Frage an Carl-Ludwig Thiele bezüglich Finanzen

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Carl-Ludwig Thiele
FDP
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Frage an Carl-Ludwig Thiele von Ottmar M. bezüglich Finanzen

Guten Tag Herr Thiele,

die FDP begrüßt die „marktwirtschaftliche“ Vorgehensweise des Staates bei der geplanten Übernahme der Hypo Real Estate. Was, Herr Thiele, hat es denn mit Marktwirtschaft zu tun, wenn der Steuerzahler, den die FDP ja immer entlasten will, zunächst ca. 100 Mrd. € in eine eigentlich insolvente Bank steckt und hinterher die Eigentümer auch noch großzügig entschädigt, in dem er die Aktien zum Tageskurs kauft? Nach meinem Verständnis von Marktwirtschaft hat der Eigentümer eines Unternehmens die Folgen seines Handelns zu tragen und nicht der Steuerzahler. Nach meinem Verständnis von Marktwirtschaft werden im Fall einer Insolvenz zunächst die Gläubiger befriedigt und die Interessen der Eigentümer haben hintenan zu stehen. Warum stellt die FDP hier die Interessen der Eigentümer zu Lasten der Steuerzahler in den Vordergrund? Was hat es mit Marktwirtschaft zu tun, wenn die Eigentümer nicht für die Folgen ihrer Unternehmung haften müssen, so wie es bei jedem Gewerbetreibenden der Fall ist? Hat die FDP von den Eigentümern der HRE Spenden oder ähnliche Zuwendungen (nicht veröffentlichungspflichtig) erhalten? Warum sträubt sich die FDP gegen die logische Enteignung von Aktionären, deren Kapital ohne das Eingreifen des Steuerzahlers wertlos wäre? Die Enteignung landwirtschaftlicher Unternehmer ist doch auch üblich, wenn deren Flächen für den Bau von Autobahnen benötigt werden. Die FDP will eigentlich noch mehr Autobahnen, würde also die Enteignung landwirtschaftl. Unternehmer forcieren. Warum machen Sie bei Banken einen Unterschied?

Hochachtungsvoll

O. Müller

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Müller,

vielen Dank für Ihre Frage zur Hypo Real Estate.

Ich stimme Ihnen in einem Punkt völlig zu: Ein Eigentümer muss grundsätzlich die Folgen seines unternehmerischen Handelns selbst tragen. Dies gilt auch für Verluste, insbesondere auch im Falle der Hypo Real Estate (HRE).

Die Milliarden-Bürgschaften für die HRE sind in der Tat ein ordnungspolitischer Sündenfall. Die Alternative jedoch wäre ein Zusammenbruch der Bank mit all seinen schwerwiegenden Folgen gewesen. Eine Insolvenz der HRE hätte nicht nur das deutsche, sondern wohl auch das weltweite Bankensystem unmittelbar gefährdet. Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an die Insolvenz der Bank Lehman Brothers. Es ging bei der Rettung der HRE also keineswegs um deren Eigentümer bzw. Aktionäre, sondern um unseren gesamten Finanzmarkt. Nach meiner Auffassung hat die Bewertung der Hypo Real Estate durch die Börse übrigens zu einem ganz erheblichen Wertverlust für die Aktionäre geführt.

Angesichts einer finanziellen Verpflichtung von mittlerweile über 100 Milliarden Euro für die HRE halte ich es durchaus für denkbar, dass der Staat diese Bank verstaatlicht. Eine solche Verstaatlichung sollte allerdings durch marktwirtschaftliche Mittel erfolgen. Der Erwerb der Aktien an der Börse durch die Bundesregierung wäre ein solches marktwirtschaftliches Mittel, wie auch ein Kapitalschnitt oder eine entsprechende Kapitalerhöhung. Mir ist unbegreiflich, warum seitens der Bundesregierung stattdessen öffentlich vor allem auf eine Enteignung als hoheitlicher Eingriff gedrängt wird, obwohl marktwirtschaftliche Instrumente überhaupt noch nicht abschließend genutzt wurden.

Ich bin gespannt, ob der Bund in letzter Konsequenz den marktwirtschaftlichen Weg beschreiten wird oder tatsächlich eine Enteignung vorzieht. Hierzu möchte ich anmerken, dass ein Finanzminister, der eine Bank enteignet, natürlich nicht mehr links von der Linkspartei überholt werden kann.

Das Ansehen des Finanzplatzes Deutschland für bereits getätigte und zukünftige Investitionen halte ich bei der Enteignung einer Bank durch den Staat für äußerst gefährdet.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Carl-Ludwig Thiele