Frage an Ewald Schurer bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Ewald Schurer
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Frage an Ewald Schurer von Michael N. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Grüß Gott Herr Schurer!

Unsere Verfassung, für die zu viele Menschen ihr Leben lassen mussten, ist seit mehr als 60 Jahren einer der Grundpfeiler von Frieden und Wohlstand in Europa ist. Deren größtes Vermächtnis der Schutz der Menschenwürde (Art.1) sowie die Meinungs- und Informationsfreiheit (Art.5), Post- und Fernmeldegeheimnis (Art.10) sowie die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art.13)

Mit zunehmendem Mißmut und Erschrecken verfolge ich die Diskussion um den sogenannten "Bundestrojaner". In den jüngsten Äußerungen von Herrn Innenminister Schäuble in der Presse dürfen wir erfahren, dass er die privatesten Geheimnisse jedes Bürgers und jeder Bürgerin der Bundesrepublik Deutschland erschnüffeln will.

Ich frage mich, ob Herr Schäuble sich der Tragweite seines Vorhabens bewusst ist. Auch ein Bundestrojaner ist nur ein Programm, dass von Spezialisten gefunden, untersucht und missbraucht werden kann. Denken Sie an den "Imageschaden", den jede staatliche Organisation davon zu tragen hat - E-Government wird durch den Bundestrojaner zu einem nicht abschätzbaren Risiko für die Daten eines jeden Bürgers und einer jeden Bürgerin (und Unternehmens). Wer kann elektronischen Veröffentlichungen und Webseiten einer Behörde noch trauen, wenn er stets befürchten muss, dass er beim Betrachten mit einem Bundestrojaner infiziert und beschnüffelt wird?

Mit dem "Bundestrojaner" hat er die Grenze dessen, was ein aufrechter Bürger dieses Landes vertreten kann, maßlos überschritten.

Nun meine Fragen:

1.) Wie würden Sie bei einer notwendigen Gesetzesänderung im Bundestag entscheiden?
2.) Würden Sie selbst zu jeder Tages- und Nachtzeit den Ermittlungsbehörden erlauben, ihre privaten Räume zu betreten, Ihre private Post und Ihre Unterlagen durchzulesen und zu kopieren, _O_H_N_E_ dass sie wüssten ob, wann, wie oft und durch wen genau dies geschieht/geschah?

Freundliche Grüße,

Michael Nausch

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Nausch,

vielen Dank für Ihre Anfrage, in der Sie mir Ihre Bedenken bezüglich des so genannten „Bundestrojaners“ schildern.

Die sich mittlerweile neu ergebene Sachlage durch das Bundesverfassungsgericht vom 27. Februar 2008 geht dabei teilweise auf Ihre Fragen ein. Demnach ist für eine Online-Durchsuchung zu präventiven Zwecken keine Änderung der Artikel 10 und 13 des Grundgesetzes nötig.

Das Gericht erkennt allerdings diesbezüglich ein Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme an, was ein Novum darstellt und zunächst den privaten Lebensbereich vor staatlichem Eingriff schützt.

Dies bedeutet nicht unbedingt, dass jede Online-Durchsuchung verfassungswidrig ist, jedoch werden dafür sehr hohe Hürden angelegt. Das bedeutet, es bedarf einer tiefgreifenden Rechtfertigung und strenger Voraussetzungen für den Gesetzgeber, Online-Durchsuchungen durchführen zu dürfen.

Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich schon während des Gesetzgebungsverfahrens für diese hohen Hürden ausgesprochen, um einen wirksamen Rechtsschutz für die Bürgerinnen und Bürger zu schaffen. Jede eingriffsintensive, verdeckte Ermittlungsmaßnahme darf beispielsweise auch weiterhin grundsätzlich nur durch einen Richter angeordnet werden.

Ihre Sicherheitsbedenken des „Bundestrojaners“ kann ich insofern entkräften, dass er nicht unmittelbar an Internetseiten von Bundesbehörden gebunden ist. Zwar ist die technische Umsetzung naturgemäß nicht im Detail bekannt, jedoch wird sie entsprechend rechtsstaatlicher Prinzipien und nur im Rahmen der Verfolgung von schweren Straftaten erfolgen.

Natürlich wird die SPD-Bundestagsfraktion dementsprechend auch weiterhin im parlamentarischen Prozess dafür Sorge tragen, dass der Einsatz verdeckter Ermittlungsverfahren und zum Zweck der Kriminalitätsbekämpfung mit hohen grundrechtssichernden und rechtsstaatlichen Schwellen verbunden ist. Diese Prinzipien gilt es letztendlich zu vertreten, zu bewahren und zu gewährleisten. Dazu haben auch die jüngsten verfassungsrechtlichen Entwicklungen beigetragen.

Mit freundlichen Grüßen

gez.

Ewald Schurer, MdB