Frage an Christel Riemann-Hanewinckel bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Christel Riemann-Hanewinckel
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Frage von Rainer F. •

Frage an Christel Riemann-Hanewinckel von Rainer F. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Riemann-Hanewinckel,

gegenwärtig wird in Deutschland mehrmals pro Jahr gewählt, dabei geht es meist um einzelne Bundesländer, aber oft auch um größere Kommunalwahlen. Dies finde ich auch gut so. Denn nur so bekommen Executive und Legislative jährlich eine nicht manipulierbare Meinungsumfrage über ihr Handeln ausgestellt.

Häufig kommen Prozesse auf den verschiedensten Bundesebenen zum Erliegen, weil man aus Rücksicht auf die Wahlkämpfer nichts falsch machen möchte. Durch diese Praxis entsteht der Bundesrepublik ein Schaden in Milliardenhöhe. Nun gibt es in unserem Strafgesetzbuch den Tatbestand der groben Fahrlässigkeit, der Unterlassung und der vorsätzlichen Schädigung.
Ich bin der Meinung Mitglieder der Executive und Legislative müssen ihr Handeln jederzeit rechtfertigen können, aber auch für ihr Handeln bestraft werden können.
Beispiel aus Rücksicht für Herr Stoiber (Wahl in Bayern) wurden Rentenreformgespräche vertagt und die Rentenkassen weiterbelastet. Schaden der Verzögerung ca. 2 000 000 000 €.

Daher frage ich Sie, was halten Sie von einen Gesetz zur Haftung von Regierungs-, Bundestags- und Bundesratsmitgliedern?

Meine zweite Frage betrifft strittige Entscheidungen, wo es um eine Richtungsentscheidung geht. Hier denke ich aktuell an die Gesundheits-„Reform“, welche ja nun bestenfalls zu einer PR-Kampagne verkommen ist.

Ich bin der Meinung, wenn Executive und Legislative nicht in der Lage sind einen Sachverhalt innerhalb eines Jahres(Zeitlimit) zufrieden stellend zu regeln, sollte automatisch eine Volksabstimmung zu diesem Thema erfolgen.

Was halten Sie von diesem Vorschlag. Zu dieser Frage würde mich ihre Meinung interessieren und auch inwieweit derartige Gedanken bereits in Debatten Eingang gefunden haben, sollte es entsprechende Diskussionen bisher gegeben haben.

Mit freundlichen Grüßen

Rainer Fogel

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Fogel,

vielen Dank für Ihre Fragen, die mich über das Internetportal abgeordnetenwatch.de erreicht haben.

Zu Ihrem Vorschlag, ein „Haftungsgesetz“ für Bundesregierungs-, Bundestags- und Bundesratsmitglieder zu erlassen: Die Mitglieder von Bundestag, Bundesrat oder Bundesregierung sind wie jeder andere Mensch für ihr Handeln verantwortlich und müssen für verursachte Schäden einstehen. Dazu zählt auch, dass sämtliche Gesetze, sei es das Strafgesetzbuch oder jedes andere Gesetz, das Schadensersatz vorsieht, uneingeschränkt gelten. Die strafrechtliche Verfolgung von Abgeordneten bedarf jedoch einer formellen Zustimmung des Bundestages (Art 46. Abs. 2 – 4 GG). Die Indemnität hingegen schützt die Abgeordneten vor gerichtlicher oder dienstlicher Verfolgung aufgrund von Abstimmungen bzw. Äußerung im Bundestag (Art. 46 Abs. 1 GG). Den Bedarf nach einem neuen Gesetz erkenne ich daher nicht. Darüber hinaus möchte ich Ihnen versichern, dass Reformvorhaben und andere Verhandlungen auf Bundesebene bei bevorstehenden Landtags- oder Kommunalwahlen keinesfalls ausgesetzt oder vertagt werden.

Zu Ihrer zweiten Frage nach Volksabstimmungen in strittigen Fragen: Demokratische Verfahren wie Gesetzgebungsprozesse oder auch Reformen sind oft deshalb sehr langwierig, weil viele Akteure und Initiativen an ihnen beteiligt werden. Neben den Fraktionen und Parteien ist so nicht zuletzt die Öffentlichkeit, vertreten durch Sachverständige, Interessengemein-schaften und Fachverbände an der Aushandlung von Gesetzesvorlagen beteiligt. In den Parlamenten finden im Beratungsprozess die so genannten öffentlichen Anhörungen statt. Setzte man, wie von Ihnen vorgeschlagen, von vornherein Fristen fest, in denen diese Prozesse abgeschlossen sein müssten, würde man den oft schwierigen Sachverhalten nicht gerecht. Nebenbei bemerkt: Wann wäre in einem strittigen Fall eine Lösung zufriedenstellend, wie Sie es formulieren? Sicherlich hätten Sie in dieser oder jener Frage ganz andere Wünsche oder Forderungen als beispielsweise Ihr Nachbar. Eine solche Lösung halte ich daher für nicht praktikabel und auch nicht für demokratischer.
Trotzdem habe auch ich mich immer für plebiszitäre Komponenten im Grundgesetz eingesetzt. Als Mitglied der Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat habe ich bereits 1994 für die Möglichkeit eines Referendums auf Bundesebene gearbeitet und gestimmt. Doch kam die notwendige Zweidrittelmehrheit bedauerlicherweise nicht zustande.
Auch die SPD setzt sich seit langem für mehr Elemente direkter Demokratie auf Bundesebene ein. Die SPD-Bundestagsfraktion strebt eine Lösung an, die sowohl Referenden als auch Volksinitiativen ermöglicht. Nach unserer Auffassung sollen die Bürgerinnen und Bürger zukünftig über gewichtige Fragen selbst entscheiden können. Gleichzeitig muss es ihnen aber auch möglich sein, zu spezifischen innerstaatlichen Anliegen eigene Initiativen zu ergreifen und diese über ein Volksbegehren und einen Volksentscheid selbst weiter vorantreiben zu können. Es ist notwendig, grundsätzlich mehr direkte Demokratie in Deutschland zu ermöglichen. Die für diese Verfassungsänderung benötigte Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat scheint im Moment noch unerreichbar. Die letzte Initiative der damaligen Rot-Grünen Bundesregierung scheiterte an der inneren Zerrissenheit der CDU/CSU-Fraktion in dieser Frage und wurde daher von der jetzigen Koalition nicht mehr eingebracht.

Mit freundlichen Grüßen
Christel Riemann-Hanewinckel