Frage an Cajus Caesar bezüglich Wirtschaft

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Cajus Caesar
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Frage von Thomas B. •

Frage an Cajus Caesar von Thomas B. bezüglich Wirtschaft

Guten Tag, sehr geehrter Herr Julius Caesar,

die EU droht sich in eine schuldenbasierte Transferunion, eine Haftungsgemeinschaft, zu verwandeln. Außerdem soll das Haushalts- und Budgetrecht der nationalen Parlamente an einen EU-Gouverneursrat abgegeben werden. Grundlage hierfür ist der erst vor kurzem bekannt gewordene Vertragsentwurf zum sog. "Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM)", über den Sie als Mitglied des Deutschen Bundestages vermutlich nach der Sommerpause noch 2011 entscheiden werden.

http://www.youtube.com/watch?v=8kmcloVZu1o&feature=player_embedded

Deutsche Steuergelder sollen für die Schuldenpolitik anderer EU-Länder geradestehen. Wir sollen arbeiten, damit die Banken keine Verluste machen. Dem Steuerzahler wird Zwangssolidarität verordnet. Die Banken sind auf freiwilliger Basis dabei. Uns Bürgern gesteht man diese Freiwilligkeit nicht zu. Wir müssen zahlen. Der ESM-Vertrag darf deshalb den Deutschen Bundestag nicht passieren!

Ich fordere Sie daher auf, sich politisch für ein klares Bekenntnis gegen den ESM-Vertrag und die EU-Schuldenunion auszusprechen. Sie haben es in der Hand, dass der Steuerzahler nicht weiter belastet wird. Denken Sie bitte an die kommenden Generationen, die unter einer verfehlten EU-Wirtschafts- und Finanzpolitik leiden werden.

Diese ist nicht in unserem Sinne – legen Sie bitte Ihre Position zu dieser Frage offen. Werden Sie den ESM-Vertrag zustimmen oder ihn ablehnen?

Meine politische Unterstützung an der Wahlurne mache ich stark von Ihrer Haltung in dieser essentiellen Zukunftsfrage abhängig.

Mit freundlichen Grüßen

Thomas Bender aus Heinsberg (PLZ 52525)

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Sehr geehrter Herr Bender,

für Ihre Anfrage und Ihre Stellung zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) bedanke ich mich ganz herzlich. Gerne nehme ich die Gelegenheit wahr, meine Position zu diesem Thema zu äußern.

Die aktuelle Situation im Europäischen Finanzraum ist sicherlich nicht einfach. Deshalb kann ich Ihre Bedenken sehr gut nachvollziehen, halte sie auch für begründet und sehr plausibel. Auch ich habe mich dementsprechend äußerst schwer getan, eine zustimmende Entscheidung zum vorliegenden Vertragsentwurf zum ESM zu treffen.

Europa und insbesondere die Eurozone stehen wie andere Länder in der Welt vor großen Herausforderungen, die aktuelle Staatsschuldenkrise zu meistern. Die Ursachen dieser Krise liegen nicht im kurzfristigen Bereich – vielmehr haben Länder über Jahrzehnte hinweg mehr Schulden gemacht als auf Dauer finanzierbar sind. Ebenso haben auch wir in Deutschland heute noch mit Auswirkungen aus Fehlern der Vergangenheit zu kämpfen. Die rot/grüne-Koalition hat während ihrer Regierungszeit die Stabilitätskriterien für den Euro gebrochen – eine Grundlage der heutigen Probleme. Auch fällt die höchst kritische Aufnahme Griechenlands in den Euroraum in die Zeit der Kanzlerschaft Gerhard Schröders. Auch Italien steht vor erheblichen Problemen. Das Land ist zwar die achtstärkste Industrienation der Welt, sitzt aber auf einem Schuldenberg von 1,85 Billionen Euro – 29.000 Euro pro Einwohner. Zum Vergleich: Griechenland hat „nur“ 273 Milliarden Euro Schulden – 24.000 Euro pro Einwohner.

All dies sind Tatsachen und Voraussetzungen, unter denen wir heute arbeiten und zukunftsverträgliche Entscheidungen treffen müssen. Diese langfristigen Fehlentwicklungen der Vergangenheit, sowohl in Deutschland als auch in anderen europäischen Ländern, gilt es durch ineinander greifende, teils komplexe Maßnahmenpakte zu bewältigen. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel hat richtig erkannt, dass die Eigenverantwortung und Solidarität in der Eurozone in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden müssen, damit wir für mögli¬che zukünftige Krisen besser ausgerüstet sind. Vor allem ist es von großer Bedeutung, den Euroraum insgesamt auf eine solide Basis zurückzuführen, um die Wirtschaftskraft der zukünftigen Generationen so wenig wie möglich zu gefährden.

Im Frühjahr 2010 standen die Eurostaaten vor der Situation, dass die Schuldenkrise in Griechenland die Finanzstabilität der Eurozone als Ganzes zu gefährden drohte. Zwar ist Griechenland ein wirtschaftlich vergleichsweise kleines Land – wegen der Vernetzung der modernen Finanzmärkte und Griechenlands Einbindung in den Euro hätte ein Zahlungsausfall des griechischen Staates damals jedoch eine Kettenreaktion am Finanzmarkt nach sich ziehen können. Um die Einheit der Währungsunion zu erhalten und klarzustellen, dass die Mitgliedsstaaten der Eurozone eine gemeinsame Währung verteidigen galt es, eine so genannte „Ansteckungsgefahr„ auf andere Länder und schließlich die Weltwirtschaft zu vermeiden. Unter diesem Eindruck wurde im Mai 2010 der von vornherein befristete Eurorettungsschirm (Europäische Finanzstabilisierungsfazilität; EFSF) aufgespannt. Hier ging es darum, möglichst schnell ein deutliches Vertrauenssignal an die Finanzmärkte zu senden und der Politik ihre Handlungsoptionen zu sichern. Zentrales Motiv der Rettungshilfen für Griechenland ist die reale Gefahr eines Übergreifens der Zweifel an der Zahlungsfähigkeit anderer großer Euro-Länder. Ein Kollaps dieser Länder hätte auf alle Euro- und EU-Länder katastrophale Auswirkungen. Dies gilt aufgrund der starken volkswirtschaftlichen Bedeutung der Exportwirtschaft und dem hohen Anteil des Exports in die EU-Länder von rund Prozent insbesondere für Deutschland. Da die EU nach den USA der zweitgrößte weltwirtschaftliche Faktor ist, wäre aber letztendlich die gesamte Weltwirtschaft betroffen.

Um die Eurozone auf Dauer zu stabilisieren und sie für zukünftige weltwirtschaftliche Herausforderungen gut aufzustellen gilt es nun, auch eine verbesserte Vorsorge herbeizuführen. Hierzu haben sich die Staats- und Regierungschefs auf mehrere Elemente verständigt:

• Um Neuverschuldung und Schuldenstand stärker in den Griff zu bekommen, wird der bestehende Stabilitäts- und Wachstumspakt grundlegend gestärkt. Alle Länder der Währungsunion haben sich nun verbindlich dazu verpflichtet, ihre Haushalte auszugleichen. Verstöße können außerdem leichter sanktioniert werden. Auf deutsche Initiative hin signalisierte Frankreich die Bereitschaft, Länder, die dauerhaft zu viele Schulden machen, mit einfacher Mehrheit der 27 EU-Staaten sanktionieren zu lassen. Dies ist ein Meilenstein auf dem Weg zu einer tragfähigen europäischen Haushaltspolitik.

• Der Euro-Plus-Pakt soll die Wettbewerbsfähigkeit der Mitgliedsstaaten und Europas insgesamt verbessern. Auf deutsch-französische Initiative wurde er von den Staats- und Regierungschefs vereinbart. Auch andere EU-Mitgliedsstaaten wollen sich beteiligen. Jährlich sollen gemeinsame Ziele vereinbart werden, die konkrete nationale Maßnahmen nach sich ziehen (Bsp.: Anpassung des Rentenalters an die steigende Lebenserwartung, Orientierung des Lohnniveaus an der Produktivität, kein Steuerdumping). Auch Griechenland muss den Nachweis strikter Stabilitätspolitik erbringen. Andere Staaten mit übermäßigem Haushaltsdefizit haben ebenfalls mit dem Konsolidierungskurs begonnen. Spanien hat eine Schuldenbremse bereits eingeführt. Diese Maßnahmen sind in allen Mitgliedsländern unverzichtbar.

• Ein neu eingerichtetes gesamtwirtschaftliches Überwachungsverfahren – das so genannte „makroökonomische Überwachungsverfahren“ – soll zudem dafür sorgen, dass Mitgliedstaaten nicht durch eine falsche Politik zu wirtschaftlichen Strukturproblemen beitragen und damit die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit ihres Landes untergraben. Bei massiven Wettbewerbsproblemen, die dazu führen, dass ein Land viel zu viel importiert und viel zu wenig exportiert, kann der Rat ein neues „Verfahren bei einem übermäßigen Ungleichgewicht“ einleiten und gegen das Defizitland Geldbußen verhängen.

Auch die beste Vorsorge kann jedoch keine vollständige Garantie dafür geben, dass es nie wieder zu einer Staatsschuldenkrise im Euroraum kommt. Für diesen Fall wird Europa künftig besser gerüstet sein als im vergangen Jahr. Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) wird ab dem 1. Juli 2013 die Aufgaben der zeitlich befristeten Instrumente EFSF und des Gemeinschaftsinstrumentes EFSM übernehmen, vor allem aber ein für die Märkte transparentes Regelwerk für den Umgang mit zukünftigen Staatsschuldenkrisen bieten. Unterstützung durch den ESM wird weiterhin ausschließlich unter strikten Bedingungen gewährt:

1) Gefährdung der Stabilität der gesamten Eurozone (ultima ratio)
2) auf Basis einer unabhängigen Schuldentragfähigkeitsanalyse
3) im Rahmen eines strikten wirschafts- und finanzpolitischen Reform- und Anpassungsprogramms (macht die ESM-Inanspruchnahme für eine Regierung wenig attraktiv)
4) nach einstimmiger Entscheidung (implizites Vetorecht für Deutschland)

Ein weiterer Sicherungsmechanismus findet sich in der Einrichtung des EU-Gouverneursrates. Dieser wird aus den Finanzministern der Eurozonen-Mitgliedstaaten, sowie über ein Direktorium, in das jeder Gouverneur für sein Land einen Vertreter für den Bereich Wirtschaft und Finanzen entsendet, gebildet. Der Gouverneursrat kann nichts über die Köpfe der nationalen Regierungen hinweg entscheiden. Somit wird in jedem Land weiterhin autonom über eventuelle Änderungen im beschlossenen Rettungsvolumen neu abgestimmt. Vor allem ist der Gouverneursrat in dem Moment wichtig, wenn ein Land seine Verpflichtungen aus dem ESM nicht erfüllt. Dies wird vom Gouverneursrat sanktioniert – dennoch lediglich auf der Grundlage legitim und von den nationalen Parlamenten getroffener Beschlüsse.

Deutschland trägt in der Eurozone als Staat mit dem größten Finanzvolumen auch eine große Verantwortung. Auch haben wir – hier ist sich die Mehrheit der Experten einig – stärker von der gemeinsamen Währung profitiert, als jedes andere europäische Land. In Deutschland soll das Bundestagsplenum entscheiden, ob ein verschuldetes Euroland in ein Hilfsprogramm aufgenommen wird. Für die bloße Anwendung der Instrumente würde eine Zustimmung des Haushaltsausschusses reichen. Diese vornehmlich von der Unionsfraktion vorgesehene parlamentarische Beteiligung geht weit über das Übliche hinaus.

Alle Maßnahmen sind darauf ausgerichtet, die Eurozone auf Dauer zu stabilisieren und sie für die zukünftigen weltwirtschaftlichen Herausforderungen zu wappnen. Sie wirken darauf hin, das Vertrauen der Finanzmärkte – das heißt der Sparer und Investoren und letztlich der Bürger und Unternehmen – in den Euro zu stärken und künftige Staatsschuldenkrisen im Euroraum zu verhindern.

Mit dem gehärteten Stabilitäts- und Wachstumspakt, der Überwachung schädlicher gesamtwirtschaftlicher Ungleichgewichte, dem Euro-Plus-Pakt für mehr Wettbewerbsfähigkeit und dem neuen Regelwerk für eine etwaige Gläubigerbeteiligung wird viel dafür getan, dass Krisen gar nicht erst entstehen. Sollte es trotzdem zu einer krisenhaften Zuspitzung kommen, steht mit dem ESM eine Institution bereit, die dem betroffenen Land hilft, seine strukturellen Probleme zu lösen und eine Krise der Eurozone insgesamt zu verhindern.

Dennoch bleibt es ganz klar dabei, dass die Verantwortung für die Sanierung der öffentlichen Finanzen bei der Regierung des jeweiligen Landes liegt. Gerade die bereits betroffenen Länder müssen die Märkte davon überzeugen, dass sie auf dem richtigen Weg zu tragfähigen Staatsfinanzen sind. Alle Mitgliedsstaaten müssen lernen, nachhaltig und solide zu wirtschaften, damit sie ökonomisch stark und wettbewerbsfähig bleiben. Viele Länder lebten und leben über ihre Verhältnisse – das ist ein Grund für die heutigen Turbulenzen.

Das akute Krisenmanagement und auch die darüber hinausgehenden Vereinbarungen der Staats- und Regierungschefs müssen auf der Basis der bestehenden politischen Strukturen und der geltenden europäischen Verträge stattfinden. Diese politischen und vertraglichen Strukturen werden auf Dauer nicht ausreichend sein. Um die Stabilität der Währungsunion langfristig zu verbessern, brauchen wir einen Prozess, der zu stärkeren, demokratisch legitimierten europäischen Institutionen führt. Am Ende dieses Prozesses muss eine politische Union Europas stehen. Ohne begrenzte, aber zielgerichtete weitere Schritte im Sinne einer institutionellen Vertiefung wird die europäische Handlungsfähigkeit auf Dauer nicht erhalten werden können. Eine solche Fortentwicklung wird nicht über Nacht geschehen. Die Stärkung der Institutionen der Eurozone wird Zeit brauchen und auch die Bereitschaft zur Änderung der EU-Verträge.

Vor diesem Hintergrund und im Wissen über das allgemeine, gesellschaftlich große Interesse an dieser Thematik haben wir eine Veranstaltung organisiert, auf die wir Sie gern hinweisen möchten. Am 10. Oktober 2011 um 19 Uhr spricht der Europaabgeordnete Elmar Brok bei der CDU in Lage zum Thema „Europa und der Euro“. Die Veranstaltung findet im Restaurant "Brinkkrug", Bielefelder Straße 160 (B6) statt. Im Rahmen der Veranstaltung werden die Bürgen die Möglichkeit haben, die bestehenden Fragen oder Anregungen zum Ausdruck zu bringen und zu diskutieren.

Mit freundlichen Grüßen
Cajus Caesar MdB