Ausbau der Windenergie, mich interessiert,wie die Grünen und speziell Herr Schäfer zu der Aufstellung von Windkraftanlagen in Wäldern und Naturschutzgebieten steht.

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Danny Schäffer
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Heike B. •

Ausbau der Windenergie, mich interessiert,wie die Grünen und speziell Herr Schäfer zu der Aufstellung von Windkraftanlagen in Wäldern und Naturschutzgebieten steht.

Mit freundlichen Grüßen H.B.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Hallo Frau B.

vielen Dank für die wichtige Frage zum Ausbau der Windenergie! Wenn man sich die Plakate dieses Landtagswahlkampfs ansieht, spielt der Klimawandel leider nur eine sehr nachrangige Rolle. Dass es ihn aber gibt, und dass die Notwendigkeit, ihm entgegenzuwirken, immer mehr drängt, ist alle paar Tage in den Medien zu sehen. Wir erleben das im Augenblick nahezu hautnah zu genau der Zeit, in der ich dies schreibe, mit den verheerenden Überschwemmungen in Polen, Tschechien, der Slowakei, Österreich und Rumänien. 

Windkraftanlagen sind eine der wesentlichen Möglichkeiten, die Erzeugung von COdurch fossile Energien, die in ihrem Umfang massiv klimaschädlich ist, durch Erneuerbare Energien zu reduzieren. 

Wie jede Energieerzeugung ist auch die von Windstrom mit Umweltbeeinträchtigungen ver­bunden. Für diese gilt es, auch bei den Erneuerbaren Energien, die Umgebungsbeeinträchtigungen so gering wie möglich zu halten. Und in diesem Zusammenhang zielt Ihre Frage auf die Belastung von Wäldern und Naturschutzgebieten und meine Bewertung der Frage, inwieweit hier Belastungen durch Windenergieanlagen hingenommen werden sollten oder abzulehnen sind.

Ich möchte hierauf, antworten 1. mit der Gesetzeslage hierzu auf Bundes- und Landesebene, 2. mit Positionen von Naturschutzverbänden und Umweltbundesamt, 3. mit Positionen der Grünen auf Landesebene und 4. mit meiner persönlichen Position.

Wenn Sie nur meine persönliche Position interessiert, springen Sie nach unten zum Abschnitt 4., interessiert Sie auch die Position der Grünen, beginnen Sie mit dem Abschnitt 3. All dies wird jedoch noch verständlicher durch die Abschnitte 1. und 2.

Zu 1.: Gesetzeslage zu Windenergiegebieten im Zusammenhang mit Wäldern und Naturschutzgebieten auf Bundes- und Landesebene

Das maßgebende Rahmengesetz auf Bundesebene ist das „Gesetz zur Festlegung von Flächenbedarfen für Windenergieanlagen an Land (Windenergieflächenbedarfsgesetz – WindBG)“ vom 20.7.2022, in Kraft getreten am 1.2.2023. Sein Ziel ist es, zugunsten des Klima- und Umweltschutzes „den beschleunigten Ausbau der Windenergie an Land zu fördern.“ Das Gesetz gibt den Bundesländern verbindliche Flächenziele vor, die für den Ausbau der Windenergie an Land benötigt werden, um die Ausbauziele und Ausbaupfade des Erneuerbare-Energien-Gesetzes zu erreichen. 

In jedem Bundesland ist ein bestimmter prozentualer Anteil der Landesfläche („Flächenbeitragswert“) als „Windenergiegebiete“ auszuweisen. Im Gesetz angegeben sind zwei Werte: a. der, der bis zum 31.12.2027 und b. der, der bis zum 31.12.2032 auszuweisen ist. Die Länder können durch Landesrecht auch höhere Flächenziele und auch ein früheres Erreichen beschließen (was sicher nicht geschehen wird). 

In einem ausgewiesenen Windenergiegebiet ist nach diesem Gesetz keine Umweltverträglichkeitsprü­fung und keine artenschutzrechtliche Prüfung mehr durchzuführen, wenn 1. bei dessen Ausweisung eine Umweltprüfung nach dem Raumordnungsgesetz oder dem Baugesetzbuch durchgeführt wurde und 2. soweit das Windenergiegebiet nicht in einem Natura 2000-Gebiet, einem Naturschutzgebiet oder einem Nationalpark liegt (§ 6 (1)). 

Das bedeutet, dass wenn ein Windenergiegebiet in einem ausgewiesenen Naturschutzgebiet liegt, für dieses eine eigene Umweltverträglichkeitsprüfung sowie eine artenschutzrechtliche Prüfung durchzuführen sind. Ich interpretiere dies so, dass für Natura 2000-Gebiete, Naturschutzgebiete und Nationalparks eine Nutzung von Windenergie nicht ausgeschlossen ist. Eine Nachfrage bei der für die Prignitz zuständigen Regionalen Planungsgemeinschaft Prignitz-Oberhavel sowie bei der Regionalen Planungsgemeinschaft Uckermark-Barnim bestätigte dies. Von dieser Möglichkeit wird jedoch offenbar sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht. 

Inwieweit das bei der Regionalen Planungsgemeinschaft Prignitz-Oberhavel bei den im Juni dieses Jahres veröffentlichten Planungen der Fall ist, wäre anhand allein der bisher veröffentlichten Festlegungskarte nur ausgesprochen aufwendig und mühsam herauszufinden. Denn es liegen hierzu noch keine textlichen Erläuterungen vor, wie es sie 2018 als Anlage zum brandenburgischen Regionalplan „Freiraum und Windenergie“ vom 21.11.2018 auf 166 Seiten gegeben hatte. Damals wurden in einer Tabelle „Kriterien für die Ermittlung des Vorranggebietes ‚Freiraum‘“ aufgelistet, mit Prioritäten für die Einbeziehung in das Gebiet ‚Freiraum‘. Dem Gebiet ‚Freiraum‘ zugerechnet zu werden, war für eine Fläche ein Kriterium für die Nichteignung als Windeignungsgebiet (man muss sich das Vorgehen der Planer der Regionalen Planungsgemeinschaft im Groben so vorstellen: Sie haben eine Karte ihres die Kreise Prignitz, Ostprignitz-Ruppin und Oberhavel umfassenden Planungsgebiets. Und in der streichen sie als potenzielles Windenergiegebiet sukzessive alles weg, was dafür nicht geeignet ist: Als Erstes die Flächen von Städten und Dörfern, dann die schützenswerten Freiraumgebiete, dann die historisch bedeutsamen Kulturlandschaften usw., und schließlich diejenigen übrig bleibenden Flächen, die bei Einhaltung eines Ringsum-Mindestabstands von 1.000 Metern für ein sinnvolles Windeignungsgebiet zu klein sind; man kann sich vorstellen, dass dann nahezu nichts mehr übrig bleibt).

Die Tabelle mit den drei Spalten „Kriterium / Priorität der Einbeziehung / Begründung“ begann mit „FFH-Gebiet / sehr hoch / Verbesserung der Kohärenz des europäischen Schutznetzes“. Ein FFH-Gebiet war also als Windeignungsgebiet ausgeschlossen. Ebenfalls mit „sehr hoch“ wurde das Kriterium „festgesetztes Überschwemmungsgebiet“ beurteilt. Die Liste der mit „hoch“ bewerteten Gebiete wurde angeführt durch „NSG / hoch / hohe Bedeutung zur Stabilisierung des Naturhaushaltes“. Es folgten „Nationales Naturerbe / hoch / hohe Bedeutung zur Stabilisierung des Naturhaushaltes im nationalen Maßstab“, „geschützter Wald (gemäß § 12 LWaldG) / hoch / hohe Bedeutung zur Stabilisierung des Naturhaushaltes, natürliche Kohlenstoffsenke“, „geschütztes Waldbiotop, Erholungswald Intensitätsstufe 1 / hoch / hohe Bedeutung zur Stabilisierung des Naturhaushaltes, natürliche Kohlenstoffsenke und Erhalt hochwertiger Erholungsräume“. Unter späteren Kriterien kam noch „Erholungswald Intensitätsstufe 2 / mittel (unter Berücksichtigung der räumlichen Ausgewogenheit) / bedeutsame Bereiche für Erholung und Bodenschutz insbesondere Erosionsschutz, Arrondie­rungs- und Verbindungsfunktion, natürliche Kohlenstoffsenke“. 

Das Kriterium „Geschützter Wald“ war 2018 also ebenfalls ein Ausweis für die Nichteignung für ein Windeignungsgebiet. Nach § 12 „Geschützte Waldgebiete“ des Landeswaldgesetzes vom 20.4.2004 (zuletzt geändert durch Kapitel 2 des Gesetzes vom 20. Juni 2024) handelt es sich hierbei entweder um „Schutzwald“ oder „Erholungswald“. Schutzwald ist Wald, der notwendig ist zur Abwehr von Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen der Allgemeinheit, zur Durchführung von Forschungen sowie zur Erhaltung schutzwürdiger Biotope, insbesondere Naturwäldern. Eines der Schutzziele ist der Klima- und Immissionsschutz. Erholungswald ist Wald in Ballungsräumen, in der Nähe von Städten sowie größeren Siedlungen als Teil von Ge­meinden und in Erholungsgebieten um Kurorte, der zum Zwecke der Erholung besonders zu schützen, zu pflegen und zu gestalten ist. 

Aus der Tabelle folgt: FFH-Gebiete waren für die Windenergienutzung ausgeschlossen, Naturschutzgebiete faktisch auch, ebenso geschützter Wald (gem. § 12 LWaldG) und geschützte Waldbiotope sowie Erholungswald der Intensitätsstufe 1. Es ist davon auszugehen, dass die Regionale Planungsgemeinschaft diese Kriterien für den aktuellen Planungsentwurf im Wesentlichen übernommen hat (es gab im Übrigen 2018 und vermutlich auch heute darüberhinaus außer den „Freiraum“-Kriterien auch Kriterien für die Ermittlung der „Historisch be­deutsamen Kulturlandschaften“).

Sicher ist aber auch, dass für den jetzt veröffentlichten Plan Ausschlusskriterien von 2018 modifiziert und aufgeweicht werden mussten, da der alte Plan nur 1,5 % der Landesfläche als Windeignungsflächen auswies, der neue aber auf 1,8 % kommen muss (und perspektivisch sogar auf 2,2 %, siehe unten). Das – schließlich erfolgreiche – Bemühen der Bürgerinitiative ‚Hohe Heide‘, ein großes Waldgebiet bei Heiligengrabe aus der Windenergieplanung rauszubekommen, zeigt, dass Wälder im neuen Plan kein Tabu sind. 

Ein Blick zu den Nachbarn: Die Regionale Planungsgemeinschaft Uckermark-Barnim hat in ihrer Windenergieplanung keine Naturschutzgebiete, bei Natura 2000-Gebieten keine Vogelschutzgebiete und nur eine Ausweisung in einem – aber anderweitig schon belasteten – FFH-Gebiet. Einen Nationalpark haben sie nicht (Prignitz-Oberhavel auch nicht).

Zurück zu den per Bundesgesetz für die einzelnen Bundesländer zu erreichenden „Flächenbeitragswerten“: Dieser Wert, d.h. die für Windenergie auszuweisende Fläche, beträgt, wie schon genannt, für Brandenburg 1,8 Prozent der Landesfläche, zu erreichen bis zum 31.12.2027, und 2,2 Prozent, zu erreichen bis zum 31.12.2032 (Anlage zu § 3 Absatz 1 des Gesetzes). 

Um zu sehen, ob die Anforderungen an Brandenburg hier besonders hoch sind, hier auch die Flächenbeitragswerte für die anderen Bundesländer: Die brandenburgischen Werte gelten auch für Hessen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Für den ersten Termin mit 1,7 % knapp darunter liegt Niedersachsen. Die anderen für 2027 geltenden Werte betragen für die Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg 0,25 %, für die bisher mit Windenergieanlagen nur gering ausge­statteten Länder Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen und Saarland 1,1 %, für Sachsen und Schleswig-Holstein 1,3 %, für Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz 1,4 %.

Bis zum 31.12.2032 sind jedoch in einigen Ländern beträchtliche Steigerungen vorgesehen, um dann ein wesentlich stärker angeglichenes Niveau zu erreichen: 2,2 % sind außer für Brandenburg noch für Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Thüringen festgelegt, 2,1 % für Mecklenburg-Vorpommern, 2,0 % für Sachsen und Schleswig-Holstein, 1,8 % für Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen, und 0,50 % für die drei Stadtstaaten. Diese Werte zeigen, dass allen Bundesländern, bis auf die Stadtstaaten, Flächenanteile um die 2 % abverlangt werden, was vor allem im dicht besiedelten Nordrhein-Westfalen ganz erhebliche Probleme hinsichtlich der Abstände zur Wohnbebauung  mit sich bringen wird. 

Auf Bundesebene gibt es für die neu zu bauenden Windenergieanlagen keine Höhenbeschränkung und auch keine Festlegungen für die Mindestabstände zur Wohnbebauung. Gleichwohl sind unterschiedslos, gleich wie hoch die Windräder sind und wie nah sie an der Wohnbebauung stehen, alle Grenzwerte des Bundesimmissionsschutzgesetzes hinsichtlich Schallimmissionen und Verschattung einzuhalten. 

Der Abstand von Windenergieanlagen zur Wohnbebauung ist in Brandenburg geregelt durch das „Gesetz zur Regelung von Mindestabständen von Windenergieanlagen zu Wohngebäuden im Land Brandenburg (Brandenburgisches Windenergieanlagenabstandsgesetz – BbgWEAAbG)“ vom 20.5.2022, geändert durch Artikel 2 des Gesetzes („Übergangsregelungen“) vom 2.3.2023. Danach ist von Windenergieanlagen ein Mindestabstand von 1.000 Metern zu zulässigerweise errichteten Wohngebäuden in Gebieten mit Bebauungsplänen oder innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile einzuhalten. Der Abstand bemisst sich – das ist eine Besonderheit für Brandenburg - von der Mitte des Mastfußes bis zur nächstgelegenen Gebäudekante eines Wohngebäudes. Derzeit sind die längsten Flügel für Windanlagen an Land ca. 60 bis 75 m lang. Wenn also die Mitte eines Mastfußes exakt 1.000 m von der nächsten Wohngebäudekante entfernt ist, kommen die Rotorspitzen dem Gebäude noch ein Stück näher.

Zu 2.: Positionen von BUND, NABU, Greenpeace und Umweltbundesamt zu Windenergieanlagen in Wäldern und Naturschutzgebieten

BUND

Für den BUND sind die Wälder in Deutschland massiv von der Klimakrise betroffen. Absterbende Waldbestände in vielen Regionen Deutschlands würden die Dringlichkeit vor Augen führen, endlich effektive Maßnahmen zur Begrenzung der Klimakrise und somit auch zum Schutz der Wälder zu ergreifen. In einem einstimmigen Beschluss der BUND-Bundesdelegiertenversammlung vom 10.11.2019 votierte diese, unter Berücksichtigung ökologischer Kriterien, für den Ausbau der Windenergienutzung im Wald. Der Wald leiste einen unverzichtba-ren Beitrag zum Klimaschutz, zu Wasserspeicherung und Wasserhaushalt, zur Erhaltung der Biodiversität, zur CO2-Speicherung und zum Artenschutz. 

Nach dem BUND-Energiekonzept würde sich der Windenergie-Anteil in einem 100 %-Erneuerbaren-Szenario auf ca. 60 % belaufen. Nach eigenen Berechnungen seien dafür etwa 40.000 Windenergieanlagen notwendig. Davon sollten ca. 9.000 Anlagen im Wald stehen. Die für Windkraft verbaute Forstfläche betrüge dann maximal 0,1 % der nutzbaren Waldfläche (bei maximal 0,5 ha Fläche pro WEA). 

Der BUND geht von rund 2 % der Landesfläche für den Ausbau der Windkraft aus. Für Windkraft ausgeschlossen werden sollten dabei Naturschutzgebiete, Nationalparke, Biosphärenreservate (Zonen I und II), Naturwaldreservate, geschützte Biotope sowie die FFH- und Vogelschutzgebiete des europäischen Schutzgebietsnetzwerks Natura 2000. Diese Flächen, die sich zum Teil überlagern, würden zusammengenommen, bereinigt von Überschneidungen, 28 % der Waldfläche Deutschlands ausmachen. Nach dem Nennen noch einiger spezifischer Waldarten wie Wälder in Wildnisgebieten im Sinne der nationalen Biodiversitätsstrategie oder Wälder, die als Weltnatur- oder –kulturerbe ausgewiesen sind sowie standortgerechten Wäldern mit einem Bestandsalter von über 100 Jahren, kam man zwei Absätze weiter auf 25-36 % der Waldfläche in Deutschland, auf der die Nutzung von Windkraft aus Anforderun­gen des Naturschutzes ausgeschlossen werden sollte. 

(Dieser Text folgte weitgehend einer zwei Tage nach dem Beschluss am 12.11.2019 herausgegebenen umfangreichen Pressemitteilung auf der Website des BUND Nordrhein-Westfalen, hier abgerufen im September 2024. Dort führt auch ein Link zum Beschluss selbst, in dem die Zahl von 9.000 Windrädern in Wäldern jedoch nicht genannt wird.)

Abschließend eine aktuelle BUND-Stellungnahmen zur Windkraft im Wald aus „Argumente für Windenergie: Fakten statt Mythen“ vom 28.5.2024:

„Windenergie stellt keine grundsätzliche Gefahr für unseren Wald dar. Selbstverständlich sollten Wildnisgebiete im Sinne der Nationalen Biodiversitätsstrategie ausgeschlossen werden – also Wälder, die unter Naturschutz stehen oder naturnahe Wälder, die ein Alter von über 100 Jahren haben. Diese Wälder sind wichtige Lebensräume für seltene Vogel- und Fledermausarten. Damit sollte ungefähr 36 Prozent der Waldfläche Deutschlands vom Windenergieausbau ausgeschlossen werden.

Durchschnittlich muss ein halber Hektar Wald für den Bau einer Windenergieanlage gerodet werden. Dazu kommt ein weiterer halber Hektar Fläche für die Bauphase, die aber wieder aufgeforstet werden kann. Zum Vergleich: Aufgrund von Schäden durch Borkenkäfer und Trockenheit sind uns seit 2018 rund eine halbe Million Hektar Waldfläche verloren gegangen und müssen wiederbewaldet werden. Der Klimawandel ist also der wesentlich größere Faktor für Waldverluste.

Dennoch gilt: Der Wald kommt erst als Standort für Windenergie in Frage, wenn in der freien Landschaft keine geeigneten Standorte bestehen. Und für verlorengegangenen Wald muss immer Ausgleich geschaffen werden.“

Klar ist: der BUND hält die Einbeziehung des Waldes in die Erzeugung von Windkraft – bei einem hohen Anteil windkraftfrei zu haltender Wälder - für erforderlich. Hinsichtlich der Abschätzung der Zahlen für den Umfang der Ausschlussgebiete müsste er jedoch wohl nochmal einen seriösen neuen Anlauf machen. 

NABU

NABU Brandenburg, Mai 2011: In einer sehr alten, aber sehr detailliert auf verschiedenste Aspekte und Betroffenheiten eingehenden Stellungnahme zu einer Zeit, in der viele Erfahrungen noch nicht gemacht waren, kommt der NABU Brandenburg zu einer grundsätzlich ablehnenden Schlussfolgerung: „Der Bau von Windkraftanlagen in geschlossenen Wäldern ist aus naturschutzfachlicher Sicht grundsätzlich abzulehnen. Ob unter bestimmten Voraussetzungen  Ausnahmen genehmigt werden könnten, müsste zunächst durch Datenerhebung zu den Auswirkungen an bereits in Wäldern bestehenden WK- Anlagen ermittelt werden.“

Der NABU hat – im Gegensatz zum BUND – auch heute noch eine sehr reservierte Haltung zu Windkraft im Wald. Hier Inhalte aus drei jüngeren Pressemitteilungen von Landesverbänden:

NABU Niedersachsen, 18.3.2022: „Auch der NABU Niedersachsen betrachtet die Energiewende als ein zentrales Element, um die Klimaschutzziele auf nationaler und globaler Ebene zu erreichen. „Dabei ist es aber zwingend notwendig, den Ansatz der Naturverträglichkeit als integralen Bestandteil der gesamten Energiewende zu verankern“, so der Landesvorsitzende. „Wir erleben gerade das größte Artensterben der Menschheitsgeschichte - ein Eingriff in diesen unverzichtbaren Lebensraum würde dieses Artensterben nur noch weiter befeuern. Unsere Wälder leiden bereits massiv durch den Klimawandel. Sie durch den Bau und Betrieb von Windkraftanlagen zusätzlich zu schädigen, halte ich für unverantwortlich“, so Dr. Buschmann. Er verleiht seiner Forderung Ausdruck, dass natürliche Ökosysteme zwingend erhalten bleiben und die Biodiversität bewahrt werden muss. … 

Für besonders verantwortungslos hält der NABU-Landesvorsitzende aber die geplante Nutzung von Wald-Schutzgebieten und wertvollen Waldstandorten für den Ausbau von Windkraftanlagen. „Mehr als 50 Prozent aller niedersächsischen Wälder sollen künftig für Windkraftanlagen in Betracht kommen. Auch in Schutzgebieten von europaweiter Bedeutung wird Windkraft nicht mehr ausgeschlossen. Aber mindestens alle Schutzgebiete, historisch alte Waldstandorte und andere ökologisch besonders wertvolle Waldflächen sollten von der Windenergie ausgeschlossen bleiben“, fordert Dr. Buschmann eine Überarbeitung der Regelungen, um das Ökosystem Wald nicht noch zusätzlich zu belasten. 

Niedersachsen ist nur mit 24 Prozent Waldfläche bedeckt und gilt damit als waldarmes Bundesland. „Ein weiterer Grund, warum aus unserer Sicht der Wald in Niedersachsen nur dann als potentielle Fläche für Windkraftanlagen betrachtet werden sollte, wenn keine naturverträglichen Flächen im Offenland zur Verfügung stehen und dann auch nur in stark vorgeschädigten Bereichen, die jetzt und auch in Zukunft keinen Beitrag mehr für den Klimaschutz leisten können.“

NABU NRW, 5.9.2023: „"Der Wald ist für die Klimaanpassung und für den Klimaschutz extrem wichtig", betonte Heide Naderer, Vorsitzende des NABU NRW am Dienstag bei der Vorstellung des eigenen Jahresberichtes. "Er ist ein wichtiges Ökosystem, das es konsequent zu schützen gilt." Die Landesregierung wäre eigentlich in der Verantwortung, dies umzusetzen, so Naderer. … Angesichts des ohnehin schlechten Zustands der Wälder seien die weitreichenden Öffnungen zur Nutzung der Windenergie nicht tragbar. "Eine Windenergieanlage kommt ja nicht mit dem Flugzeug." Für die Transporte müssten etwa breite Zuwege errichtet werden. Hinzu käme weitere Infrastruktur wie etwa Leitungen. "Wir können es uns nicht län­ger leisten, dass der Wald weiter zerschnitten wird", so Naderer. Der NABU fordert deshalb den Schutz von Wildnisentwicklungsflächen in einer ähnlichen Größenordnung, wie sie aktuell der Windkraft zugutekommt. "Wir fordern den langfristig gesicherten Schutz von zwei Prozent Wildnisgebieten in NRW", so Naderer. Die Einrichtung eines zweiten Nationalparks in NRW wäre hierbei ein wichtiger Baustein.“

NABU Sachsen-Anhalt, wohl Anfang 2024, unter der Überschrift „Warum Windräder nicht in den Wald gehören“: „Erneuerbare Energien gehören zu den wichtigsten Werkzeugen im Kampf gegen den Klimawandel. Dabei können auch Wind- und Solarparks unter den falschen Umständen große Schäden an der Natur hinterlassen. Dies zeigt zum Beispiel die zunehmende Zahl von Windrädern in Wäldern, deren negative Folgen die Vorteile um ein Vielfaches übersteigen.

Die Probleme beginnen dabei schon während des Baus. So verändern in den Wald geschlagene Zufahrtswege und Bauplätze das Mikroklima und die Nährstoffkreisläufe des umliegenden Gebiets. Höhere Temperaturen, fehlende Feuchtigkeit und irreversible Bodenverdichtung senken den Wasserspeicher – fatal, gerade in Anbetracht der Trockenheit vergangener Jahre. Und aufgrund der unterirdischen Verankerung und anderer Recyclingprobleme blei­ben diese negativen Folgen auch nach Rückbau alter Anlagen bestehen.

Infolge der Veränderungen kommt es zudem zu einem Verlust von Lebensraum und einer Beeinträchtigung zahlreicher Tiere, darunter auch nach europäischem Recht streng geschützter Arten wie Seeadler, Rotmilan, Mäusebussard und Schwarzstorch. Doch besonders Fledermäuse wie der großen Abendsegler leiden unter der Anwesenheit von Windkraftanlagen. … Darüber hinaus sind Wälder wichtige Verbündete in Zeiten des Klimawandels. Sie die­nen als Wasserspeicher in Trockenzeit, kühlen die Landschaft bei Hitze und binden große Mengen von Kohlenstoff – Kohlenstoff, der bei Verlust des Waldes als Treibhausgas in die Atmosphäre gelangt. Ein Ausbau von Wind- und Solarenergie zulasten der Waldbestände ist damit auch unter Aspekten des Klimaschutzes fragwürdig.“

Greenpeace

Aus einer Pressemitteilung „Windkraft im Wald – ein Dilemma?“ vom 21.6.2024 mit der Zwischenüberschrift „Windkraft im Wald – nur als Ausnahme“: „Wälder können das Klima und die Artenvielfalt aber nur dann richtig schützen, wenn sie naturnah und gesund sind. In Zeiten von zunehmenden Dürren, Überschwemmungen und der grundsätzlichen Erderwärmung brauchen wir intakte Laubmischwälder mehr denn je und können es uns nicht leisten, sie zu opfern – auch nicht für eine sinnvolle Maßnahme wie Windräder.  Denn Windkraftanlagen in Wäldern bedeuten immer einen Eingriff in schon zum Teil stark geschwächte Ökosysteme

Die Greenpeace-Empfehlung: 

  • Geschützte und ökologisch wertvolle Laub-Mischwälder sind beim Ausbau von Windenergieanlagen ganz ausgeschlossen.
  • Nur wenn es belegbar keinen anderen Standort für Windräder gibt, können Kommunen Wälder im Einzelfall in Erwägung ziehen. 
  • Windkraftanlagen dürfen nur in vom Menschen angelegten, jungen, industriell und monokulturell genutzten Nadelbaum-Forsten errichtet werden. Aber auch diese Nadelwälder kommen nicht in Frage, wenn bereits junge Laubbäume gepflanzt wurden oder diese natürlich/selbstständig nachwachsen (natürliche Verjüngung). Auch durch Dürren geschädigte Bäume können nicht pauschal für den Windkraftausbau freigegeben werden, weil auch sie einen hohen ökologischen Wert haben und das Potenzial, sich zu einem Laubwald zu entwickeln. 
  • Gebiete mit besonders hohem Schutzstatus (z. B. Nationalparks, Naturschutzgebiete, Wildnisgebiete) sind für Windenergie grundsätzlich tabu. In Gebieten mit weniger strengem Schutz wie Naturparks und Landschaftsschutzgebieten muss die Errichtung der Anlagen (höher als 200 Meter) über den Baumwipfeln jedoch nicht grundsätzlich ausgeschlossen sein – aber auch dort kommen nur die oben genannten, industriell genutzten Nadelbaumforste in Frage.
  • Die Windräder müssen möglichst naturverträglich geplant und gebaut werden. Das heißt, dass beispielsweise bereits vorhandene Forstwege für den Bau genutzt werden. 

Umweltbundesamt

Das UBA hat im März 2021 ein „Themenpapier Windenergie im Wald“ veröffentlicht. Daraus hier einige sehr informative Passagen:

„Knapp 10 % des erneuerbaren Stroms der Windenergie an Land wird von Windenergieanlagen erzeugt, die sich über den Baumkronen von Waldgebieten drehen (Deutsche Windguard 2019).“ 

„Gerade in dicht besiedelten Regionen finden sich für die Windenergienutzung kaum noch konfliktarme Flächen, so dass Waldgebiete zunehmend in den Fokus rücken. Vorteilhaft an einer solchen Flächenauswahl ist die Ermöglichung von größeren Abständen zur Wohnbebauung. Zudem gibt es weniger Konflikte in Bezug auf bestimmte windenergiesensible Vogelarten (z.B. Greifvögel wie der Rotmilan), weil diese weniger über Wäldern aktiv sind, sondern eher im offenen Land (z.B. Feldern) jagen. Allerdings erzeugen Waldstandorte wiederum eigene artenschutzrechtliche Konflikte (z.B. mit Fledermäusen).“

„Vor Ort kursieren oft unterschiedliche Aussagen dazu, wie viel Waldfläche tatsächlich für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage gerodet wird. Hierbei gilt es zu unterscheiden zwischen Flächen, die dauerhaft gerodet werden, und Flächen, die nur für die Bauphase bereitgehalten werden. Aktuelle Erhebungen zeigen (FA Wind 2020), dass dauerhaft durchschnittlich ca. 0,5 Hektar für den Betrieb einer Windenergieanlage gerodet werden müssen. Hiervon entfallen ca. 0,05 ha auf die Versiegelung für das Fundament. Während der Bauphase sind zusätzlich ca. 0,4 Hektar freizuhalten, die nach Abschluss der Bauphase dann wieder aufgeforstet werden. Verrechnet man den durchschnittlichen Flächenbedarf von 0,5 ha mit den bisher im Wald errichteten Windenergieanlagen in Deutschland, ergibt sich daraus eine Gesamtfläche von 953 ha Wald (entspricht ca. 1.335 Fußballfeldern), die Ende 2019 von Windenergieanlagen beansprucht wird (FA Wind 2020). Auf den ersten Blick mag diese Gesamtfläche groß erscheinen, aber im Vergleich dazu wurde eine Fläche dieser Größe in der Vergangenheit etwa alle 15 Monate im Zuge der Braunkohleförderung in Deutschland abgebaggert. 

Außerdem ist die Ökobilanz von Windenergieanlagen ausgesprochen gut (Themenpapier | Ökobilanz der Windenergieanlagen im Wald). 0,5 Hektar Wald nimmt rund 2,75 Tonnen CO2 pro Jahr auf (Thünen-Institut 2017). Dagegen steht die jährliche CO2-Vermeidung einer Windenergieanlage pro Jahr von 4.200 Tonnen. Die CO2-Einsparung durch Windenergieanlagen ist somit um ein Vielfaches höher.

Entscheidend ist die Qualität des zu rodenden Waldes: Handelt es sich um einen hochwertigen oder einen minderwertigeren Wald? Gab es Schädlingsbefall oder Windbruch? Wie verhält sich der Waldbestand in der Region insgesamt? Bei der Entscheidung für oder gegen eine Windenergienutzung im Wald muss somit auch dem fortwirtschaftlichen Ertrag und der ökologischen Wertigkeit Rechnung getragen werden.“

Zu 3.: Grüne Positionen zu Windenergieanlagen in Wäldern und Naturschutz­gebieten

Das Grüne Wahlprogramm zur brandenburgischen Landtagswahl 2024 bringt keine Aussage zur speziellen Frage von Windkraft in Wäldern, sondern führt lediglich auf, dass es beim Ausbau der Erneuerbaren Energien Zielkonflikte gibt und dass man die bestmöglich lösen will: „Brandenburg wird Vorbild für den naturverträglichen Ausbau hin zu einer 100 % erneuerbaren Energieversorgung, denn Klimaschutz ist Naturschutz. Eine positive Dynamik der Energiewende zeigt sich bereits vielerorts in Brandenburg und motiviert uns weiterhin, auch die Zielkonflikte anzugehen und zu lösen. Weil auch der Natur- und Artenschutz ohne Klimaschutz nicht geht, wollen wir ihn mit der Energiewende zusammenbringen. Wir werden keine Gelegenheit ungenutzt lassen, die Energiewende natur- und umweltverträglich zu gestalten. Wir entwickeln einen ambitionierten Praxis-Leitfaden für beides: mehr erneuerbare Energie-Anlagen in ausgewiesenen Gebieten und mehr Naturschutz auf Erneuerbare-Energie-Flächen.“ (S. 7)

Aber im politischen Alltag der Landtage und bei der Zuarbeitung hierzu gibt es zur speziellen Frage nach Windkraft im Wald klare Aussagen:

Am 16.4.2016 fand in Wittenberge eine Landesdelegiertenkonferenz der Grünen statt, die sich auch mit Zielkonflikten der Windkraft befasste. Dort wurde dreierlei beschlossen:

  1. Die Regelung einiger brandenburgischer Regionalpläne, dass der Mindestabstand von Windenergieanlagen zur nächstgelegenen Wohnbebauung nur 500 bzw. 800 m sein brauchte, ist nicht akzeptabel. Er muss, wie schon 2010 gefordert, 1.000 m betragen.
  2. Die Forderung des Volksbegehrens „Rettet Brandenburg!“, die Abstände der Windenergieanlagen zu jeglicher Wohnbebauung sollten mindestens das Zehnfache der Höhe der Anlagen betragen („10 H“), wäre weder mit der Forderung des Bundesverwaltungsgerichts, der Windenergie „substantiell Raum zu schaffen“ noch mit der brandenburgischen Energiestrategie vereinbar, da damit, zusammen mit den Ausschlusskriterien wie Schutzgebiete und tierökologische Abstandskriterien, keine einzige moderne Windenergieanlage mehr gebaut werden könnte. 
  3. Die zweite Forderung des Volksbegehrens, Waldgebiete grundsätzlich von der Bebauung mit Windkraftanlagen auszuschließen, löse den Zielkonflikt zwischen Klimaschutz und Naturschutz allein zugunsten des Naturschutzes. „BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Brandenburg sind der Überzeugung, dass sowohl der Schutz des Klimas als auch der Biologischen Vielfalt von hohem gesellschaftlichen Interesse sind und Lösungen gefunden werden müssen, die möglichst mit beiden Zielen verträglich sind. 

    Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sollen deshalb strukturreiche Wälder geschützt, Windenergieanlagen in monotonen Kiefernforsten ohne Schutzstatus jedoch möglich sein. Um die dort jagenden Fledermäuse nicht zu schädigen, ist über den Baumwipfeln ein Mindestabstand von 30 Metern zum Rotor vorzusehen. Wenn sich ein zusätzlicher Schutz als notwendig erweist, können auch zeitweise Abschaltungen angeordnet werden.

    Also: Klimaschutz, Naturschutz und Rücksicht auf die von den Anlagen betroffenen Menschen müssen gleichberechtigt abgewogen werden. Keines dieser Ziele darf über dem anderen stehen.“

Im Januar 2021 forderten die Freien Wähler im Brandenburgischen Landtag ein „Gesetz zum Verbot der Errichtung von Windenergieanlagen in Wäldern“. Der bündnisgrüne Landtagsabgeordnete Clemens Rostock hielt hierzu am 27.1.21 einen Redebeitrag. Zunächst zitierte er aus dem Landtagswahlprogramm von 2019: „Naturschutz und Energiewende müssen Hand in Hand gehen. Bei der Abwägung von Standorten ist für uns die Schwere des Eingriffs in Natur und Artenvielfalt entscheidend. Grundsätzlich sind wir gegen die Nutzung von Windenergie im Wald, denn ein artenreicher Mischwald kann kein geeigneter Standort für Windener­gieanlagen sein. Ein artenarmer Kiefernstangenforst kann allerdings ein besserer Standort sein als eine artenreiche offene Landschaft. Dies gilt es stets im Einzelfall abzuwägen.“ 

Auf die Zwischenfrage eines Abgeordneten der Freien Wähler führte er dann aus: Die Grundhaltung, mit der seine Fraktion an das Thema heranginge, wäre: „es geht nicht darum, den Wald für Windkraft plattzumachen, sondern es nicht zu einem Totalverbot kommen zu lassen, weil es eben Einzelfälle geben kann, in denen das durchaus umweltfreundlicher ist, als die Anlage woanders hinzustellen. Und man muss aufpassen, dass man nicht am Anfang eines Prozesses a priori so viele Randbedingungen schafft, dass man das eigentliche Ziel nicht mehr erreichen kann. Deswegen gilt immer wieder: Das große Bild nicht vergessen. Ich möchte noch einmal sagen, Sie haben ja richtig zitiert: Der Zustand des Waldes ist schlecht. Er leidet unter Klimawandel und Trockenheit. - Und jetzt sagen Sie: Und jetzt kommt die Windkraft noch obendrauf. - Aber wir reden hier über Pfadabhängigkeit, und noch einmal: Wenn man sich Sorgen um den Wald macht, muss man den Klimawandel angehen, weil der für den Wald ein weitaus größeres Problem als die Windkraft ist!

Das kann man anhand der Berechnungen klar belegen. Sie reden vom Wald als CO2‑Speicher, das ist ja richtig. Aber nehmen wir einmal Zahlen, sagen wir einmal tatsächlich: 1 ha Wald und es gibt viele, die sagen, es ist dauerhaft sogar weniger - kann in einem Jahr ungefähr 6 Tonnen CO2 speichern. Eine Windkraftanlage kann im Vergleich mit dem Strommix in einem Jahr 3.600 Tonnen CO2 einsparen. Das heißt, wenn man sich nur auf die Rechnung, die Sie selbst aufgemacht haben, kaprizieren würde, müsste man tatsächlich den ganzen Wald abholzen und nur Windkraft hinstellen. Also seien Sie vorsichtig, wo die Rechnung hinführt, die Sie aufmachen. Und es kommt noch etwas obendrauf: Der abgeholzte Wald wird woanders wiederaufgeforstet, und zwar als Mischwald. …“

Ähnliche Grüne Stellungnahmen gibt es auch in anderen Landtagen. Im Thüringer Landtag reagierte die Grüne Abgeordnete Wahl im November 2022 auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das das ausnahmslose Verbot von Windenergieanlagen im Wald durch einen Thüringer Landtagsbeschluss für nichtig erklärt hatte: „Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ist ein großartiger Erfolg für den Klimaschutz in Thüringen! Das Bundesverfassungsgericht stellt mit dem Beschluss klar, dass die Nutzung der Windenergie einen faktisch unverzichtbaren Beitrag zum Klimaschutz darstellt. Gerade in Thüringen, wo 34 Prozent der Landesfläche mit Wald bedeckt sind, ist es für die Erreichung der Klimaziele zwingend notwendig, Forstflächen für die Windenergie zu nutzen. Wir als grüne Fraktion erhoffen uns von dem heutigen Urteil einen Schub für den Ausbau der Windenergie. Damit werden wir den erforderlichen 2,2 Prozent der Landesfläche endlich näher kommen. … Wie auch im Offenland werden selbstverständlich in den Forstgebieten in den Genehmigungsverfahren Schutzgüter wie Bodenverbrauch, Wasserhaushalt oder Artenschutz berücksichtigt. Wirklicher Waldschutz besteht also darin, unter der Beachtung des Natur- und Artenschutzes in den Wirtschaftswäldern, die für die Windkraft geeigneten Flächen zur Verfügung zu stellen.“

In hoher und beispielhafter Ausführlichkeit begründete die Grüne Landtagsfraktion in Hessen (sie stellte die Umweltministerin) die Genehmigung von 18 Windenergieanlagen im Rein­hardwald. Hierauf sei nur mit einem Link verwiesen: 

https://www.gruene-hessen.de/landtag/news/windenergie-im-reinhardswald/

 

Zu 4.: Die eigene Position zu Windenergieanlagen in Wäldern und Naturschutz­gebieten

Ein ganz wesentliches und unverzichtbares Instrument zur Reduzierung von CO2 bei der Erzeugung von Strom gegenüber den fossilen Energien ist die Windenergie. Als einen Beitrag zum Erreichen internationaler Klimaziele hat der Bundestag für jedes Bundesland festgelegt, wie viel Prozent der Landesfläche bis Ende 2027 und wie viel bis Ende 2032 als Windenergiegebiete auszuweisen ist. Die entsprechenden Werte für Brandenburg betragen 1,8 und 2,2 %. 

Sie gelten auch für das Gebiet der Regionalen Planungsgemeinschaft Prignitz-Oberhavel. Im – dann nicht genehmigten – Regionalplan „Freiraum und Windenergie“ war die Regionale Planungsgemeinschaft mit größter Mühe auf 1,5 % gekommen. Nun mit 1,8 % bis 2027 20 % mehr Fläche auszuweisen und bis 2032 nahezu 50 % mehr, bedeutet, in ganz beträchtlichem Maße Flächen mit einzubeziehen, die bisher nicht zu Windeignungsgebieten gehörten, und/oder die Abstände von Windenergiegebieten zur Wohnbebauung zu verringern. Letzteres hat man nicht getan. Der Abstand von 1.000 Metern entspricht im Übrigen dem, der von den Brandenburger Grünen schon 2010 gefordert wurde. 

Brandenburg hat mit 37 % einen der höchsten Waldanteile der Bundesländer. Wald als mögliche Windeignungsfläche grundsätzlich auszuschließen, würde bedeuten, andere bisher geschützte Flächen einzubeziehen oder den Mindestabstand zur Wohnbebauung zu verringern. Ich befürworte daher auch eine Nutzung von Waldflächen mit vergleichsweise geringerer ökologischer oder Erholungsfunktion. 

Und stimme hier mit den oben wiedergegebenen Positionen sowohl des Umweltbundesamtes als auch der Brandenburger Grünen überein, und hätte dem dortigen grünen Landtagsabgeordneten Clemens Rostock, mit der Betonung auf Abwägung, Beifall gezollt, als er im Plenum sagte: „Grundsätzlich sind wir gegen die Nutzung von Windenergie im Wald, denn ein artenreicher Mischwald kann kein geeigneter Standort für Windener­gieanlagen sein. Ein artenarmer Kiefernstangenforst kann allerdings ein besserer Standort sein als eine artenreiche offene Landschaft. Dies gilt es stets im Einzelfall abzuwägen.“

Nicht abwägbar, da nicht genehmigungsfähig sind dabei in Brandenburg Waldumwandlungen für Windenergieanlagen bei geschützten Waldgebieten mit Rechtsbindung nach § 12 LWaldG, kleinen Waldflächen in waldarmem Gebiet, auf wissenschaftlichen Versuchsflächen, bei Naturwald, Wald mit hoher ökologischer oder geologischer Bedeutung und Erholungswald mit Intensitätsstufe 1 (s. „Errichtung von Windenergieanlagen im Wald – Informationen für Planer“. Landesbetrieb Forst Brandenburg). 

Bei den genehmigungsfähigen Waldumwandlungen sind die nachteiligen Wirkungen einer Umwandlung von Wald für die Schutz- oder Erholungsfunktionen des Waldes auszugleichen (§ 8 LWaldG). Wald ist hinsichtlich seiner flächigen Ausdehnung zu erhalten (§ 1 LWaldG). Daher wird als Ersatz regelmäßig eine flächengleiche Erstaufforstung geeigneter Grundstücke erforderlich, gegebenenfalls sind weitere Schutz- und Gestaltungsmaßnahmen im Wald zu treffen. Für die Waldumwandlung zur Errichtung von WEA besteht neben der forstrechtlichen Kompensation regelmäßig auch ein Kompensationserfordernis nach der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung in Form von Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen (Paragraph 15 BNatSchG).

Kürzer ist meine Antwort auf die Frage nach den Naturschutzgebieten: Diese sollten, wie auch Vogelschutz- und FFH-Gebiete, von einer Windenergienutzung ausgeschlossen sein. 

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