt nicht, dass die repräsentative Demokratie abgeschafft wird. Vielmehr geht es darum, politische Fehlentwicklungen durch die direkt-demokratische Mitwirkung des Volkes zu verhindern und die politischen Eliten wirkungsvoll an die "Stimme des Volkes" zu erinnern, ihre Entscheidungen an den Willen der Allgemeinheit zu koppeln. Dies war in den vergangenen Jahrzehnten nicht der Fall (Stichwort: Euro-Einführung, Migrationskrise von 2015).

Schließlich zum Wahlrecht. Leider sieht es nicht so aus, als ob eine Reform in dieser Legislaturperiode eine Reform zustande käme. Leider sind die Positionen der Parteien so gegensätzlich und von den eigenen Interessen dominiert, dass sie sich gegenseitig blockieren. Die kleineren (FDP, Grüne, Linke) wollen keine Dominanz des Mehrheitswahlrechts, da sie eher wenige direkte Kandidaten "durchbekommen". Die größeren (CDU, SPD) wollen wiederum keine Dominanz des Verhältniswahlrechts, weil sie eine Benachteiligung zu Gunsten der Kleinen fürchten.
Meiner Ansicht nach sollte es ein unabhängiges Expertengremium geben, dass dem Bundestag eine Empfehlung zur Reform des Wahlrechts vorlegt. Der öffentliche Druck, einer solchen Reform zuzustimmen, wäre dann entsprechend groß.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Anton Friesen