Frage an Carsten Schneider bezüglich Wirtschaft

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Carsten Schneider
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Frage von Andreas B. •

Frage an Carsten Schneider von Andreas B. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Schneider,

bezugnehmend auf einen Beitrag "Finanzkrise Welche Schuld trägt die Politik?" der ARD-Sendung vom 14.10.2008 möchte ich Ihnen folgenden Fragen stellen:

zu finden ist die Sendung hier: http://www.daserste.de/plusminus/beitrag_dyn~uid,oaneh5iv9je4oqm9~cm.asp

"... Die Gesetzgebung liest sich wie ein Förderprogramm für die Finanzwirtschaft:
* 2001: Finanzminister Eichel stellt Unternehmensverkäufe steuerfrei. Und heizt so das Fusionsfieber an, ein Riesengeschäft für Investmentbanken. Die private Riester-Rente wird eingeführt. Dem Finanzsektor fließen riesige Mittel zu, die der staatlichen Rente fehlen.
* 2004: Rot-Grün lässt unter Schröder und Fischer Hedge-Fonds und Derivate zu. Die absurden Renditeziele der Finanzwirtschaft werden zur allgemeinen Richtschnur.
* 2005: Im rot-schwarzen Koalitionsvertrag wird die Förderung des Kreditverkaufs festgeschrieben. Außerdem will man nur eine "Finanzaufsicht mit Augenmaß".
* 2008: Finanzinvestoren gewährt man weitere Steuergeschenke.
Heute gilt der unkontrollierte Kreditverkauf als Hauptursache der Krise. Und dabei hat die Bundesregierung zur Unterstützung dieses Geschäfts sogar eigens eine Initiative auf den Weg gebracht. Die "True Sale International" - getragen von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), Privatbanken und Ratingagenturen. Gründungsmitglied im Beirat: ... Jörg Asmussen. ..."

Wieso wurden nicht die Rücknahme der genannten Deregulierungen an das Gesetz gegen die Finanzmarktkrise gekoppelt?

Wie soll ich Vertrauen in die Politik gewinnen, wenn die maßgeblich an der Deregulierung beteiligten Personen (Asmussen, Steinbrück) jetzt die Rettung leiten sollen?

Wieso wurde an der Ausarbeitung des Stabilisierungsgesetzes Herr Ackermann maßgeblich beteiligt, der doch mit seinem Renditeziel noch Öl in das Feuer gegossen hat?

Wie soll ich unter diesen Umständen Minister Steinbrück glauben, dass er bei den Banken, die von dem Stabilisierungsgesetz profitieren sollen, "hart durchgreifen" wird?

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Sehr geehrter Herr Behn,

in der für Abgeordnetenwatch gebotenen Konzentration antworte ich gerne auf Ihre Fragen.

Zunächst ist mir wichtig, nicht jede gesetzliche Maßnahme der Finanzpolitik der vergangenen Jahre von vornherein zu verteufeln. Die Finanzkrise nahm ihren Ursprung am US-amerikanischen Hypothekenmarkt. Zwar stimme ich Ihnen insoweit zu, dass dies nicht die einzige Ursache für die weltweiten Auswirkungen ist, die wir seit einigen Monaten beobachten, aber neben der Kreditverbriefung, die im angloamerikanischen Raum sehr lax beaufsichtigt wurde, doch eine der wesentlichen.

Als Finanzminister Hans Eichel 2001 den Verkauf von Unternehmensbeteiligungen in Teilen steuerfrei gestellt hat, war dies in der damaligen wirtschaftlichen Situation nach damaliger Einschätzung eine sinnvolle Maßnahme. Ich erinnere daran, dass in 2001 das Platzen der "New Economy"- Blase eine ebenso ernste ökonomische Situation verhieß. Nun mag man hinterher immer schlauer sein, gleichwohl kann die Maßnahme nicht als "Vertrauensverlust" in die Bundesregierung angeführt werden. Gleiches gilt für die Zulassung von Hedge-Fonds in Deutschland. Denn sie werden damit in Deutschland Regulierung und Kontrolle unterworfen, weltweit ist das anders. Sie können zwar einwenden, dass erst wenige Hedge-Fonds in Deutschland zugelassen wurden. Es ist aber allemal sinnvoller, diesen Bereich selbst zu regulieren, als dies international nur zu fordern, ohne voran zu gehen.
Soweit mir bekannt ist, gilt nicht allein der unkontrollierte Kreditverkauf als Hauptverursachung der Krise. Vielmehr haben sich Probleme bei der Verbriefung von Krediten herausgebildet, die ein Anreizsystem geschaffen haben, Kredite ohne hinreichende Bonitätsprüfung und Risikorückstellungen zu vergeben und dann an institutionelle Anleger neu gebündelt zu verkaufen, die nicht selbst hinreichend geprüft haben was sie da eigentlich genau erwerben. Diese Gier der Märkte ist in der Tat mehr als besorgniserregend. Bislang wurden auch von Seiten Bundesfinanzminister Peer Steinbrücks schon zahlreiche Vorschläge gemacht, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Jüngst hat übrigens auch die SPD-Bundestagsfraktion ihre Position in einem Grundsatzantrag verdeutlicht, der auch vom SPD-Parteitag in Berlin beschlossen wurde. Beides In ausführlichen Ergebnissen kam auch eine Arbeitsgruppe des SPD-Parteivorstands.

Wir haben übrigens auch kein Gesetz gegen die Finanzmarktkrise verabschiedet, sondern einen Risikoschirm aufgespannt. Die Regulierungen der vergangenen Jahre haben hierzu in Deutschland selbst nichts beigetragen, eine Rücknahme wäre also sinnlos gewesen. Weshalb an der konkreten Ausgestaltung der Stabilisierungsmaßnahmen der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank AG, Herr Ackermann, beteiligt wurde, kann ich Ihnen abschließend nicht beantworten, denn dies oblag nicht meiner Entscheidung. Generell ist aber nicht unwichtig, Branchen-Sachverstand mit einbeziehen, wenn Sie wirkungsvolle Regelungen unter diesem Zeitdruck erlassen müssen. Die Kritik am Verhalten Herrn Ackermanns nach Beschluss des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes, die hinreichend geäußert wurde, teile ich voll.

Mit freundlichen Grüßen

Carsten Schneider

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