Frage an Georg Meiski bezüglich Recht

Georg Meiski
FREIE WÄHLER
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Frage von Ludwig S. •

Frage an Georg Meiski von Ludwig S. bezüglich Recht

Hallo Herr Dr. Meiski,

mich interessiert welche Reformen Sie im Bereich der Justiz anstreben wollen. Die Justiz und die Behörden waren des Öfteren in den Schlagzeilen. Stichworte: Polizeigewalt oder Sicherungsverwahrungen. Als Richter haben Sie doch dazu einen Einblick. Was muss getan werden? Welches Ministeramt würden Sie anstreben, sofern die FW an die Regierung in Bayern kämen und warum?

Antwort von
FREIE WÄHLER

Sehr geehrter Herr Schäfer,

eine funktionierende Rechtspflege ist das Rückgrat eines freiheitlichen und demokratischen Rechtsstaates. Was nutzt es, wenn die vom Bürger gewählten Abgeordneten Gesetze erlassen und sich niemand an diese Gesetze hält. Die Gerichte haben die generellen Wertungen des Gesetzgebers im Einzelfall anzuwenden und umzusetzen. Bislang konnten unsere Politiker mit dem Thema Justiz kaum Wähler interessieren. Obwohl zum Beispiel die Ziviljustiz ihre Kosten durch Gebühren zumindest nahezu deckt, ist der Kostendruck enorm. Die Kosten der Justiz sind denkbar gering und gehen im Staatshaushalt nahezu unter. Dabei haben die Aufgaben der Justiz in den letzten Jahren enorm zugenommen. Denken Sie nur an die Freiwillige Gerichtsbarkeit mit den großen Bereichen des Betreuungsrechts und vor allem auch des Familienrechts. Alleine diese Bereiche, welche in früheren Jahren eher Randgebiete darstellten, fordern heute enorme Ressourcen. Wenn neue und auch stark anwachsende Aufgabengebiete bewältigt werden sollen, ohne andere Aufgaben zu vernachlässigen, sind zusätzliche sachliche und personelle Mittel zwingend erforderlich. Die Justiz hat den Aufgabenzuwachs bislang im wesentlichen mit Rationalisierung der Arbeitsabläufe und Effizienz Steigerungen bewältigt, stößt aber dabei auch an Grenzen.
Wir brauchen eine starke und leistungsfähige Polizei, welche in der Lage ist, die Sicherheit des einzelnen zu gewährleisten. Unsere Polizeibeamten fühlen sich dabei nach meiner Beobachtung an Recht und Gesetz gebunden und halten sich streng an die Verfassung. Allerdings handeln auch hier nur Menschen, die bei der Erfüllung ihrer Pflicht auch Übereifer entwickeln können und auch unter einem erheblichen Erfolgsdruck stehen. Sie begegnen im Berufsalltag auch einer schwierigen Klientel mit hohem Konfliktpotential. Es ist deshalb sehr wichtig, daß unabhängige Richter vor wesentlichen Grundrechtseingriffen im Ermittlungsverfahren eingeschaltet werden. Diese müssen aber auch faktisch in der Lage sein, auf gesicherter Basis eine sachgerechte Entscheidung zu treffen. Diese Ressource allerdings dadurch zu verschwenden, daß sie in Entscheidungsvorgänge eingebunden wird, welche der Polizist vor Ort oder der Staatsanwalt selbst sachnäher treffen könnte, gefährdet das gesamte System. So dürfte schon zu erörtern sein, ob für die Anordnung einer Blutentnahme bei einem sichtlich alkoholisierten Autofahrer tatsächlich eine richterliche Entscheidung so viel mehr Rechtsstaatlichkeit bringt, als die Eilentscheidung durch den Staatsanwalt. Konzentration auf die wichtigen Fälle dürfte das Gebot der Stunde sein.
Der Fall Mollath hat das Interesse der Öffentlichkeit auf die Problematik der Sicherungsverwahrung gelenkt. Ohne auf diesen Fall konkret einzugehen möchte ich nur anmerken, daß vor diesem Fall der Justiz gerne vorgeworfen wurde, sie würde dem Opfer häuslicher Gewalt nicht glauben und schutzlos sich selbst überlassen. Täterschutz statt Opferschutz war der Vorwurf. Dieses Mal sind die Rollen anders verteilt. Ob jemand daran denkt, was Frau Mollath durchmacht, wenn sie tatsächlich vor Gericht die Wahrheit gesagt hat? Was wirklich war, werden wir wohl nie erfahren. Würden Sie an Stelle der Frau Mollath im neuen Verfahren noch einmal aussagen?
Das Gute an der öffentlichen Diskussion ist, daß dieser gesamte Bereich der Sicherungsverwahrung in das Licht der Öffentlichkeit gerät. Das erzeugt genügend Druck, über deren Sinn und auch deren Möglichkeiten gemeinsam nachzudenken. Es wurde in der Vergangenheit von Politikern gerne der Eindruck erweckt, durch Wegsperren könnte der Bevölkerung 100% Sicherheit garantiert werden. Jetzt müssen wir ernüchtert feststellen, daß 100% Sicherheit nur durch 100% Wegsperren zu erreichen ist und das will doch wohl niemand.
Meine Hoffnung ist, daß sich das Interesse der Öffentlichkeit auch einmal dem Strafvollzug widmet. Bislang konnte kein Politiker mit Arbeit auf diesem Themenfeld punkten, obwohl sicherlich auch hier enormes Verbesserungspotential schlummert. Haben Sie sich einmal gefragt, ob der Jugendstrafvollzug tatsächlich die ihm obliegende Aufgabe der Spezialprävention, also der Erziehung von Straffälligen, optimal erfüllt? Hier gibt es junge Menschen, die zwar Unrecht begangen haben, aber gleichwohl Teil unserer Gesellschaft sind und unserer Hilfe dringend bedürfen. Eine öffentliche Diskussion auch dieses Themas würde sicherlich viele gute Dinge anstoßen.
Für die Ziviljustiz habe ich den Wunsch, daß die qualitätsmindernden Eingriffe durch die Zivilprozeßreform endlich zurückgenommen werden. Ich meine, daß der Rechtssuchende einen Anspruch darauf hat, daß über seine Rechtsfälle am Landgericht eine Kammer und nicht nur ein Einzelrichter entscheidet. Eine Protokollführung durch einen Justizbeamten sollte, wie in den meisten anderen Ländern der zivilen Welt, Pflicht und Standard sein. Einen Einzelrichter mit einem Diktiergerät in eine Gerichtsverhandlung zu schicken, entspricht nicht der Bedeutung der Sache. Die Abschaffung des Bayerischen Obersten Landesgerichts durch Edmund Stoiber hat dem Ansehen der Justiz insgesamt nicht gut getan. Die dort gelieferte Qualität beruhte nicht nur darauf, daß dort gute Kollegen saßen, sondern daß genügend Zeit für das Anliegen der Bürger vorhanden war. Zeit ist für Qualität unabdingbar. Da mit Sicherheit Richter im nennenswerten Umfang nicht eingestellt werden, gilt es, die Verfahren von zeitraubenden und überflüssigen Nebenentscheidungen zu befreien. Muß es sein, daß der Richter über Prozeßkosten entscheidet und finanzielle Verhältnisse von Antragstellern prüft? Muß es sein, daß sich der Richter mit der Abrechnung von Sachverständigenkosten befassen muß? Muß es sein, daß sich der Richter mit dem Ausfüllen von Formularen, Ladungen und sonstigen Formalien befaßt? Es wurden in den vergangenen Jahren erhebliche Tätigkeiten, für welche Personal zur Verfügung stand, auf den Richter verlagert. Ob das die Qualität und Bürgernähe steigert?
Die Justiz bietet den Rechtssuchenden ein Mediationsverfahren an. Es bietet dem Bürger eine Möglichkeit, den vor Gericht anhängigen Interessenskonflikt umfassend aufzuarbeiten. Ich möchte an den Bürger appellieren, die ihm gebotenen Möglichkeiten auch wahrzunehmen. Von noch größerem Gewicht dürfte es für den Rechtssuchenden sein, ob er einen erstrittenen Titel später auch durchsetzen kann, also sein Geld vom Gegner auch bekommt. Leider geht hier der Rechtssuchende oftmals leer aus. Hier die Probleme in der Zwangsvollstreckung auszubreiten, würde jedoch den Rahmen der Antwort sprengen.
Was mich in der Strafrechtspflege stört ist, daß noch immer die Strafkammern in der Regel mit einer Notbesetzung arbeiten müssen, also nur mit zwei statt drei Berufsrichtern. Vorbild für diese Art der Einsparung war die Notbesetzung der Gerichte in Kriegszeiten. Uns sollte es jedoch der Bürger wert sein, daß eine vollständig besetzte Kammer über seine Zukunft entscheidet. Auch das sollte uns der Fall Mollath bewußt machen. Insbesondere dort, wo es um Beweiswürdigung, Überzeugungsbildung, Erfahrung, Bewertung und den persönlichen Eindruck geht, ist eine gemeinsame Entscheidung durch mehrere Berufsträger nicht zu ersetzen. Eine besondere Herausforderung stellen die Wirtschaftsstrafsachen dar. Hier müssen wir alles tun, um die Ausbildung und Fortbildung der Staatsanwälte und Richter weiter zu verbessern. Die sachlichen und personellen Mittel müssen den besonderen Anforderungen dieser Straftaten angemessen sein. Hier treten der Justiz oftmals Spezialisten gegenüber, die über unerschöpfliche Mittel verfügen. Die Justiz muß in diesen Fällen mithalten können und die Verfahrenshoheit behalten. Ich wage zu bezweifeln, daß ein Deal im Strafprozeß der Königsweg ist, um Rechtsfrieden und Gerechtigkeit herzustellen.
Insgesamt gilt, daß die Justiz das Beste aus den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln macht und ständig bestrebt ist, möglichst gut und schnell im Sinne der Bürger zu arbeiten. Im Landtag wird es genügend Gelegenheit geben, der Justiz dabei zu helfen. Eines Ministerpostens bedarf es dazu nicht.

Mit den besten Grüßen

Ihr
Georg Meiski