Frage an Dirk Becker bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Dirk Becker
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Frage an Dirk Becker von Horst W. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Werden Sie einem neuen "Hilfspaket" für Griechenland zustimmen? Es glauben ja nur noch Träumer und Berufspolitiker an eine Rückzahlung der Gelder. Würden Sie auch bei einer persönlichen Haftung für einen neuen Kredit an Grichenland stimmen, oder folgen Sie der Partei ( die Partei hat immer Recht, der Wähler ist dumm und wird nur für das Kreuz am Wahltag benötigt)?

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SPD

Sehr geehrter Herr Weidenauel,

vielen Dank für Ihr Schreiben zur Verabschiedung des dritten Hilfsprogramms für Griechenland. Gerne erläutere ich Ihnen die Beweggründe für meine Ja-Stimme näher.

Die klare Linie der SPD war immer: Wir sind solidarisch mit der griechischen Bevölkerung und unterstützen sie auf dem Weg aus der schweren Krise. Klar ist aber auch, dass wir allein mit dem dritten Hilfspaket Griechenland nicht retten. Wir schaffen damit die Voraussetzungen dafür, dass Griechenland sich selber rettet. Denn das vereinbarte Programmvolumen von bis zu 86 Mrd. Euro sichert vor allem, dass Griechenland seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann und das Bankensystem gestützt wird: 61 Mrd. Euro fließen in Tilgung, Zinszahlung und Begleichung von Zahlungsrückständen; 25 Mrd. Euro in die Rekapitalisierung von Banken. Dieses Geld bewahrt Griechenland vor dem finanziellen Kollaps, sorgt an sich aber noch nicht für Wachstum. Wichtig sind deshalb die strukturellen Reformen, die zusammen mit dem finanziellen Volumen vereinbart wurden.

Das vorliegende Memorandum of Understanding (MoU) vereinbart wichtige Reformen, die tatsächlich dabei helfen können, dass Griechenland auf einen nachhaltigen Wachstumspfad kommt. Damit unterscheidet sich dieses Programm auch von vorherigen Programmen. Im Zentrum des MoU stehen nämlich nicht nur pure Haushaltsvorgaben und Sparziele, sondern strukturelle Verbesserungen der griechischen Wirtschaft und Verwaltung. Griechenland muss im eigenen Interesse endlich in die Lage versetzt werden, Steuern einzutreiben, eine effiziente Verwaltung aufzubauen, den Bürgern ein leistungsfähiges und finanzierbares Sozialsystem zu bieten und das teilweise oligarchische und verkrustete Wirtschaftssystem aufzubrechen. Nur dann können Staatseinnahmen und Investitionen dauerhaft steigen sowie dringend benötigte Arbeitsplätze entstehen. Nur dann kann das skandalöse Missverhältnis zwischen dem Reichtum einer traditionellen Elite und der deutlich zugenommenen Armut in der griechischen Bevölkerung endlich beendet werden. Und nur dann können die Verpflichtungen Griechenlands gegenüber seinen Gläubigern auch erfüllt werden.

Eine wichtige positive Ergänzung im Vergleich zum Grundsatzbeschluss vom Juli ist, dass es bei der Bankenrekapitalisierung nun doch zu einer Beteiligung der Anteilseigner der griechischen Banken kommen wird (Bail-in). Es war immer eine politische Forderung der SPD im Zusammenhang mit der Bankenunion, dass die Anteilseigner von Banken auch an den Kosten für deren Rettung beteiligt werden. Die Rettung von Banken kann nicht primär Aufgabe der Steuerzahler sein. Deshalb ist diese Ergänzung des MoU für die SPD eine sehr positive Entwicklung. Und ganz wichtig dabei ist, dass die Einlagen der privaten Sparer davon nicht betroffen sind.

Aus unserer Sicht kommt es genau auf diese Mischung aus Strukturreformen, Finanzsektor-stabilisierung und sozialer Ausgewogenheit an. Wir als SPD haben das seit Beginn der Krise gefordert und eine einseitige Ausrichtung der Krisenpolitik kritisiert. Dass die Akteure des Finanzsektors nicht angemessen an den Kosten der Krise beteiligt wurden, während es gleichzeitig in den Krisenländern empfindliche Einschnitte bei den kleinen und mittleren Einkommen gab und sich eine skandalös hohe Jugendarbeitslosigkeit verbreitete, hat radikalen und populistischen Gruppierungen Auftrieb gegeben.

Mit dem Beschluss des dritten Hilfsprogramms ist die Arbeit an dem Programm natürlich nicht abgeschlossen. Ganz im Gegenteil: durch regelmäßigere und genauere Programmüberprüfungen müssen wir sicherstellen, dass die Vereinbarungen auch eingehalten werden. Für die SPD war immer klar: Hilfe kann es nicht ohne Gegenleistungen geben. Und die Gegenleistung der griechischen Regierung muss die konsequente Umsetzung der jetzt vereinbarten Reformen sein. Mit den über 50 bereits vom griechischen Parlament beschlossen Vorabmaßnahmen (prior actions) hat die griechische Regierung ein wichtiges Zeichen gesetzt, um das in den letzten Monaten und Jahren verloren gegangene Vertrauen wieder aufzubauen. Diesen Weg gilt es weiter zu gehen.

So wie die griechische Regierung sind dann aber auch wir und die Euroländer insgesamt gefordert, zu unseren Versprechen zu stehen. Dazu gehört vor allem, dass das in Aussicht gestellte Investitionsprogramm von 35 Mrd. Euro rasch konkretisiert und dann auch umgesetzt wird. Dieses Paket – vor allem aus Mitteln der Europäischen Union – wurde der griechischen Regierung bei den Verhandlungen im Juli zugesagt. Zu diesem Versprechen müssen wir dann auch stehen: quid pro quo!

Außerdem werden wir bei einer erfolgreichen Programmüberprüfung im Oktober oder November 2015 auch darüber verhandeln müssen, wie durch Schuldenerleichterungen die Schuldentragfähigkeit Griechenlands gewährleistet werden kann. Da ein klassischer Schuldenschnitt nach den europäischen Regeln ausgeschlossen ist (No Bailout-Klausel), wird es dabei vor allem um längere Laufzeiten und tilgungsfreie Zeiten gehen. Dann wird auch der IWF entscheiden, ob er erneut bereit ist, sich finanziell an dem Griechenland-Programm zu beteiligen. Bereits im Juli hatte der IWF deutlich gemacht, dass eine deutliche Schuldenerleichterung für ihn die Voraussetzung ist, um im Oktober über ein weiteres Engagement zu entscheiden. Eine Beteiligung an dem Programm von Beginn an hat der IWF nie in Aussicht gestellt.

Insgesamt hat sich bei den Verhandlungen der letzten Wochen gezeigt, dass Kooperation der einzige Weg ist, um zu einer Lösung zu kommen. Griechenland braucht den Euro und wir brauchen Griechenland, denn nur gemeinsam und solidarisch können wir ein Europa mit Wohlstand für alle schaffen.

Mit freundlichen Grüßen

Dirk Becker