Frage an Fritz Kuhn bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Fritz Kuhn
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage an Fritz Kuhn von Joachim P. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Hallo Fritz Kuhn,

Sie haben in der Bundestagsdebatte am 01.03.07 über den erweiterten Kampfeinsatz der Bundeswehr (500 Soldatinnen/ 7 Tornados) im Süden Afghanistan, an der Grenze zum Iran, erfrischend beherzt ihre Zustimmung mit der Bedingung eines Strategiewechsels verknüpft.
Von der unzureichenden Erfüllung des deutschen UNO Mandats, die Polizeikräfte, angesichts einer gefährlichen Gefahrenlage für die Zivilbevölkerung in Afghanistan, aufzubauen, sprachen sie nicht, auch nicht davon, daß von bisherigen Hilfsmitteln Deutschlands in Höhe von ca. 100 Millionen Euro (Quelle u. a. Reinhard Erös), ohne Rechenschaft gegenüber dem Bundestag, nur 30 Millionen Euro in dortigen Projekten angekommen sind.

Sie haben dem erweiterten Kampfeinsatz der Bundeswehr am 09.03.07 im Deutschen Bundestag zugestimmt.
Welcher Strategiewechsel hat Sie zu Ihrer Zustimmung geführt?

Tschüss
Joachim Petrick

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Petrick,

Unsere Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat den Antrag der Bundesregierung auf Entsendung von sechs bis acht Tornados zur Ergänzung der UN-mandatierten ISAF-Mission in Afghanistan
sehr genau geprüft, um den Nutzen eines solchen Einsatzes gegen die Risiken abzuwägen.

Die Lage in Afghanistan hat sich im Laufe des Jahres 2006 verschlechtert. Die Gefahr durch die reorganisierten Taliban wie auch die Terrorgefahr haben wieder zugenommen. Wiederaufbauprojekte - allen voran die Mädchenschulen - werden zunehmend Opfer von Überfällen und Zerstörung. Es gibt Regionen im Süden Afghanistans, in denen NGOs und Hilfsorganisationen nicht tätig werden können, weil es die Sicherheitslage nicht zulässt. Die so dringend benötigte sichtbare Aufbauleistung ist dort nicht möglich. Die Korruption nimmt zu und gefährdet das Ansehen und die Handlungsfähigkeit der neuen Regierung.

Nur mit einem grundlegenden Strategiewechsel, der die klare Priorität auf einen zivilen Aufbau legt, kann die schwierige Situation in Afghanistan im Sinne einer nachhaltigen Stabilisierung des Landes gemeistert werden.

Ich sehe die Chance eines Strategiewechsels und habe deswegen zugestimmt, weil die Aufklärungsfähigkeit der deutschen Tornados die Sicherheit der ISAF Truppen aber auch des zivilen Aufbaus erhöhen können.

Die Bundesregierung ist aufgefordert durch nationales Engagement, aber auch durch internationale Bemühungen auf der Ebene der EU, der Nato oder in bilateralen Gesprächen, etwa mit den Amerikanern, einen größeren Beitrag für einen Strategiewechsel der Nato in Afghanistan zu leisten und effektiv voranzubringen.

Dabei kommt es auf folgende Punkte an:
Wir müssen mehr für den zivilen Aufbau tun. Die Bundesregierung hat zusätzlich zu den bisherigen 80 Millionen weitere 20 Millionen Euro eingeplant. Das ist gut – reicht aber bei Weitem nicht aus. Die Kanadier haben ihren Beitrag um 200 Millionen Dollar erhöht, die Amerikaner um 2,0 Mrd. US-Dollar.
Es bedarf einer Gesamtanstrengung der Bundesregierung für den Wiederaufbau Afghanistans und einer besseren Koordination der zivilen Aufbaumaßnahmen im ganzen Land, um für die Bevölkerung wichtige sichtbare Erfolge zu schaffen.
Der dringend nötige Aufbau der Polizei, für den Deutschland verantwortlich ist, muss weiter aufgestockt werden. Wir erwarten, dass die Bundesregierung konkret erläutert, wie sie sich eine Verbesserung des Polizeiaufbaus vorstellt und was sie dazu beitragen will. Wir fordern eine Verdreifachung der Polizeiausbilder.
Wir wollen ein überzeugendes, schlüssiges Konzept der Bundesregierung bei der wichtigen Frage der Drogenbekämpfung. Es wird entscheidend darauf ankommen, die legale Wirtschaft – vor allem die Landwirtschaft – voranzubringen, um der Bevölkerung andere Einnahmequellen zu erschließen.
Wir brauchen eine neue Politik gegenüber Pakistan. Die Rückzugs- und Reorganisationsgebiete der Taliban auf pakistanischem Gebiet müssen entschlossener bekämpft werden.

Die Entscheidung der einzelnen Abgeordneten war eine Gewissensentscheidung. Wir führen in unserer Fraktion eine ernsthafte Debatte über den besten Weg der Stabilisierung des seit Jahren im Bürgerkrieg geschundenen Landes. Eine Rückeroberung durch die Taliban darf es nicht geben. Deutschland hat in Afghanistan über 630 Projekte auf den Weg gebracht. 7 Millionen Kinder können wieder in die Schule gehen, die Mädchenschulen wurden wieder eröffnet, und Frauen dürfen wieder einem Beruf nachgehen. Über 80 Prozent der Bevölkerung werden wieder basismedizinisch versorgt.

Wir haben eine Verantwortung für den Aufbau eines demokratischen Afghanistans. Das sind wir den Menschen in Afghanistan, den Soldaten und ihren Angehörigen, aber auch den vielen internationalen Helfern der NGOs schuldig.

Mit freundlichen Grüßen
Fritz Kuhn MdB