Frage an Eduard Oswald bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Eduard Oswald
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Frage von Stefan P. •

Frage an Eduard Oswald von Stefan P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Oswald,

gemäß Art. 140 GG in Verbindung mit 138 Abs.1 WRV ergibt sich als Verfassungsgebot, dass bestehende Staatsleistungen abzulösen sind. Diese Rechtstitel, basierend auf dem Konkordat, sind keineswegs die Garantie "ewiger" Kirchenrenten. Im Gegenteil: Die darin enthaltene Ablösungspflicht verbietet eigentlich die Aushandlung neuer Kirchenverträge des Staates gegenüber den Kirchen.

Meine Fragen:

1. Wann werden denn diese Staatsleistungen abgelöst?

2. Kann man die Aufnahme dieser Verhandlungen durch eine Petition im Bundestag erzwingen bzw. beschleunigen?

Den Satz in der Bundesdrucksache 16/4841 (Entwurf eines Unternehmersteuerreformgesetzes), Seite 71, Absatz 2e musste ich mehrmals lesen, um es fassen zu können:

"...Damit wird den Kirchen das Aufkommen der Kirchensteuern dauerhaft gesichert... "

3. Wie kann es angehen, dass die Politik Sorge für die Sicherung von Kirchensteuern trägt?

Hochachtungsvoll

Stefan Pahl

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CSU

Sehr geehrter Herr Pahl,

danke für Ihre Fragen. Da ich mich zur Beantwortung auch auf
Expertenmeinungen stützen muss, hat sich die Beantwortung etwas verzögert.

Zu Ihrer ersten Frage:

Staatsleistungen im Sinne des Grundgesetzes gehen in der Regel auf die Säkularisation Anfang des 19. Jahrhunderts zurück, im Zuge derer den Kirchen vielerorts in Deutschland die wirtschaftliche Basis genommen worden ist. Als Ausgleich für die Enteignung gewähren die Länder Staatsleistungen, die über Artikel 140 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Artikel 138 Absatz 1 Weimarer Reichsverfassung (WRV) Eingang in das Grundgesetz gefunden haben. Allerdings sind die Staatsleistungen in das geltende Verfassungsrecht als Ablösungsobjekt aufgenommen worden. Hierzu bedürfte es einer gesetzlichen Grundlage, die die Beendigung der Staatsleistung einschließlich einer angemessenen Entschädigung zu regeln hätte. Art. 140 GG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 WRV weist die Durchführung der Ablösung der Staatsleistungen den Ländern zu. Dem Bund ist jedoch gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 Satz 2 WRV aufgegeben, die Grundsätze für die Ablösungsgesetzgebung aufzustellen. Die Verwirklichung des Ablösungsauftrages, wie ihn Art. 140 GG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 WRV beschreibt, lässt auf sich warten. In der Praxis sind in den vergangenen Jahrzehnten jedoch auf anderem Wege viele Staatsleistungen, wie z.B. Verpflichtungen zur Instandhaltung von Kirchengebäuden, abgelöst worden, indem Bundesländer mit Kirchen einvernehmliche Regelungen gefunden haben. (Vgl. hierzu Josef Isensee, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, § 35 D IV, S. 1043 „Die Rechtspraxis hat einen einfacheren [Weg] gefunden und vielfach beschritten: die einvernehmliche Regelung unter den Beteiligten. Wenn diese Entwicklung stetig und folgerichtig fortschreitet, wird das Verfassungsziel der Vermögensentflechtung erfüllt werden, ohne dass der schwerfällige verfassungsrechtliche Mechanismus in Betrieb gesetzt werden muss, und der Verfassungsauftrag wird sich erledigt haben, weil sein Substrat beseitigt sein wird.“) Ein Zeitpunkt, wann sämtliche Staatsleistungen abgelöst sind, lässt sich derzeit nicht bestimmen.

Zu Ihrer zweiten Frage:

Die Initiative für ein Grundsatzgesetz zur Ablösung der Staatsleistungen liegt beim Bund. Ihm obliegt es, tätig zu werden. Er kann den Zeitpunkt nach seinem Ermessen bestimmen. "Die Erfüllung des Verfassungsgebots kann weder von den Ländern noch von Religionsgesellschaften mit rechtlichen Mittel - etwa über eine Verfassungsklage - erzwungen werden. Die Ablösungsdirektive ist auf kein Sonderinteresse bezogen, aus dem sich eine verfassungsgeschützte, klagbare Rechtsposition ableiten ließe. Der Vollzug braucht keine Frist einzuhalten. Bei Nichtvollzug droht keine Sanktion.“ (Josef Isensee, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, § 35 D IV, S. 1043). Es ist Ihr Recht, eine Petition einzureichen. Über den Erfolg vermag ich mich nicht zu äußern.

Zu Ihrer dritten Frage:
"Die Rechtsquellen des Kirchensteuerrechts liegen im staatlichen Recht - ohne das der Steuercharakter der Kirchensteuer nicht möglich wäre - in Staatskirchenverträgen auf Bundes- und Landesebene und im kirchlichen Recht. Das in Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV verbriefte kirchliche Besteuerungsrecht wird durch Staatskirchenverträge und Landesgesetze sowie - in deren Rahmen - durch kirchliche Steuerordnungen und Hebesatzbeschlüsse näher ausgestaltet. Dieses Ineinandergreifen verschiedener Rechtsquellen illustriert, dass es sich bei der Kirchensteuer um eine gemeinsame Sache von Staat und Kirche handelt, die für ihre Normierung wie für ihre praktische Handhabung ein enges Zusammenwirken beider Partner voraussetzt." (Heiner Marré, "Die Kirchenfinanzierung in Kirche und Staat der Gegenwart" 1990) Basis der Kirchensteuer ist die Einkommensteuer. Der Einkommensteuer unterfallen auch Kapitalerträge, so dass auch auf diese Kirchensteuer erhoben wird. Im Rahmen der Umsatzsteuerreform wurde die so genannte Abgeltungssteuer eingeführt, nach der Kapitalerträge an der Quelle mit einem einheitlichen Steuersatz von 25 % besteuert werden. Das Steuerabzugsverfahren wird nunmehr von so genannten Steuerabzugsverpflichteten insbesondere den Banken vorgenommen. Um sicher zu stellen, dass die Kirchenmitglieder auch künftig ihrer Leistungsfähigkeit nach besteuert werden, für die alle Einkunftsarten, also auch die Kapitalerträge maßgeblich sind, musste eine Regelung gefunden werden, die gewährleistet, dass Kapitalerträge auch bei der Kirchensteuer berücksichtigt werden können. Eine entsprechende Lösung wurde in § 51a EStG aufgenommen. Der zitierte Satz bezieht sich auf diese Problematik.

Ich hoffe, Ihnen mit der umfangreichen Antwort einen Gefallen getan zu
haben.

Mit freundlichen Grüßen

Eduard Oswald, MdB