Frage an Christina Schwarzer bezüglich Soziale Sicherung

Christina Schwarzer
Christina Schwarzer
CDU
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Frage von Silke S. •

Frage an Christina Schwarzer von Silke S. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Frau Schwarzer,

in diesem Artikel ( und nicht nur da) ist davon die Rede, dass es große Veränderungen bei Hartz IV geben soll:

http://www.welt.de/politik/deutschland/article121609442/Arbeitsagentur-fordert-schaerfere-Hartz-IV-Regeln.html

Ist es nicht so, dass die geplante Ausgabenfreude der Große Koalition wiederum die Ärmsten mit Verschlechterungen bezahlen müssen?

Sehen Sie die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts z.B. bezüglich der Sanktionspraxis bei Hartz IV, bezüglich der Höhe von Hartz IV usw. als umgesetzt an?

Warum spart man nicht mal mit echten strukturellen Reformen? -, so könnte man z.B. die verschiedenen Bildungssysteme in Deutschland zu einem zentralisieren, auch bei der Justiz wäre das möglich.
Man könnte Bundesländer zusammen legen und die Beamtenpensionen von 71,75% des letzten Gehalts dem niedrigeren Rentenniveau anpassen bzw. wenigstens die neu eingestellten Beamten selbst für ihre Pensionen vorsorgen lassen.
Und man könnte bei der Rente und bei der Krankenkasse eine Bürgerversicherung einführen. Warum geschieht das alles wahrscheinlich wiederum nicht?

Was ist nur aus der Politik geworden?
Ich schäme mich dafür mal eine Hartz IV-Partei gewählt zu haben!
Zum Glück kommen bald die Europawahlen, dann wird es wohl einen "Zahltag" geben.

Mit freundlichen Grüßen

Silke Sorbello

Christina Schwarzer
Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau Sorbello,

herzlichen Dank für Ihre umfangreiche Anfrage. Ich freue mich sehr, dass Sie mir die Möglichkeit geben, zu den von Ihnen angesprochenen Themen Stellung zu beziehen.

a) Hartz IV

Sanktionen für Hartz-IV-Empfänger sind zum Beispiel dann angemessen, wenn diese eine zumutbare Arbeit ohne einen wichtigen Grund ablehnen. Der Missbrauch von Sozialleistungen darf nicht hingenommen werden. Dies sind wir den Erwerbstätigen und jenen Hartz-IV-Empfängern schuldig, die sich ernsthaft um Arbeit bemühen. Der Missbrauch betrifft nur einen geringen Prozentsatz der Hartz-IV-Empfänger. Bei den weitaus meisten Arbeitslosen gibt es keinerlei Gründe für Sanktionen.

Die verfassungskonforme, transparente und sachgerechte Neuberechnung sowie Fortschreibung der Regelbedarfe ist erfolgt. Maßstab der Berechnung sind die Ausgaben von Geringverdienern in Deutschland. Auch die Regelsätze für Kinder werden entsprechend der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gesondert ermittelt – unter Berücksichtigung der kinderspezifischen Bedarfe. Außerdem wurde das erfolgreiche Bildungs- und Teilhabepaket zugunsten benachteiligter Kinder und Jugendlicher eingeführt. Zusätzliche Unterstützung gibt es weiterhin für die Erstausstattung der Wohnung inklusive Haushaltsgeräte, für die Erstausstattung mit Bekleidung, bei Schwangerschaft und Geburt, für besondere Ernährung bei Krankheit, sowie Einmalleistungen (z. B. Makler, Umzug, Kaution).

Die Leistungen für Hartz-IV-Empfänger können in Einzelfällen höher sein als der Nettoverdienst von Familien in vergleichbaren Gehaltsgruppen, wie zum Beispiel in der Zeitarbeit, in Hotels und in der Gastronomie. Für CDU und CSU gilt aber der Grundsatz: Jemand, der arbeitet, muss mehr bekommen, als jemand, der nicht arbeitet. Eine Steigerung der Regelsätze über die gefundene Berechnungsgrundlage hinaus würde das Lohnabstandsgebot verletzen, den Kreis der Bezieher erweitern und nicht zuletzt auch die Kommunen erheblich belasten. Zielgenaue Förderung sowie eine gute Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik hilft Arbeitslosen besser. Sie eröffnet neue Lebensperspektiven.

b) Bildungsreform

Der ausgeprägte Föderalismus im Bildungssystem hat eine lange Tradition. Teile unserer Geschichte führen dazu, dass die hiesige föderale Kompetenzaufteilung in der Regel wertgeschätzt wird. Eher zentral organisierte Staaten in Europa - Frankreich, Italien und relativ aktuell Großbritannien - folgen unserem Beispiel und geben mehr Kompetenzen in Bildungsfragen an Regionen ab.
Im Bildungsbereich sollte meiner Meinung nach auch nicht die Frage zentral sein, was für den Staat die billigste Möglichkeit ist. Wichtig ist vielmehr, dass unsere Kinder und Jugendlichen optimal ausgebildet werden.

Wir als CDU wollen hier einen meiner Ansicht nach besseren Weg: In einem gemeinsamen Pakt von Kommunen, Ländern und Bund wollen wir dafür sorgen, dass unsere Schulen auf der Höhe der Zeit arbeiten. Dazu gehören unter anderem auch eine moderne Ausstattung mit Computertechnik, digitale Lernangebote und eine bessere Vernetzung der Schulen. Wir möchten, zum Beispiel zusammen mit Schulbuchverlagen, sinnvolle und praktikable Lösungen diskutieren und alle Interessensvertreter an der Weiterentwicklung unserer Schulen teilhaben lassen.

c) Beamtenpension

Die Versorgung der Beamten des Bundes ist ein eigenständiges System der sozialen Sicherung. Ein Vergleich mit der gesetzlichen Rentenversicherung ist nicht zielführend. Das gilt auch für Überlegungen, die Entwicklung der Beamtenpensionen an die Rentenentwicklung zu koppeln. Wir haben für Gerechtigkeit gesorgt, indem die Änderungen im Rentenrecht wirkungsgleich auf Beamtenpensionen übertragen wurden. Bei einem Vergleich der verschiedenen Alterssicherungssysteme Rente und Pensionen werden die Leistungen der Beamtenversorgung zumeist überschätzt. Zudem bauen wir Rücklagen auf, damit der Bund mit der Finanzierung der Pensionen der Bundesbeamten nicht überlastet wird.

Darüber hinaus beruht die Kritik an den Beamtenpensionen vielfach auf Missverständnissen. Der Bund ist nach Artikel 33 Grundgesetz verpflichtet, für die Alterssicherung seiner Beamten angemessen Sorge zu tragen. Im Gegenzug sind Beamte gegenüber ihrem Dienstherrn an besondere Pflichten gebunden, die weit über das allgemeine Arbeitsrecht bei Angestellten hinausgehen. Gesetzliche Grundlage für die Versorgung der Beamten und ihrer Hinterbliebenen ist das Beamtenversorgungsgesetz. Der durchschnittliche Ruhegehaltssatz der Bundesbeamten betrug zum 1. Januar 2011 68,7 Prozent. Das Netto-Rentenniveau (vor Steuern) belief sich im Jahr 2010 auf 51,5 Prozent. Ein aussagekräftiger Vergleich ist dies aber nicht. Das ausgewiesene Rentenniveau umfasst nur Leistungen der gesetzlichen umlagefinanzierten Rentenversicherung. Nicht hinzugerechnet sind betriebliche Renten und private Vorsorge.

Kritik wird häufig geäußert an der grundsätzlichen Beitragsfreiheit der Beamtenversorgung gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Beamten erwerben einen Versorgungsanspruch. An den Versorgungskosten werden sie beteiligt. Auch die Renten werden nicht allein aus den Beiträgen der heute sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten bezahlt. Die gesetzliche Rentenversicherung wird zu einem erheblichen Teil aus Steuermitteln finanziert. Beim Netto-Rentenniveau werden zudem die Krankenversicherungsbeiträge der Rentner verrechnet. Dagegen müssen Pensionäre ihre entsprechenden Beträge an die Krankenversicherung selbst und direkt überweisen. Zudem werden die Pensionen voll versteuert.

Die Änderungen im Rentenrecht wurden in der Vergangenheit zudem wirkungsgleich auf die Beamtenversorgung übertragen. Das betrifft beispielsweise den „Riester-Faktor", demzufolge auch die Beamtenversorgung entsprechend den demografischen Entwicklungen gemindert wurde. Wie bei der gesetzlichen Rente kommt es auch bei den Beamten zu einer schrittweisen Erhöhung der Altersgrenze auf 67 Jahre.

1999 wurde eine Versorgungsrücklage eingeführt. Das Sondervermögen wird bis Ende 2017 weiter aufgebaut, um anschließend den Bundeshaushalt von Versorgungsaufwendungen zu entlasten. Zudem wird ein 2007 eingerichteter Versorgungsfonds des Bundes ab 2020 für die Versorgungsaufwendungen der Beamten aufkommen, deren Dienstverhältnis nach dem 31. Dezember 2006 begann.

d) Bürgerversicherung

Die von Ihnen angesprochene Idee einer Bürgerversicherung wurde im vergangenen Wahlkampf hinsichtlich der Krankenversicherung auch von SPD und Grünen verfolgt. Es wurde postuliert, dass durch den einheitlichen Versicherungsschutz alles besser und gerechter wird. Jeder Deutsche, der sich mal über einen Zeitraum im europäischen Ausland aufgehalten hat, weiß – meiner Erfahrung nach – unser heimisches Krankenversicherungssystem mehr als zu schätzen. Aus gutem Grund: In Deutschland sind beispielsweise die Wartezeiten bei Ärzten deutlich kürzer als in anderen Ländern. Freie Arztwahl und medizinischer Fortschritt sind für jeden Patienten Standard. Es gibt zahlreiche Leistungen zur Früherkennung für Kinder, Erwachsene und Senioren. Unsere Ärzte sind bestens ausgebildet und durch ein verpflichtendes Weiterbildungssystem halten sie sich dauerhaft auf dem neuesten Stand der medizinischen Erkenntnisse. In Deutschland gibt es eine hohe flächendeckende Anzahl an Ärzten, Fachärzten und Zahnärzten. Auch gut ausgestattete Krankenhäuser sind in großer Anzahl vorhanden.

Dieses hohe Leistungsniveau kann nur erhalten bleiben, wenn die Finanzierung weiterhin gemeinsam durch gesetzliche und private Krankenversicherungen (duales System) erfolgt. Dies wird besonders deutlich, wenn wir einen Blick auf einige europäische Länder wagen, die bereits eine Bürgerversicherung (oder: „Einheitsversicherung) eingeführt haben: In Großbritannien führte die zwangsläufig knappere Finanzierung zu einer Auswanderung von Ärzten und Krankenschwestern. Die Folge: europäischer Rekord bei Wartezeiten für nicht lebensbedrohliche Operationen (z.B. Leistenbruch). Es gibt keine freie Arztwahl mehr, Leistungen für Senioren werden zum Teil verweigert. Ein anderes Problem mit gleicher Ursache in Frankreich: die geringere Finanzierung des Gesundheitssystems nach Einführung einer Einheitsversicherung führte dazu, dass die Bürger im Krankheitsfall eine Zuzahlung von durchschnittlich 25% leisten müssen.

Mit der Einführung einer Bürgerversicherung würde unsere Gesundheitsversorgung mehr und mehr abhängig von der staatlichen Kassenlage. Alle politisch vorgeschlagenen Konzepte der Bürgerversicherung sehen steigende Beiträge für die Versicherten vor. Dennoch wird die Finanzausstattung des gesamten Systems geringer. Gesundheitsleistungen müssten deutlich eingeschränkt werden, lange Wartezeiten für Untersuchungen, Therapien und nicht lebensnotwendige Operationen wären die Folge. Auch besteht berechtigter Grund zur Sorge um die Arbeitsplätze in der Gesundheitsbranche. Studien gehen davon aus, dass infolge der Einführung einer Bürgerversicherung mehr als 100.000 Arbeitsplätze verloren gehen würden, z.B. in der Versicherungsbranche, bei den gesetzlichen Krankenkassen und im gesamten Bereich Gesundheitsversorgung (Arzthelferinnen, Krankenhauspersonal, etc.). Eine Folge wäre, dass Arztpraxen schließen müssen, was weitere Wege für Patienten bedeutet.
Unser Gesundheitssystem ist eines der besten der Welt und Vorbild für viele andere Länder. Ich sehe daher persönlich, ebenso wie die CDU, keine Veranlassung, dieses Erfolgsmodell zu reformieren.

Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort weitergeholfen zu haben und wünsche Ihnen alles Gute.

Mit freundlichen Grüßen

Christina Schwarzer MdB