Frage an Brigitte Pothmer bezüglich Soziale Sicherung

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Brigitte Pothmer
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Heinz O. •

Frage an Brigitte Pothmer von Heinz O. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Potmer,
die Hauptforderungen der Opposition bezieht sich auf die Einhaltung des Grundgesetz und den Urteilen des Bundesverfassungsgericht.
So heißt es in dem Urteil vom 18.07.2012:
"Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG garantiert ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (…). Art. 1 Abs. 1 GG begründet diesen Anspruch als Menschenrecht."(BVerfG, 1 BvL 10/10 v. 18.07.2012 (AsylbLG), Leitsatz 2)
Und weiter:
Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG verlangt, dass das Existenzminimum in jedem Fall und zu jeder Zeit sichergestellt sein muss." (BVerfG, 1 BvL 10/10 vom 18.07.2012 (AsylbLG), Abs- Nr. 120).
Im Gegensatz zum Urteil vom 09.02.2010 gibt es somit keinen Interpretationsspielraum hinsichtlich der Sanktionen mehr, sondern sie sind
eindeutig verfassungswidrig!
Warum wird dieses Urteil dennoch von der "GroKo" und Ihnen ignoriert und weiterhin an Sanktionen festgehalten, die nur den Unternehmen dienen und die Steuerzahler mit erheblichen zusätzlichen Kosten belasten (Sozialgerichte, Kosten der Anwälte die lt. Spiegel im Jahr 2012 39,6 Millionen Euro betrugen, etc.), aber keinem "Nutzen", zumal rund die Hälfte dieser Sanktionen als rechtswidrig beurteilt wurden?
Was sagen Sie dazu, dass sogar jeder 10. sanktioniert wurde?
Warum setzen Sie sich nicht mit den Betroffenen auseinander, die Ihnen aus jahrelanger Praxis nachweisen können, wie es vor Ort tatsächlich läuft?
Die Tatsache, dass allein im Mai 2014 über 200.000 Widersprüche gegen Bescheide
erhoben wurden, zeig auch die Inkompetenz vieler Jobcenter-Mitarbeiter und produziert Kosten, die in keiner Relation zum "Nutzen" stehen, was auch der Bundesrechnungshof mehrfach gerügt hat. Warum lassen Sie so etwas zu?
Da es nicht die notwendigen Arbeitsplätze gibt, ist "Hartz IV"
gescheitert, was auch die vielen Studien (z.B. Uni Jena) belegen.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Onasch,

haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht. Ich teile Ihre Kritik an der derzeitigen Sanktionspraxis. Die geltenden Sanktionsregeln sind undifferenziert, unflexibel und wirken oft kontraproduktiv. Das zeigen auch die Zahlen der erfolgreichen Widersprüche und Klagen ganz deutlich, wie Sie richtig feststellen.

Wir Grünen fordern deshalb seit langem die Rechte der Arbeitsuchenden zu stärken, die Voraussetzungen für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zu schaffen und wieder mehr Geld in Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen zu investieren. Arbeitsuchende sollen zum Beispiel das Recht bekommen, Ihren persönlichen Ansprechpartner bei schwerwiegenden Konflikten auf Wunsch zu wechseln. Auch die verstärkten Zumutbarkeitsregeln müssen korrigiert werden. Arbeitsuchende müssen außerdem die Möglichkeit haben, aus verschiedenen Maßnahmen ein passgenaues Angebot auszuwählen. Es sollen zudem flächendeckend Ombudsstellen eingerichtet werden, die bei Konflikten als neutrale Anlaufstelle vor Ort vermitteln können. So kann auch die Zahl von Gerichtsverfahren deutlich sinken. Solange dies nicht erreicht ist, fordern wir ein Sanktionsmoratorium – also die Aussetzung von Sanktionen. Und zwar solange, bis alle Forderungen auch tatsächlich umgesetzt worden sind.

Ihre Einschätzung, jegliche Sanktionen seien verfassungswidrig, teile ich allerdings nicht. Deshalb wollen wir Grünen Sanktionen auch nicht grundsätzlich abschaffen. Wir halten es für gerechtfertigt, dass die Gesellschaft vom Einzelnen Engagement erwarten darf und auch die Bereitschaft einfordern kann, im Rahmen seiner Fähigkeiten etwas zur Gesellschaft beizutragen. Trotzdem werde ich mich selbstverständlich weiterhin dafür einsetzen, dass die Sanktionspraxis reformiert wird. Außerdem dürfen Sanktionen niemals das physische Existenzminimum antasten. Wir Grüne fordern deshalb, den Grundbedarf und die Kosten der Unterkunft und Heizung von Sanktionen auszunehmen. Bei Kürzungen über 10 Prozent des Regelsatzes sollen antragslos entsprechende Sachleistungen erbracht werden. Unsere Vorstellungen im Detail können Sie dem Antrag „Rechte der Arbeitsuchenden stärken – Sanktionen aussetzen“ ( http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/032/1703207.pdf ) entnehmen, den wir in den Bundestag eingebracht haben.

Mit freundlichen Grüßen
Brigitte Pothmer