Frage an Daniela Schneckenburger bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Daniela Schneckenburger
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Sibel K. •

Frage an Daniela Schneckenburger von Sibel K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Schneckenburger,

Wir, die Ihnen schreiben, sind die Schüler des Gertrud- Bäumer- Berufskolleg in Plettenberg. Genau genommen sind wir alle angehende Erzieherinnen. Im Zuge unseres Politikunterrichts beschäftigen wir uns zur Zeit mit dem interessanten Thema Flüchtlingspolitik in Deutschland.

Auf Grund unserer Recherche fanden wir heraus, dass Deutschland den Flüchtlingen den Zugang in unser Land verwehrt und auf andere Länder verweist, welche für die Flüchtlinge verantwortlich sein sollen.
Im Politik Unterricht bearbeiteten wir mehrere Artikel, in denen bewegende Schicksale von Flüchtlinge aus Afrika, Tunesien und Libyen geschildert wurden.
Wir finden es sehr erschreckend, dass so viele Menschen aus Ländern, in denen die Menschenrechte nicht beachtet werden, voller Hoffnung auf ein besseres Leben, ihr Leben auf einer Flucht mit niedrigen Umständen und ungewisserem Ausgang riskieren und dann in der EU vor geschlossenen Grenzen stehen.

Wie kann es sein, dass so ein sozialer Staat wie Deutschland es sein will, notbedürftigen Menschen jede Hilfe verweigert?

Wir wären Ihnen sehr dankbar für eine Antwort.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Liebe Schülerinnen und Schüler,

liebe Sibel Karacan,

ich freue mich sehr, dass Sie sich für Flüchtlingspolitik in Deutschland und Europa interessieren, denn leider gehen viele Menschen mit Vorurteilen an das Thema heran. Allerdings ist es auch ein sehr komplizierter Politikbereich. Das deutsche Ausländerrecht ist Bundesrecht, d.h. es wird vom Bundestag beschlossen und die Bundesländer können nur geringe Spielräume ausnutzen in der Frage, wie sie das Recht auslegen. Maßgebend ist das Aufenthaltsgesetz, auch Zuwanderungsgesetz genannt, dass unter der letzten rot-grünen Bundesregierung beschlossen wurde und seither einige Male ergänzt wurde. In erster Linie, weil EU-Richtlinien in deutsches Recht überführt werden mussten.

Nach der Landtagswahl in NRW im vergangenen Jahr haben die SPD und die Grünen sich im Koalitionsvertrag auf Ziele geeinigt, die sie gemeinsam verfolgen wollen. Im Abschnitt zur Flüchtlingspolitik ist das sehr gut zusammengefasst, so dass ich hier gerne zitieren möchte:

NRW schützt Menschen vor Verfolgung und in Not

Die bestehende Altfallregelung für langjährig geduldete und integrierte Flüchtlinge konnte das Problem der so genannten Kettenduldungen nicht nachhaltig lösen. Daher wird sich NRW im Bundesrat und in der Innenministerkonferenz für eine wirksame gesetzliche Bleiberechtsregelung ohne Stichtag und Sippenhaft einsetzen. Sie soll die unzumutbar hohen Anforderungen an die Lebensunterhaltsicherung senken und für Alte, Kranke und Traumatisierte eine an humanitären Kriterien ausgerichtete Regelung schaffen. Wir wollen darüber hinaus – unterbesonderer Berücksichtigung integrationspolitischer und humanitärer Gesichtspunkte - die landesrechtlichen Spielräume nutzen, damit die Betroffenen von der bestehenden Rechtslage profitieren können. Dazu gehört, dass die zeitliche Begrenzung für Verlängerungsanträge für die Altfallregelung entfällt. Die Regelungen zum Vollzug der gesetzlichen Altfallregelung wollen wir an den Bestimmungen in Rheinland Pfalz orientieren. § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz ist großzügig und im Einklang mit der Rechtsprechung anzuwenden. Dabei ist insbesondere anzustreben, dass diejenigen Ausländerinnen und Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, die wegen ihrer Verwurzelung in Deutschland nicht abgeschoben werden können.

Wir begrüßen, dass die Bundesregierung die Vorbehaltserklärung zur UN Kinderrechtskonvention zurückgenommen hat. Damit wird dem besonderen Schutz minderjähriger Flüchtlinge Rechnung getragen. Dies wollen wir bei der Unterbringung und Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge in NRW umsetzen. Wir wollen, dass humanitäre Hilfe für "Menschen ohne Papiere" nicht kriminalisiert wird. Daher setzen wir uns auf Bundesebene für eine entsprechende Änderung des Aufenthaltsgesetzes ein.

Für die Angehörigen von Minderheiten im Kosovo ist die derzeitige Lage nach wie vor angespannt, Integrationschancen sind faktisch nicht vorhanden. Vor diesem Hintergrund wollen wir geplante Rückführungsmaßnahmen der Ausländerbehörden unter dem Aspekt des Schutzes von Familien und alleinreisenden Frauen überprüfen. Ziel ist es, besondere Härten im Rahmen der landesrechtlichen Spielräume zu verhindern. Die Rückkehrprogramme für eine freiwillige Rückkehr wollen wir ausbauen.

Ein Teil dieser Vorhaben wurde bereits umgesetzt, so hat NRW als einziges Bundesland im Winter keine Angehörigen von Minderheiten (Roma) in das Kosovo zurückgeschickt. Ganz aussetzen dürfen wir diese Abschiebungen nicht, weil der Bund ein Rückübernahmeabkommen mit dem Kosovo geschlossen hat, an das die Länder gebunden sind. An diesem Beispiel können Sie sehr gut die begrenzten Möglichkeiten eines Bundeslandes erkennen.

Sie sprechen in ihrer Mail auch die aktuellen Flüchtlingsthemen im Zusammenhang mit Nordafrika an. Dabei kommt dann noch die europäische Flüchtlingspolitik ins Spiel. Grundsätzlich haben sich die EU-Mitgliedsländer darauf verständigt, dass jedes Land entsprechend seiner Größe eine bestimmte Zahl an Flüchtlingen (Quote) aufnimmt. Ehrlicherweise muss man sagen, dass Deutschland dies im Unterschied zu Italien in der Vergangenheit auch immer gemacht hat. Wir Grünen setzen uns für ein festes Resettlementprogramm ein, d.h. dass ein Land jedes Jahr unabhängig von internationalen Krisen eine bestimmte Anzahl Flüchtlinge aufnimmt. Dies tun z.b. skandinavische Länder oder auch die USA ( http://www.save-me.de ). Dies sind klassische Einwanderungsländer, „Deutschland“ weiß noch nicht so recht, ob es das sein will, obwohl wir aufgrund des demografischen Wandels dringend Zuwanderung brauchen.

Was die aktuelle Lage in Nordafrika angeht, laufen auf Bundesebene gerade Gespräche, auf welche Aufnahme man sich verständigen kann. Wir hoffen, dass dies bald zu Ergebnissen führt. Wie sie sehen, ist das Thema sehr komplex, vielleicht haben Sie Lust mit ihrer Klasse einmal den Landtag zu besuchen, dann wäre auch ein persönliches Gespräch mit mir und unserer flüchtlingspolitischen Sprecherin Monika Düker ( http://www.monika-dueker.de ) möglich

Mit freundlichen Grüßen

Daniela Schneckenburger