Frage an Fritz Schmalzbauer bezüglich Soziale Sicherung

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Fritz Schmalzbauer
DIE LINKE
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Frage von Adelbert R. •

Frage an Fritz Schmalzbauer von Adelbert R. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr verehrter Herr Schmalzbauer,
Folgender Artikel:
"Bald 50.000 "Hartz IV"-Klagen in der Hauptstadt
Berlin stockt wegen "Hartz-IV"-Klagen Zahl der Sozialrichter auf

Wegen der anhaltend hohen Zahl an Klagen von "Hartz IV"-Empfängern will Berlins Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) das Berliner Sozialgericht verstärken. "Wir werden 40 zusätzliche Richterstellen möglichst schon ab nächstem Jahr zu den bisher 85 Sozialrichtern beantragen", sagte die Justizsenatorin dem "Tagesspiegel". Dazu solle dieselbe Anzahl an Rechtspflegern kommen. "Wir können uns da keinen Flaschenhals erlauben, in dem die Klagen hängenbleiben", unterstrich von der Aue. An Deutschlands größtem Sozialgericht wird voraussichtlich in der kommenden Woche die 50.000. Klage im Zusammenhang mit den von der rot-grünen Bundesregierung beschlossenen "Hartz IV"-Regelungen."
http://www.ngo-online.de/ganze_nachricht.php?H=N&Nr=18472

Wenn man diese Nachricht liest, ist Hartz IV ein Gesetz ,in das sich die Legislative vergallopiert hat. Ist dieses sogn.Gesetz nicht schon deshalb ein Gesetz, da es mir u. auch anderen so erscheint, dass die Legislative der Judikativen übertragen wurde. Ist dies nicht mittlerweile ein Verfassungsverstoß gegen die Gewaltenteilung?
1€-Jobs müssen von den Almosenempf. angenommen werden, ansonsten wird deren Almosen gekürtzt.
Ist dies nicht Zwangsarbeit per Gesetz, welches im GG ausgeschl. wird? Der Almosenempf. kann dagegen klagen vor dem Sozialgericht, aber wie soll er mit einem gekürtzen Almosen (Existenzminimum) bis zur Entscheidung existieren?
Was halten Sie von den Tafelläden? Arme sollen eben das Essen, was die reicheren übriglassen. Schande über die Bundesregierung!
Was werden Sie als Parlamentarier tun, dass auch ärmere Bevölkerungsschichten einen breiten Bildungszug.erhalten, u. dass die Kinderarmut wirksam u. menschenwürdig beseitigt wird?
Geht es Ihrer Partei um die Verstaatlichung der Bäckerei um die Ecke, o.welche Bereiche wollen Sie der demokr. Kontrolle unterstellen?

MfG

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Ringwald,

die "Quellorganisation" WASG (Wahlalternative soziale Gerechtigkeit) hat sich aus Protest gegen die Agenda-Politik Schröder/Fischer von Gewerkschafter/innen und verärgerten Sozialdemokrat/innen gegründet. Ein Kernstück der damaligen, von SPD und Grünen zu verantworteten Politik waren die sog. Hartz-Gesetze, insbesondere Hartz IV. Von Anfang an kritisierten wir diese Drohkulisse gegen Arbeitssuchende mit verheerenden Folgen für sie und ihre Familie. Sie beschreiben nun die wachsende Bereitschaft, vor Sozialgerichten Klage zu erheben, wenn entsprechende Verwaltungsbescheide tief ins Privatleben eingreifen (Nachweispflicht, Auflösung von Erspartem usw.). Ich rate jedem/r Hartz-IV Betroffenen, Einspruch zu erheben und den Klageweg zu beschreiten. Insbesondere gewerkschaftlich Organisierten können auf die rechtliche Unterstützung zurückgreifen. Aber auch andere Betroffene sollten Klage einreichen, weil zumindest in dem bescheidenen Rahmen, den der Gesetzgeber gelassen hat, Verwaltungsbescheide abgeändert werden können. Darum ist die Berliner Entscheidung zu begrüßen, sofort mehr Kammern in den Sozialgerichten einzurichten.
Die LINKE fordert in einem ersten Schritt eine Aufstockung der Leistungen und eine grundsätzliche Streichung von Hartz IV zugunsten einer Regelung, die den von Arbeitslosigkeit Betroffenen nicht auflastet, was hoch bezahlte Manager und Politiker der etablierten Parteien zu verantworten haben.
Nun zu ihren Argumenten: Ich denke nicht, dass sich die Legislative (SPD/Grün) "vergaloppiert" hat. Diese und andere Regelungen, die den Sozialstaat fundamental in Frage stellen, wurden im Wissen um die Folgen - oder besser um genau diese Folgen zu erzielen - zum Gesetz erhoben. Ohne Rücksicht auf die soziale Lage und die Gründe, die oft nach langen Arbeitsjahren zur Arbeitslosigkeit geführt haben, sollte verstärkter Arbeitszwang (d.h. jede, auch erheblich schlechter bezahlte Arbeit anzunehmen). Ziel war die Senkung der Kosten der Arbeitslosigkeit auf dem Rücken der Arbeitslosen und zu Gunsten der Unternehmen. Außerdem wirkt die Lage nach Hatz IV so, dass Angst ein fortschrittliches Engagement bei Arbeitnehmer/innen einschränkt. Gewerkschaften, vor allem in den Dienstleistungsbereichen, bekommen das zu spüren.
Ich teile ihre verfassungsrechtlichen Bedenken. Auf Gerichte alleine würde ich aber nicht setzen. Wir werden nur dann eine soziale Wende erreichen, wenn es gelingt, einen neuen, breiten Widerstand zu erreichen, der dann in den Parlamenten aufgegriffen und verstärkt werden kann. Ohne Gewerkschaften und Sozialverbände, ohne eine sozialpolitisch verantwortliche Zivilgesellschaft wird das nicht gehen. Ohne politische Alternative auch nicht - ein guter Grund, in Bayern und anderswo DIE LINKE zu wählen.
Tafelläden - wir kennen Armenspeisungen aus der mittelalterlichen Gesellschaft. Das Problem der Armut (besonders erschreckend die Zahlen über die Kinderarmut) wird dadurch nicht beseitigt. Ich gebe ihnen recht, dass besonders diese Form nach "Wohlstandsmüll" richt - auch wenn es zunehmend Menschen gibt, die aus existenziellen Gründen darauf zurück greifen.
Als Parlamentarier werde ich tun, was die LINKE sagt: Jede gesetzliche Maßnahme wird auf ihre soziale Wirkung hin beurteilt, Mindestlöhne und Mindeststandards in der Arbeitswelt einfordern, unwürdige 1€ - Jobs und geringfügige Beschäftigung sind durch sozialversicherungspflichtige Arbeit zu ersetzen, wie es in vielen westlichen Nachbarländern zum sozialen Standard gehört.
Kinderarmut ist zu bekämpfende Elternarmut.
Die Bäckerei um die Ecke - na ja, auch der schadet, je nach Größe, ein Betriebsrat nicht. Und auch nicht Arbeitsschutzgesetze. Wenn ich aber von verstärkter demokratischer Kontrolle (Mitbestimmung) spreche, meine ich natürlich Betriebe, Unternehmen und Konzerne, die durch die Zahl der dort Beschäftigten und die Art ihrer Produktion eine gesellschaftlich relevante Größe haben. Hier gilt die Sozialverpflichtung des Eigentums in besonderem Maße. Die hohe Produktivität sichert immer noch hohe Gewinnmargen. Ein Grund mehr, dem Privatisierungswahn entgegenzutreten. Auf öffentliche Unternehmen hat die öffentliche Hand, haben Gemeinderäte, Länder oder der Bund einen Einfluss, der zu Gunsten des Gemeinwohls genützt werden kann. Wer das Tafelsilber verschleudert, hat irgendwann nichts mehr von Wert, über den er verfügen kann. Die CSU hat es vorgemacht.

Mit freundlichen Grüßen

Fritz Schmalzbauer
Spitzenkandidat DIE LINKE (OBB)