Frage an Carsten Schneider bezüglich Finanzen

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Carsten Schneider
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Frage von Juergen V. •

Frage an Carsten Schneider von Juergen V. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Schneider,

nachdem am Freitag (30.06.17) die gesetzliche Grundlage „Ehe für Alle“ von den Fraktionen in offener Abstimmung freigegeben wurde, habe ich Fragen zu weiteren noch offenen Entscheidungen.
Nach den Panama-Papers, Dividendenstripping, Lux-Leaks, Malta Files Skandale von Geldtransfers zur Steuervermeidung oder Geldwäsche, habe ich Fragen zum Stand der Finanztransaktionssteuer in den Bundestagsgremien.
Meines Wissens wollten alle im Bundestag vertretenden Parteien diese nach der Bankenkrise einführen.
Diese wurde aber bis jetzt noch nicht gesetzlich geregelt. Bankenrettungspakete, ESM und ESF wurden binnen einer Woche in Bundestag und Bundesrat verabschiedet.
Steht die Finanztransaktionssteuer nicht mehr auf der Tagesordnung der Fraktionen?
Stehen nur "notleidende Banken" im Focus der Finanzpolitik?
Wie es um die Steuerzahlungsmoral von Großkonzernen und Milliardären steht, ist bei den oben genannten Beispielen belegt.
Daher besteht hier dringender Handlungsbedarf. Wird auch diese Abstimmung zur Glaubwürdigkeit der Politik noch in dieser Legislaturperiode freigegeben?

Für die Beantwortung bedanke ich mich,

Mit freundlichen Grüßen
J.Vanselow

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Sehr geehrter Herr Vanselow,

vielen Dank für Ihr Schreiben. Eine gesetzliche Regelung zur Finanztransaktionssteuer ist in der Tat „offen“, wie Sie sagen.

Im Koalitionsvertrag haben wir uns darauf verständigt, dass sie auf europäischer Ebene eingeführt werden soll. Darin heißt es u.a.: „Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer auf europäischer Ebene stärkt die Beteiligung des Finanzsektors an den Kosten der Krise und an den Zukunftsaufgaben von Wachstum und Beschäftigung.“ Die Europäische Union ist in politischer, rechtlicher, ökonomischer und regionaler Hinsicht ideal für eine koordinierte Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Nach dem sich die G20 auf die international koordinierte Einführung der Steuer nicht einigen konnten, befasste sich die Europäische Kommission 2010 mit der Möglichkeit einer Besteuerung des Finanzsektors. Neben der Stabilisierung des Finanzsektors sollte die Steuer einen Beitrag der Finanzinstitutionen zu den Kosten der Weltwirtschaftskrise sicherstellen. Außerdem hätte dadurch eine Steuerharmonisierung auf dem gemeinsamen Markt erreicht werden können.

Schweden, Großbritannien, Bulgarien und Tschechien wehrten sich damals jedoch gegen deren Einführung, die nur einstimmig hätte beschlossen werden können. Die Kommission schlug daraufhin im Jahr 2012 eine Steuereinführung im Rahmen der „Koalition der Willigen“ vor. Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, Österreich, Spanien, Griechenland, Portugal, Slowakei Slowenien und Estland waren Teil dieses Verbunds. Ende Dezember 2016 wurde die endgültige Entscheidung aufgrund von Uneinigkeit bei Detailfragen jedoch erneut verschoben.

Der brauchbarste Rahmen für die weiteren notwendigen Verhandlungen sind die Treffen der Eurogruppe, in denen sich die Finanzminister der Euro-Staaten treffen. Zuletzt fand ein solches Treffen Mitte Juli statt. Von Herrn Schäuble erwarte ich hier keinen Einsatz. Er schiebt das Argument verunsicherter Finanzmärkte im Zuge des Brexit vor, um untätig bleiben zu können. Das ist im groben Maße fahrlässig, denn die Steuer beugt ja gerade Verunsicherungen vor. Sie würde eine Reihe von EU-spezifischen Finanztransaktionssteuern angleichen und auf diese Weise bestehende Verzerrungen auf dem Europäischen Binnenmarkt beseitigen, denn bei kaum einer Steuer treten die Grenzen einer unkoordinierten unilateralen Einführung im nationalen Alleingang so offensichtlich zutage, wie bei einer Steuer auf Finanztransaktionen. Wenn Herr Schäuble hier nicht voran geht, erwarte ich von Frau Merkel eine klare Positionierung, auf welche Weise sie die EU nun gestalten möchte.

Die SPD jedenfalls steht seit langem für eine Stärkung europäischer Institutionen und mehr Investitionen. Die Finanztransaktionssteuer kann beides und ihre Einführung ist dringend notwendig, denn die EU muss verstärkt integriert arbeiten und den nationalen Tendenzen politischer Reautonomisierung entgegenwirken. Das gelingt, wenn Politikergebnisse den Menschen in Europa real helfen. Die zusätzlichen Einnahmen durch eine Steuer auf Finanztransaktionen ist hier der richtige Weg, für den ich mich weiter einsetze.

Mit freundlichen Grüßen
Carsten Schneider

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