Frage an Christian Hoppe bezüglich Bildung und Erziehung

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Christian Hoppe
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Frage von Christina B. •

Frage an Christian Hoppe von Christina B. bezüglich Bildung und Erziehung

warum wird immer behauptet, Studiengebühren seien ungerecht?
ich habe nicht studiert und das bedeutet, dass ich während der ganzen Jahre, als ich gearbeitet habe, Steuern gezahlt habe, um das Studium meiner gleichaltrigen Kollegen zu finanzieren. Diese haben nach dem Studium eine bessere Chance auf dem Arbeitsmarkt höhere Gehälter zu erzielen. Wieso wird nicht daraus ein Studienkredit zurückgezahlt?
ich finde, Studiengebühren mit der Möglichkeit, günstige Kredite aufzunehmen oder sogar Stipendien zu erhalten, sind viel gerechter.
"Kostenloses" Studium bedeutet doch, dass auf Kosten der Steuerzahler, die oft kein Studium in Anspruch genommen haben, studiert wird.
wo ist da die Gerechtigkeit?
freue mich, Ihre Meinung zu hören.
viele Grüße

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Antwort von
PIRATEN

Sehr geehrte Frau Boecker,

vielen Dank für Ihre Frage und Ihr Interesse.

Zu Ihrer Frage:
Sie schreiben selbst, dass Sie nicht studiert haben, dass aber ist eine Entscheidung, die Sie sicherlich auch selbst getroffen haben.
Theoretisch könnten Sie jederzeit ein Studium beginnen und hätten nach dessen Abschluß ebenfalls bessere Aussichten auf eine höhere Vergütung.
Außerdem sollten Sie nicht vergessen, dass Sie, während Sie gearbeitet haben, auch schon Geld verdient haben, ganz im Gegensatz zu Ihren gleichaltrigen Kollegen die "nur" studiert haben.

Nun sagen Sie, dass Sie mit Ihren Steuerzahlungen das Studium Ihrer Kollegen erst ermöglicht haben.
Richtig ist, dass aus der Summe der Gesamtsteuereinnahmen die Hochschulen/Unis finanziert werden, bzw. finanziert werden sollten.
Hier gilt zu bedenken, dass auch Studenten auf unterschiedlichste Weise zu den Gesamtsteuereinnahmen beitragen, etwa durch die MwSt. oder durch Abgaben, die Studenten leisten, wenn sie neben ihrem Studium noch arbeiten. Es ist ein großer Trugschluß, dass Studenten, während ihres Studiums, nicht zum großen Teil selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen. Ich selbst war während meines Studiums (nebenbei) noch selbstständig und musste Steuern zahlen, wie jeder andere Selbstständige auch. Studierende, die während ihrer Studienzeit in "Saus und Braus" leben, ohne nebenbei zu arbeiten sind doch eher eine seltene Ausnahme (oder Erfindung der BILD-Zeitung).
So betrachtet stellen Studiengebühren sogar eine Art Doppelbesteuerung von Studierenden dar.

Weiter sollten Sie daran denken, dass gut ausgebildete Absolventen der Gesellschaft ganz allgemein einen großen Nutzen bringen. Schließlich führen Sie von ihren "besseren" Gehältern auch eine nummerisch größere Summe an Steuern wieder ab.
Auch sollte man nicht vergessen, dass an vielen Unis Forschungen und Studien durchgeführt werden, die ebenfalls später der Allgemeinheit zu Gute kommen. Was meinen Sie, wie teuer diverse Produkte des alltäglichen Lebens wären, hätte sie auschließlich die Privatwirtschaft erforscht und entwickelt? Von der Vielfältigkeit mal ganz zu schweigen.
An dieser Stelle erlaube ich mir noch die Randbemerkung, dass längst nicht alle Hochschulabsolventen großartige Gehälter beziehen, besonders Absolventen von sozialen und kulturellen Studiengängen beziehen Gehälter, über die Ingenieure oder Angestellte des gehobenen Dienstes nur müde lächeln können.

Außerdem möchte ich Sie daran erinnern, Frau Boecker, dass Sie mit Ihren Steuerabgaben nicht nur Studenten unterstützen, sondern genauso beispielsweise Menschen die arbeitslos geworden sind. Und das auch, wenn Sie persönlich, wie ich Ihnen wünsche, selbst nie arbeitslos werden und eine solche Unterstützung benötigen. Oder nehmen Sie Theaterhäuser und Opern. Sie finanzieren diese auch, wenn Sie persönlich dort niemals hineingehen. Dasselbe gilt für Autobahnen, die werden ebenfalls von Ihren Steuergeldern gebaut, selbst wenn Sie nicht einmal einen Führerschein besitzen.

Schließlich noch ein Wort zu den von Ihnen erwähnten "Stuidienkrediten". So etwas gibt es schon und nennt sich Bafög. Dieses Bafög muss von den Anspruchnehmern, nach Beendigung Ihres Studiums und der Annahme einer Arbeitsstelle, zurückgezahlt werden. Dies führt jedes Jahr zu Menschen, die bereits hochverschuldet sind, wenn sie ihren ersten Arbeitsplatz antreten.
Stellen Sie sich vor, Sie hätten nach Ihrer Ausbildung, in der Sie sich nach Kräften bemüht haben, Ihr Bestes zu geben, neben Ihrem Lohn einen Schuldenberg, den Ihr Ausbilder von Ihnen fordert.
Stattdessen blieben und bleiben Sie davon verschont, da der Staat jedem Ausbildungsbetrieb einen nicht unerheblichen Satz zur Ausbildungsvergütung zahlt.

Sie sind der Ansicht, dem könnte man mit Stipendien, wie in den USA beikommen? Dann schauen Sie mal, wer dort Stipendien bekommt. Der beste Sportler einer Schule zum Beispiel. Aber eben nicht, weil er ein prima Absolvent der Universität sein könnte, sondern weil er das Image der Uni aufpolieren kann. Oder überlegen Sie mal, zu welch möderischen Wettkämpfen, um ein Stipendium, dies unter ärmeren Anwärtern führen würde, bzw. in den USA führt. Leider ist das Recht auf Bildung, entgegen der landläufigen Meinung, auch in Deutschland nicht ausdrücklich in Art. 3 oder 7 festgeschrieben, sondern wird lediglich abgeleitet. Dies gilt es zu ändern.

Was ich Ihnen, sehr geehrte Frau Boecker, vielleicht etwas umständlich zu erklären versuche, ist der Grundkonsens der sozialen Marktwirtschaft. Sie, ich und auch jeder Andere zahlen, für Leistungen, die uns selbst, unter Umständen, nicht direkt betreffen, die uns allen aber trotzdem indirekt sehr wohl nutzen.
Bleiben wir einen Moment bei dem Beispiel, Sie hätten keinen Führerschein und zahlen trotzdem für den Autobahn(aus)bau. Es betrifft Sie nicht direkt, aber indirekt schon, selbst wenn Sie persönlich nie eine Autobahn nutzen würden, denn über diese kommen frische Lebensmittel in Ihren Supermarkt. Oder der Handwerker erreicht Sie schneller, wenn Sie ihn benötigen.
Ähnlich verhält es sich mit den Unis und ihren Absolventen. Was machten Sie ohne den gutausgebildeten Arzt im Krankheitsfall, was ohne den Informatiker der Ihren Netzzugang gewährleistet, was ohne Ihren Rechtsanwalt, was ohne den gutgebildeten Moderator in Ihrer Lieblingstalkrunde, was ohne den Journalisten, was machen Ihre Kinder ohne gute Lehrer, etc.?

Sehr geehrte Frau Boecker, ich hoffe, ich konnte Sie von der Ungerechtigkeit, bzw. Unsinnigkeit von Studiengebühren überzeugen, oder wenigstens nachdenklich stimmen. Falls Sie noch weitere Fragen haben, stehe ich Ihnen und Anderen gerne an dieser Stelle zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Christian Hoppe