Frage an Cornelius Bechtler von Peter B. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Bechtler, vielen Dank für ihre ausführliche Antwort..
Wasserbetriebe: Sie haben kurz geschildert wie es zu den zu den Verwerfunggen in diesem Bereich gekommen ist und bekennen sich dann prinzipiell für den Verbleib der Wasserversorgung in öffentlicher Hand. Wie belastbar ist diese Aussage, wenn bei einer angestrebten Privatisierung die Garantie abgegeben wird, dass die Daseinsfürsoge des Staates, (hier vertreten durch das Abgeordnetenhaus), in diesem Bereich nicht angetastet wird und die Gewinnmaximierung des neuen Eigentümers nicht im Vordergrund steht ? Würden sie unter diesen Bedingungen einer Veräußerung zustimmen, (gehen damit den Weg des geringsten Widerstandes und berufen sich auf die Vertragslage, die ja unter gewissen Bedingungen geändert werden kann und irgendwann mal ausläuft ), oder würden sie (immer noch) einen Verkauf (Kommerzialisierung) grundsätzlich und prinzipiell ausschließen?
BVB : Sie vergleichen da mit Bedingungen in Skandinavien. Ist ihnen bekannt dass in diesen Ländern ganz andere Rahmenbedingungen herrschen, weil dort generell eine größere Vernetzung unterschiedlichster Transportanbieter besteht, die das Gesamtwohl aller Beteiligten im Auge haben, nur dadurch effektiv und ökologisch wirken können, was bei uns in Deutschland grundsätzlich nicht gegeben ist und dadurch nicht funktionieren kann? ...... und daher eher mit englischen Verhältnissen zu rechnen ist ?
Krankenhäuser . Das sie einer Privatisierung von Krankenhäusern lediglich skeptisch gegenüber stehen ist mir zu wenig und heißt im Klartext, dass sie unter bestimmten Bedingungen durchaus einer Privatisierung zustimmen würden. .oder?
Wohnungsbaugesellschaft: Ich hoffe und wünsche, dass sie bei ihren Ansichten bleiben und das beim Abstimmungsverhalten im Abgeordnetenhaus sichtbar wird, sofern sie gewählt werden....
SEHR GEEHRTER HERR BALSAM,
hiermit versuche ich auf Ihre Punkte einzugehen. Es ist teilweise nicht leicht, da es durchaus hochkomplexe Fragen sind. Z.T. benötigen einige Ihrer Hinweise und Fragen eine umfangreichere Recherche, die doch ein wenig Zeit kostet. Ich werde versuchen kenntlich zu machen, wo ich derzeit aus meinem Wissensstand in der Lage bin zu antworten.
Grundsätzlich gilt, dass ich mich bei einer Entscheidung auch intensiv mit den unterschiedlichen Sachverhalten auseinandersetzen muss. Das bedeutet aber auch, dass die Auseinandersetzung meine Ansichten auch beeinflussen. Es wäre ja schlimm, wenn dies nicht der Fall wäre, oder? PolitikerInnen laufen viel zu leicht in diese Falle. Übrigens nicht nur PolititkerInnen...
Nun zu Ihren Fragen:
PRIVATISIERUNG DER WASSERBETRIEBE
Im Jahre 1999 wurden nämlich die Berliner Wasserbetriebe an ein Konsortium von Vivendi (jetzt Veolia), RWE und Allianz teilverkauft. Mehrheitlich und zwar zu 50,1 % sind die Berliner Wasserbetriebe allerdings derzeit noch in öffentlicher Hand.
Bei der Tarifbemessung (auf Grundlage eines eigens hierfür geschaffenen Teil-Privatisierungsgesetzes, das gesetzliche Regelungen zur Tarifkalkulation bestimmt) wurde den Investoren vertraglich zugesichert, dass sie bei einem negativen Betriebs-Ergebnis durch zu geringe Einnahmen aus den Wasser- und Abwassergebühren die entsprechenden Defizite erstattet bekommen (dies ist mein Kenntnisstand). Sie können sich leicht vorstellen, dass dies kein brauchbarer Anreiz für unternehmerisches Handeln ist, um zukünftig ein positives Ergebnis zu erzielen.
Wir haben in unserer Landespartei von Bündnis 90/Die Grünen die Frage intensiv diskutiert, ob das Land Berlin die privaten Anteile SOGAR WIEDER ZURüCKKAUFEN SOLL. Es geht hier um Milliardenbeträge (meines Wissens über 3 Mrd. €). Leider sind wir der Überzeugung, das sich das Land Berlin das leider nicht leisten kann. Eine weitere Privatisierung der Wasserbetriebe lehne ich grundsätzlich ab. Diese Aussage ist also belastbar.
Hierfür gibt es für mich ein ganz wesentlichen Grund: Die Bereitstellung von Wasser in hoher Qualität halte ich für eine wesentliche Aufgabe der Daseinsvorsorge und diese eignet sich nicht für einen unternehmerischen Wettbewerb. Hierfür möchte ich die Kontrollmöglichkeiten nutzen, die z.B. Parlamenten gegenüber öffentlichen Betrieben (insbesondere Anstalten des öffentlichen Rechts) zustehen.
PRIVATISIERUNG DER BVG
Meine Fragestellung ist eine andere. In Großbritannien wurde prinzipiell etwas ganz anderes getan als in Finnland, Schweden oder auch einigen französischen Städten. In Großbritannien (außer London) wurden nicht nur die Unternehmen privatisiert, sondern auch die gesamte Infrastruktur.
In Helsinki z.B. wurde die "Erstellung" von öffentlichem Verkehr (durch ein Unternehmen) von der "Bestellung" (durch die Stadt) getrennt.
Die Stadt Helsinki hat also klar definiert, welches ÖPNV-Angebot (Stationen, Linien, Netzdichte, Taktdichte u.a.) zu welchen Konditionen (z.B. die Übernahme der Beschäftigten zu Tariflöhnen) ausgeschrieben wird. Hierfür wurde eine Zuwendung durch die Kommune vorgesehen, da öffentlicher Verkehr nicht kostendeckend betrieben werden kann.
Der Erfolg ist sehr überzeugend. Dies führte zu einer Modernisierung des gesamten Angebots (z.B. neue Fahrzeuge), das Angebot wurde insgesamt attraktiver (Pünktlichkeit, Sauberkeit), die Fahrgastzahlen nahmen erheblich zu und die Tarife konnten sogar gesenkt werden.
Ich sehe nicht, warum die Bedingungen in Berlin schlechter sein sollten als in Helsinki. Die Randbedingungen für einen tatsächlichen Wettbewerb haben sich durch den größeren Markt sogar verbessert. Auch sehe ich nicht, dass die Unternehmer in Schweden prinzipiell bessere Menschen sein sollen (bezug auf: "...Transportanbieter.., die das Gesamtwohl aller Beteiligten im Auge haben"). Dass ein Unternehmer mit möglichst wenig Einsatz Gewinn erzielen will, halte ich für völlig normal. Das ist seine Aufgabe. Es gibt aber einen Unterschied: In Schweden gibt es generell eine große Zustimmung dafür, dass auf das Gemeinwohl geachtet wird. Das finde ich sehr sympathisch und würde mir das auch stärker für unser Land wünschen.
Der rot-rote Senat blockiert durch seine Politik eine Verbesserung des ÖPNV. Ich will, dass sich die BVG Stück für Stück dem Wettbewerb stellen muss. Ich bin der Überzeugung, dass dies nicht nur zu einem besseren Angebot führen kann, sondern auch die BVG zu neuen Innovationen herausfordert. die Ausschreibung von Bahnlinien in Schleswig-Holstein unter einer ehemaligen rot-grünen Koalition ist ein weiteres gutes, nachahmenswertes Beispiel.
Ich sehe durchaus aber auch, dass die BVG beachtliche Strukturanpassungen vorgenommen hat. Die Integration der ostberliner BVB war eine große Aufgabe.
Die europarechtlichen Regelungen verbieten es der BVG, unter derzeitigen Bedingungen außerhalb ihrer Tarif-Grenzen tätig zu werden. Dies natürlich völlig zu recht, da sich die BVG in Berlin (derzeit) keinem Wettbewerb stellen muss. Das wären sonst ungleiche Bedingungen. Damit verschenkt Berlin die Chance, dass sich mit der BVG ein großer Anbieter für den öffentlichen Verkehr entwickelt und die Stadt Berlin als Kompetenz-Zentrum für den Schienenverkehr (Bombardier, Stadtler, Deutsche Bahn, universitäre und wissenschaftliche Einrichtungen u.a.) einen wichtigen Impuls erhält.
Unter den oben beschriebenen Bedingungen (Infrastruktur in öffentlicher Hand, Land Berlin als Besteller, das Linien, Teile von Netzen ausschreibt), schließe ich eine Entwicklung wie in Großbritannien aus.
PRIVATISIERUNG DER VIVANTES-KLINIKEN
Mit dem Vivantes-Klinikum wurde ein Gesundheits-Kombinat geschaffen. Es ist meiner Auffassung sehr schwer, in diesen Strukturen langfristig einen hohen Standard bei der Gesundheitsversorgung zu erreichen. Problematisch sieht es übrigens auch bei der Wirtschaftlichkeit aus. Meine Angst ist nun, dass systematisch aus wirtschaftlichen Gründen Klinika von Vivantes geschlossen werden. Ich kenne diese Diskussion von unserem Krankenhaus im Prenzlauer Berg. Systematisch wird das Angebot zurückgefahren und irgendwann (so fürchte ich jedenfalls) das Krankenhaus ganz geschlossen. Dass der Stadtteil Moabit dank Vivantes über keine stationäre Gesundheitsversorgung mehr verfügt, finde ich bei einem entsprechend benachteiligten Stadtteil sehr problematisch. Die öffentliche Hand ist also auch keine Garantie dafür, dass die Angebote auf hohem Niveau gesichert werden und für alle zugänglich bleiben.
Prinzipiell halte ich einen Mix aus privaten und öffentlichen Krankenhäusern für sinnvoll. Voraussetzung ist jedoch, dass es keine Zweiklassen-Medizin gibt und die Krankenhäuser allen zugänglich sind. Die freie Wahl entscheidet dann über das medizinisch bessere und besser organisierte Krankenhaus.
Ich kann mir also durchaus vorstellen, das einzelne Krankenhäuser von Vivantes privatisiert werden. Die Privatisierung des Klinikums Buch, das von Helios übernommen wurde, halte ich bis heute für ein positives Beispiel. Jedoch eine Privatisierung des gesamten Vivantes-Klinikums lehne ich ab. Ich spreche mich dafür aus, dass es auch in Berlin weiter öffentliche städtische Kliniken gibt. Diese müssen sich jedoch auch dem Wettbewerb stellen.
WOHNUNGSBAUGESELLSCHAFTEN
Ich wünsche mir ein attraktives und umfangreiches Angebot an städtischen öffentlichen und genossenschaftlichen Wohnung in dieser Stadt. Der Wohnungsmarkt ist zu asymmetrisch, dass wir ihn nur Privaten überlassen könnten. Leider sind unsere Berliner Wohnungsgesellschaften in einem schlechten Zustand. Es wird in den nächsten fünf Jahren darum gehen, einen möglichst großen Wohnungsbestand in öffentlicher Hand zu retten. Einen Totalverkauf wie in Kiel, Dresden und möglicherweise in Freiburg lehne ich aus Überzeugung ab.
Mit freundlichen Grüßen
Cornelius Bechtler