Frage an Bernd Neumann von Sebastian B. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Neumann,
ich habe als passionierter "Gamer" in den letzten Jahren die gerade nach Gewalttaten von Jugendlichen immer wieder auftretenden Ausbrüche von Politikern gegenüber sog. "Killerspielen" oder Computerspielen allgemein mit Sorge verfolgt.
Welche Position vertreten Sie gegenüber dem Medium Computerspiel?
Was sagen Sie zu dem Vorwurf, die Angriffe auf Games ließen sich wissenschaftlich nicht vertreten und würden ein aufkommendes Medium diskreditieren?
Wie stehen Sie auf der anderen Seite zum Gewaltgehalt mancher Spiele?
Was sagen zur oft grob fehlerhaften Berichterstattung der Medien?
Danke im Voraus, Sebastian Boecker
Sehr geehrter Herr Boecker,
im November 2007 hat der deutsche Bundestag den Beschluss "Wertvolle Computerspiele fördern, Medienkompetenz stärken" verabschiedet. Darin wurde die Bundesregierung aufgefordert, ich zitiere: "Einen Preis für qualitativ hochwertige sowie kulturell und pädagogisch wertvolle Computerspiele zu initiieren und diesen sowie dessen Finanzierung unter Beteiligung der Wirtschaft zu realisieren". 300.000 Euro wurden dafür zur Verfügung gestellt. Die Computerspielbranche hat das Preisgeld um weitere 300.000 auf nunmehr 600.000 Euro erhöht.
Technologische Entwicklungen und Fortschritte soll und kann man nicht aufhalten. Verbote allein reichen nicht aus, um Gefahren abzuwehren. Wenn wir wollen, dass sich Qualität durchsetzt, müssen entsprechende Produkte auch angeboten werden. Genau dieses wollen wir mit der Verleihung des Computerspielpreises unterstützen. Das ist die überzeugendste Antwort auf die Kritik an manchen Computerspielen. Der Deutsche Computerspielpreis ist jedoch mehr als nur eine Reaktion auf die fundamentale Veränderung der Medienangebote und der Mediennutzung im digitalen Zeitalter - er ist ein Mittel, diesen Wandel auch zu gestalten.
Schon seit einiger Zeit gibt es eine breite Diskussion über Computerspiele und besonders über Gewalt in der digitalen Welt. Ich bin der Überzeugung: Gerade vor dem Hintergrund der nicht zu leugnenden Gefährdungen ist es wichtig, dass Politik und Computerspielbranche ein Zeichen setzen. Wir wollen Orientierung geben, und wir wollen Maßstäbe für Qualität und für Verantwortungsbewusstsein setzen - und das gilt für die Seite der Spielentwickler ebenso wie für die Seite der Nutzer. Da ist zuerst die Verantwortung für die in erster Linie jugendlichen Nutzer. Man kann die Augen nicht davor verschließen, dass Computerspiele im Alltag der meisten Kinder und Jugendlichen eine große Rolle spielen, sie sind quasi zu einem Leitmedium geworden. Darin liegt meines Erachtens auch eine große Chance. Digitale Spiele können jungen Menschen auf spielerische Weise an Themen heran führen, die für ihre persönliche, schulische oder berufliche Entwicklung bedeutsam sind. Sie können die kognitiven, technischen und kommunikativen Fertigkeiten von Kindern und Jugendlichen fördern. Wir wollen mit der Computerspielindustrie aber auch eine wichtige Branche der Kultur- und Kreativwirtschaft in den Fokus rücken. Nach neusten Erhebungen arbeiten in der Software- und Games-Industrie derzeit 345.100 Erwerbstätige. Mit einem Umsatz von 26,5 Mrd. in 40.800 Unternehmen ist die Software- und Games-Industrie die am stärksten wachsende Teilbranche der Kultur- und Kreativwirtschaft. Im Rahmen der von meinem Haus gemeinsam mit dem Wirtschaftministerium ins Leben gerufenen "Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft" fand im vergangenen Herbst das Branchenhearing "Software-/Gamesindustrie" in der Berliner Games-Akademie statt - mit großer Resonanz! Dieses Hearing hat deutlich gemacht: Gerade in einem so innovativen Sektor wie der Computerspielwirtschaft ist ständiger und rascher Fortschritt die Grundlage wirtschaftlichen Erfolgs.
Auch wenn ich einer restriktiveren gesetzlichen Regelung bezüglich Gewalt verherrlichender oder die Menschenwürde verletzender Spiele bzw. einer Verbesserung des Vollzugs bestehender gesetzlicher Regelungen positiv gegenüberstehe, bin ich doch überzeugt, dass auch das schärfste Gesetz Missbrauch nicht gänzlich vermeiden kann. Deshalb müssen alle gesellschaftlichen Gruppen ihre Verantwortung wahrnehmen. Allen voran Eltern, Lehrer, Unternehmen. Eine breitere Vermittlung von Medienkompetenz ist hierzu unerlässlich. Derzeit arbeiten wir gemeinsam mit der Computerspielwirtschaft an der Errichtung einer Stiftung, die nicht nur deutsche Spielentwickler bei der Beantragung öffentlicher Fördermittel unterstützen soll, sondern auch Angebote entwickeln wird, um über altersgerechte Spielangebote und mögliche Gefahren des Mediums zu informieren. Ich bin sicher, dass verantwortungsbewusstes Handeln das Renommee der wirtschaftlich starken Branche insgesamt stärkt und in ein objektives Licht rückt.
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Neumann, MdB