Frage an Bernd Ohde bezüglich Bildung und Erziehung

Bernd Ohde
CDU
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Frage von Ang K. •

Frage an Bernd Ohde von Ang K. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrter Herr Ohde,

Ich finde es sehr lobenswert, dass Sie zu den Politikern gehören die zumindest die meisten Fragen beantworten, vielleicht habe ich auch Glück.

mein Sohn besucht zwar erst die 1. Klasse, übrigens einer Privatschule, weil das Bildungssystem in Hamburg dermaßen schlecht ist; aber er kommt irgendwann in eine weiterführende Schule.

Für welche Auswahl, die die Eltern dann haben sollen, setzen Sie sich ein? Elitegymnasium und Resteschule?

Was mache ich wenn mein Sohn

a) nicht gut genug fürs Gymansium ist oder
b) nicht gut genug sein darf, da er aus einem sozial schwächeren Elternhaus kommt?

Bitte antworten Sie mir schnell, da diese Frage für mich sehr wahlentscheidend ist.

mfG
a.krogh

Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau Krogh,

vielen Dank für Ihre Frage. Allerdings können Sie kaum wissen, ob ich wirklich "zu den Politikern gehöre(n) die zumindest die meisten Fragen beantworten". Als ehrenamtlicher Politiker hätte ich bestimmt Probleme vernünftig und überlegt zu antworten, wenn wirklich häufiger Fragen an mich gestellt würden.

Ihr Anliegen ist allerdings meine erste "Aufgabe"!

Ich schliesse mich in Bezug auf Ihre Frage "Für welche Auswahl, die die Eltern dann haben sollen, setzen Sie sich ein?" voll inhaltlich den Aussagen und Perspektiven der Enquetekommisssion "Konsequenzen der neuen PISA-Studie für Hamburgs Schulentwicklung" an, die der Hamburgische Bürgerschaft im März 2007 mit großer Mehrheit (alle CDU-Abgeordneten und von ihr benannte Experten sowie Teile der SPD und die von ihr benannten Experten) die Einführung eines Zwei-Wege-Modells zum Abitur empfohlen hat.

Ihre Zuspitzung "Elitegymnasium und Resteschule?" ist meiner persönlichen Ansicht für eine kritische und provokative Schlagzeile zur Anregung einer Diskussion sicher möglich. In der sachorientierten Auseinandersetzung um den besten Weg für die "Zukunft der Bildung" befremden mich solche Schlagworte eher.

Weiter fragen Sie danach, was zu tun ist, wenn Ihr Sohn a) nicht gut genug fürs Gymnasium ist oder b) nicht gut genug sein darf, da er aus einem sozial schwächeren Elternhaus kommt?

Dazu möchte ich zunächst ganz persönlich antworten: Ich selbst komme aus einem sozial schwächeren Elternhaus, und war in meiner Kindheit zunächst auch nicht "gut genug fürs Gymnasium". Dann bin ich meinen Weg weiter durch das dreigliedrige Schulsystem gegangen, und habe mich dann über einen Realschulabschluss und anschließenden Besuch eines beruflichen Gymnasiums zum Abitur gebracht. Anschließend habe ich dann eine Berufabschluss erlangt etc. Hätte ich das Abitur nach dem Realschulabschluss nicht geschafft, hätte ich es später - nach einer Berufsausbildung - nochmal versucht ...

Mit dieser persönlichen Schilderung möchte ich Ihnen Mut machen, in keinem Falle aufzugeben.

Meine Eltern (Hafenarbeiter und Lagerarbeiterin) hätten es übrigens weder gewagt, mich in einer Privatschule anzumelden, noch hätten Sie die nötigen Mittel dafür aufbringen können.

Allerdings möchte ich auch darauf verweisen, dass das Abitur nicht für jeden jungen Menschen das Bildungsziel sein muss. Es gibt auch ganz andere attraktive Ausbildungen auf der Basis anderer Schulabschlüsse.

In den vergangenen über 50 Jahren Schulentwicklung ist das Schulsystem in Hamburg allerdings generell immer unübersichtlicher geworden, und in seiner Wirkung - trotz guten und engagierten Einsatzes der meisten Lehrkräfte - aus strukturellen Gründen nicht mehr gegenwarts- und zukunftsgerecht.

Eine andere wichtige Zukunftsfrage im Bildungsbereich ist vom Senat in den letzten Jahren übrigens - weitgehend ohne große öffentliche Beachtung - auf den Weg gebracht worden: Die Reform der Lehrerbildung.

Jedenfalls: Wenn die schon erwähnten Empfehlungen der Enquetekommission umgesetzt werden, wird sich die auch heute noch schwierigere Situation für Kinder aus sozial schwächeren Elternhäuser gewiss verbessern. Diese Empfehlungen ermöglichen den Kindern meiner Meinung nach mehr differenzierte Möglichkeiten, als dies über eine "Schule für Alle" möglich wäre. Die zwei Wege nehmen Rücksicht auf unterschiedliches Entwicklungstempo und unterschiedliche Ausgangssituationen.

In jedem Falle kommt es auch sehr stark auf die weitere Ausformung der Strukturen in den Umsetzungsschritten der nächsten Jahre und auf die innere Organisation und Führung der einzelnen Schulen an. Hier sollten wir gemeinsam am Ball bleiben, und konstruktiv an der Gestaltung im Detail mitwirken.

Ganz im Sinne meiner Ausführungen möchte ich noch folgende zusammen fassende Darstellung der Überlegungen der Enquetekommission als Zielrichtung für die weiteren Schritte der Schulentwicklung in Hamburg zitieren:

"1. Mit der Zweisäulenstruktur wird die Zersplitterung des Hamburgischen Schulwesens deutlich verringert: Haupt-, Real und Gesamtschulen (integrierte wie kooperative) sowie berufliche und Aufbau-Gymnasien wachsen zum Bildungsangebot der neuen Stadtteilschule zusammen.
2. Mit der Gründung von Stadtteilschulen und dem Erhalt der Gymnasien wird das Wahlrecht der Eltern ernst genommen.
3. Die neue Stadtteilschule führt in 9 bzw. 10 Jahren zum ersten und zum mittleren Abschluss, in 12 Jahren zur vollwertigen Fachhochschulreife (mit Praxisanteil!) sowie in 13 Jahren zum Abitur. Auf dem Gymnasium können die Schülerinnen und Schüler nach insgesamt 12 Jahren das Abitur erlangen.
4. Eine Zweisäulenstruktur mit Stadtteilschule und Gymnasium bietet den Kindern (und ihren Eltern) in der Sekundarstufe zwei gute Wege, ohne Schulwechsel das Abitur, aber auch andere Schulabschlüsse zu erreichen.
5. Jede Stadtteilschule und jedes Gymnasium beschreibt das vorhandene schulische Bildungsangebot von Jahrgang 5 bis 13 bzw. 5 bis 12 und stellt diese Information den Eltern und Schülerinnen und Schülern in geeigneter Weise zur Verfügung Aus dem Bildungsangebot werden die charakteristischen Eckpunkte der einzelnen Schule im unterrichterlichen und im außerunterrichtlichen Bereich deutlich.
6. Die neue Schulstruktur trägt mit dazu bei, die Bildungsgerechtigkeit für alle Kinder zu fördern.
7. Die durchschnittlichen Wochenstunden werden in der Stadtteilschule voraussichtlich bei etwa 30 Stunden, im Gymnasium bei etwa 34 Stunden liegen. Mit dieser geringeren zeitlichen Belastung pro Schulwoche in der Stadtteilschule können die Schülerinnen und Schüler auch verstärkt außerunterrichtliche Aktivitäten wahrnehmen. Damit wird entsprechenden Wünschen aus der Hamburgischen Elternschaft Rechnung getragen.
8. Die Stadtteilschule bietet Eltern bessere Rahmenbedingungen, um berufliche und familiäre Aufgaben gut miteinander zu vereinbaren, z. B durch Hausaufgabenbetreuung. Jede Stadtteilschule ist Ganztagsschule oder bietet mindestens verlässliche Betreuungsangebote am Nachmittag. Entsprechend der Nachfrage wird es ein über das Stadtgebiet verteiltes Netz von Stadtteilschulen in Ganztagsform geben.
9. In der Stadtteilschule wird durch niedrigere Frequenzen in Klassen oder Lerngruppen und durch zusätzliche Förderangebote für leistungsstarke Schülerinnen und Schüler ebenso wie für Schülerinnen und Schüler mit (zeitweiligen) Leistungsproblemen zu eigenverantwortlichem, selbständigem Lernen geführt. In den Gymnasien wird die Fähigkeit zu eigenverantwortlichem und selbständigem Lernen vorausgesetzt.
10. Die Stadtteilschule wird verstärkt außerschulische Lernorte nutzen und so den Schülerinnen und Schülern Erfahrungen in verbindlichen Lernsituationen auch außerhalb der Schule ermöglichen. Schulisches und außerschulisches Lernen wird gezielt in unterschiedlicher Intensität verknüpft.
11. In der Stadtteilschule und im Gymnasium wird die Wiederholung eines Jahrgangs durch geeignete Maßnahmen deutlich reduziert
12. An der Stadtteilschule werden Lehrerinnen und Lehrer mit Lehrbefähigung für Haupt- und Realschulen, Gymnasien und berufliche Schulen arbeiten. Sozialpädagogen, Psychologen, Erzieher und weitere Berufsgruppen werden die unterrichtliche Arbeit unterstützen. Der von der Enquetekommission geforderte Personalmix aus Lehrkräften aller Schulformen und sonstigen Fachkräften ermöglicht gegenseitigen Inspirieren, Ergänzen und Kooperieren unterschiedlicher Ansätze von Lernen und Lehrern und eine intensivere pädagogische Begleitung.
13. Die Stadtteilschulen entscheiden im Rahmen ihrer pädagogischen Selbstverantwortung und unter Berücksichtigung der KMK-Richtlinien über die Form der Differenzierung. „Formen der dauerhaften äußeren Differenzierung sollen“, so die Enquetekommission, „zugunsten innerer Differenzierung und Individualisierung zurücktreten.“ Dies erfordert in einer Stadtteilschule eine große Breite unterschiedlicher Lern- und Lehrformen mit dem Ziel des individuellen Förderns und Forderns jeder Schülerin und jedes Schülers. Aus Sicht der BBS können sich diese pädagogischen Möglichkeiten und das Zusammenwirken der unterschiedlichen Professionen in Jahrgangsbreiten von 100 bis 150 am besten entwickeln.
14. Durch die Gründung von Stadtteilschulen mit veränderter Zusammensetzung der Kollegien kommt es zu einem neuen gemeinsamen Dialog über individuelles Fördern und Fordern. Integriert werden in der Stadtteilschule die ermutigende Entwicklung einiger Hauptschulen beispielsweise in Richtung stärkerer Praxisorientierung wie auch die guten Erfahrungen einiger Gesamtschulen mit veränderten Formen des miteinander Lernens auch über Jahrgänge hinweg, die guten Erfahrungen aus dem Gymnasium mit dem Auslandsaufenthalt und die der beruflichen Schulen aus der Arbeitswelt.
15. Die Weiterentwicklung der Gymnasien basiert in Analogie zu anderen Bundesländern auf einer flexibleren Kontingentstundentafel mit einem starken Akzent auf veränderte Lernformen. Durchgehende Methodencurriula, fächerverbindendes und –übergreifendes Unterrichten sowie auch jahrgangsübergreifendes Lernen sollen an jedem Gymnasium mit dem Ziel der Bildung einer breiten Spitze verbindlich umgesetzt werden.
16. Durch die Einführung der Zwei-Säulen-Struktur wird es wichtige neue Impulse für die Weiterentwicklung der Schulen geben. Sowohl in der Stadtteilschule als auch in den Gymnasien wird durch Neuanfang und klare Profilierung der Säulen das individuelle Fordern und Fördern in den Vordergrund gestellt mit dem Ziel einer besseren Bildung für alle Schülerinnen und Schüler.
17. Schule ist mehr als Unterricht. Sowohl die Stadtteilschule, als auch das Gymnasium sollen Lern- und Lebensraum für Schülerinnen und Schüler sein und zugleich Treffpunkt für jung und alt."

Diese Zusammenfassung und mehr finden Sie unter: http://fhh.hamburg.de/stadt/Aktuell/behoerden/bildung-sport/aktuelles/stadtteilschule-gymnasium.html

Da kein Schulsystem so gut sein kann, den Erfolg im Einzelfall zu garantieren, wünsche ich Ihnen viel Kraft und eine "gutes Händchen" um die Entwicklung Ihres Sohnes so auf den Weg zu bringen, dass er einen für sich befriedigenden und sinnerfüllten Weg gehen kann.

Mit freundlichen Grüßen
Bernd Ohde