Frage an Elke Ferner bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Elke Ferner
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Frage von Thomas B. •

Frage an Elke Ferner von Thomas B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Liebe Frau Ferner,

sicher sind Ihnen die Leitlinien von Justizminister Heiko Maas zur Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung geläufig? Demnächst steht diese Abstimmung ja auf der Agenda im Bundestag. Darin ist die Rede von hohen Datenschutzstandards. Wie hoch sind diese Standards? Die Speicherung der Daten soll nur in äußerst engen Grenzen erfolgen. Das entspricht nicht den technischen Gegebenheiten. Gespeichert muss alles werden, damit man anschließend filtern kann. Entweder ist diese Aussage falsch formuliert oder schlicht gelogen. Was halten Sie davon? Es sollen keine Persönlichkeits- und Bewegungsprofile erstellt werden. Aber genau diesen Zweck verfolgt man mit der Vorratsdatenspeicherung. Nur dadurch wird eine Auswertung sinnvoll nutzbar. Ist das nun wieder falsch formuliert? Die Provider müssen die höchstmögliche Sicherheit der Daten gewährleisten. Wie ist die höchstmögliche Sicherheit definiert? Wer kann jene Sicherheit gewährleisten? Ein neuer Straftatbestand "Datenhehlerei" soll geschaffen werden. Demzufolge wäre Hehlerei mit Daten bisher nicht strafbar gewesen? Was unterscheidet Datenhehlerei von Hehlerei? Nennen Sie mir bitte einen konkreten Fall, der den Richtlinien der Vorratsdatenspeicherung entspricht und bei welchem die Verwendung der Vorratsdatenspeicherung entscheidend zur Klärung beigetragen hat. Da ja bereits zwischen 2008 und 2010 ca. 2 Jahre die Vorratsdatenspeicherung zum Einsatz kam, muss es Ihnen möglich sein, wenigstens einen Fall zu präsentieren. Betroffene Personen brauchern ja nicht genannt zu werden. Nur durch eine solche Referenz lässt sich die Sinnhaftigkeit einer massenhaften und anlasslosen Datenspeicherung erörtern. Es wäre toll, wenn Sie möglichst konkret die jeweiligen Fragen beantworten könnten, anstatt Pauschalaussagen zu treffen.

Vielen Dank in Voraus,
Thomas Brück

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Sehr geehrter Herr Brück,

vielen Dank für Ihre Anfrage, entschuldigen Sie bitte die verzögerte Antwort. Mittlerweile liegt der Gesetzentwurf zur "Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten" unseres Bundesjustizministers Heiko Maas vor.

Zum Fragenkomplex Datensicherheit und welche Daten gespeichert werden:

Die von Ihnen angesprochenen Standards bei der Datenspeicherung umfassen folgende Punkte:
die Server müssen in Deutschland stehen, die Daten sollen vom Internet abgekoppelt gespeichert werden, es sind konkrete Verschlüsselungsverfahren vorgeschrieben und der Zugriff erfolgt nur nach 4-Augen-Prinzip (Zwei-Wege-Autorisierung). Das bedeutet, dass es zwei digitale Schlüssel gibt - einen beim Provider und einen bei den Behörden. Ein Schlüssel allein kann die beim Provider gespeicherten Daten nicht erhalten. Das geht nur, wenn beide digitalen Schlüssel zusammengelegt werden.

Die damit zu erzielende "höchstmögliche Sicherheit" wird durch den Rahmen der Gesetzgebung und den aktuellen Stand der Technik gewährleistet.

Die Grenzen der Speicherung beziehen sich auf die zu speichernden Datenarten (keine E-Mails) sowie auf die Dauer der Speicherung (Standortdaten 4 Wochen bzw. andere Verkehrsdaten 10 Wochen). Richtig ist, dass aus den Gesamtdaten zunächst über einen Filter die nach Gesetz zu speichernden Datenarten aussortiert werden.

Die Begrenzung liegt nicht in einem Anlass, sondern in der o.g. Differenzierung nach Datenart und Speicherfrist. Allerdings bedarf die Verwertung der Daten eines Anlasses. Die Daten dürfen von der Staatsanwaltschaft zur Verfolgung einzeln aufgeführter besonders schwerer Straftaten genutzt werden, insbesondere bei terroristischen Taten und anderen Delikten gegen Leib, Leben, Freiheit und sexuelle Selbstbestimmung, also etwa bei Mord, Totschlag oder schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern. Außerdem können die Länder ihre Polizeigesetze so ändern, dass ihre Polizei die Daten auch nutzen darf, um konkrete Gefahren für höchste Rechtsgüter (z.B. körperliche Unversehrtheit, Leben) abzuwehren.

Die dafür zu verwertenden Datenarten sind die Rufnummern der beteiligten Telefonanschlüsse, Zeitpunkt und Dauer eines Anrufs, bei Mobilfunk die Standortdaten sowie wann und wie lange eine IP-Adresse einem bestimmten Computer, Smartphone o.ä. zugeordnet war, d.h. wann von diesem Gerät das Internet benutzt wurde.

Zur Ihrer Frage, ob Persönlichkeits- und Bewegungsprofile erstellt werden:

Auch wenn das gerne bestritten wird: Ziel ist es nicht, Bewegungsprofile zu erstellen, sondern den Aufenthaltsort zu einem bestimmten Zeitpunkt herauszufinden. Der Zugriff der Staatsanwaltschaft ist nur auf genau zu bestimmende einzelne Zeiten möglich. Der Richter muss, wenn er den Zugriff erlaubt, exakt den Zeitpunkt der abzufragenden Daten festlegen. Das bedeutet, dass die Staatsanwaltschaft nicht die Daten von beispielsweise mehreren Tagen oder gar den gesamten Zeitraum der vier Wochen abrufen kann, um „mal zu schauen“, wo ein Verdächtiger war. Die Standortdaten dienen zudem dazu überhaupt herauszufinden, ob eine Person an mehreren Tatorten war. Beispielsweise kann bei Serienverbrechen geschaut werden, ob z.B. an drei Tatorten immer das gleiche Telefon eingeloggt war.

Zu Ihrer Frage zum Straftatbestand "Datenhehlerei":

Einen Straftatbestand zur Hehlerei mit Daten gibt es derzeit tatsächlich nicht bzw. nur in bestimmten Konstellationen. "Normale" Hehlerei bezieht sich auf körperliche Sachen. Daten sind keine Sachen im juristischen Sinn. Daher würden wir hier eine Gesetzeslücke schließen bzw. den Straftatbestand der Hehlerei endlich ins Internetzeitalter überführen.

Aufklärung und Prävention durch Vorratsdatenspeicherung:

Zumindest für die Aufklärung von Verbrechen können die gespeicherten Daten hilfreich sein. Dazu ein reales, sehr konkretes Beispiel: Über einen längeren Zeitraum hat ein Mann aus seinem Lkw auf andere Fahrzeuge und Gebäude geschossen - deutschlandweit insgesamt über 760-mal. Eine Pkw-Fahrerin wurde schwer verletzt und es war großes Glück, dass es nicht mehr Verletzte oder gar Tote gab. Die Ermittlungsbehörden haben daraufhin die Mobilfunkdaten eines Tatverdächtigen mit den Funkzellen mutmaßlicher Tatorte und Tatzeiten auf Hunderten von Kilometern deutscher Autobahnen abgeglichen. Dieser Abgleich der Daten verstärkte den Verdacht der Ermittler zum Beweis. Nur weil das Telekommunikationsunternehmen "zufällig" die Daten gespeichert hatte, konnte der Täter letztendlich überführt werden.

Gleichzeitig wird mit dem neuen Gesetzentwurf auch ein höheres Schutzniveau für den Zugriff auf Daten erzielt, indem die Telekommunikationsanbieter nicht nur zum Speichern der Daten nach den o.g. Vorgaben verpflichtet sind, sondern auch die Pflicht haben, diese nach Ablauf der Fristen zu löschen. Bisher gibt es keine zeitliche Begrenzung für die Speicherung von Daten.
Ich hoffe, ich konnte mit der Beantwortung Ihrer Fragen helfen, unseren Standpunkt ein wenig zu verdeutlichen.

Mit freundlichen Grüßen

Elke Ferner