Frage an Gerlef Gleiss bezüglich Arbeit und Beschäftigung

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Gerlef Gleiss
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Frage an Gerlef Gleiss von Michael H. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Gleiss,

seit langem ist ersichtlich, dass Menschen mit Behinderungen überdurchschnittlich häufig von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Welche Vorschläge hat die Partei "Die Linke",um die Arbeitslosigkeit von Menschen mit Behinderungen zu reduzieren?

Mit freundlichen Grüßen

Michael Hartwig

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DIE LINKE

Guten Tag Herr Hartwig,

Vielen Dank für Ihre Frage.

Zunächst Folgendes:
Wir leben in einer Zeit, in der viele Menschen als „überflüssig“ ausgesondert werden: alte, kranke, pflegeabhängige, behinderte, aber auch Menschen, die nur keine oder die falsche Ausbildung haben oder die einfach nur „anders“ sind, die die Unternehmen nicht benötigen und wegrationalisieren. All diese Menschen brauchen zu ihrem Schutz und zum Überleben einen funktionierenden und finanziell ausreichend ausgestatteten Sozialstaat. DIE LINKE ist die einzige größere Partei, die ohne Wenn und Aber für den Erhalt und den Ausbau des Sozialstaats eintritt und die auch eindeutig gegen die „Agenda 2010“ ist. Um die Arbeitslosigkeit zu beseitigen, muss die Arbeitszeit für alle deutlich gekürzt und neue Arbeitsplätze durch den Staat geschaffen werden. Für beides sind drastische Eingriffe in die unternehmerische Freiheit erforderlich.

DIE LINKE will eine grundsätzlich andere Politik. Die Hamburger Landesregierungen – ganz gleich ob von der SPD oder der CDU oder den GRÜNEN gestellt – haben in den letzten Jahren durch Privatisierungen in wichtigen Bereichen der sozialen Versorgung – Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Bildung, Reha-Einrichtungen und Energie – der Politik immer mehr Handlungsmöglichkeiten genommen. Gleichzeitig haben sie durch eine Steuerpolitik für eine zunehmende Bereicherung Weniger bei gleichzeitiger Zunahme öffentlicher Armut gesorgt. Aber nur Reiche können sich einen armen Staat leisten. Pflege, Gesundheit, Eingliederungshilfe, Rehabilitation und Integration oder der Wohnungsbau dürfen nicht von den wirtschaftlichen Interessen einer kleinen Minderheit bestimmt werden.

DIE LINKE will eine Politik, die sich an den Interessen der großen Mehrheit der Bevölkerung ausrichtet, die niemanden aussondert oder zurücklässt und allen eine gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht. Alle anderen Parteien in der Bürgerschaft haben leider klar gesagt, dass sie mit DER LINKEN nicht zusammenarbeiten wollen. DIE LINKE braucht für ihre grundsätzlich andere Politik aber noch viel mehr UnterstützerInnen. Sie braucht Bündnispartner vor allem außerhalb des Parlaments: die Gewerkschaften, die Sozialverbände, kirchliche Gruppen, Migrantenorganisationen, aber auch die Behindertenerbände. Sie hat daher auch VertreterInnen dieser Gruppen auf vordere Plätze ihrer Kandidatinnenliste gewählt.

Die Werkstätten für behinderte Menschen sind eine kostspielige Sondereinrichtung. Für die behinderten Beschäftigten bedeuten sie einen skandalösen Durchschnittslohn von rund 150 Euro, weniger Rechte, aber ähnlich harte Arbeit wie in Betrieben des ersten Arbeitsmarktes und für die allermeisten, keine Chance da wieder raus und zu einem regulären Arbeitsplatz zu kommen. Sie bedeuten für viele behinderte Menschen eine Sackgasse. Die jetzt mit der gemeinsamen Holding von drei der vier großen Behindertenwerkstätten eingeleitete Fusion der drei Werkstätten zu einer privaten GmbH wird dazu führen, dass die Stadt sozialpolitische Steuerungsmöglichkeiten verliert. Betriebswirtschaftliche Effizienz wird noch mehr Vorrang bekommen vor Rehabilitation, Förderung und soziale Teilhabe der behinderten Mitarbeiter, mit der Folge, dass zunehmend die schwerstbehinderten Beschäftigten aus den Werkstätten verdrängt und in die Tagesförderstätten oder Pflegeeinrichtungen abgeschoben werden. DIE LINKE wird daher bevorzugt Initiativen und Projekte von behinderten Menschen, ihren Angehörigen und Organisationen unterstützen, die Arbeitsplätze als „unterstützte Beschäftigung“ außerhalb von Behindertenwerkstätten schaffen. Insbesondere das „Persönliche Budget“ kann und muss dafür genutzt werden. Die öffentlichen und privaten Arbeitgeber müssen aber gleichzeitig auch mit Nachdruck an ihre sozialpolitische Verpflichtung erinnert werden, Arbeitsplätze auch für behinderte oder ältere Menschen bereitzustellen. DIE LINKE befürwortet daher spürbare Maßnahmen, gesetzliche Auflagen u.a., die es den Arbeitgebern erschweren oder unmöglich machen, Arbeitsplätze, die schwerbehinderte Menschen besetzen könnten, wegzurationalisieren und Menschen zu entlassen, nur weil sie nicht produktiv genug sind.

Wir brauchen aber auch dringend parlamentarische und außerparlamentarische Initiativen, Kampagnen und Programme zur Verbesserung der beruflichen Integration behinderter Menschen. Berufsförderungswerke, Berufsbildungswerke und Beruflichen Trainingszentren, aber auch die Integrationsfachdienste bleiben unersetzliche Einrichtungen für die Ausbildung, Umschulung und Integration von behinderten und benachteiligten Menschen in den regulären Arbeitsmarkt. Sie müssen in der Hand der Stadt bleiben oder wieder dorthin zurück. Ihre Finanzierung darf nicht an den Vermittlungserfolg gekoppelt sein. Das würde nur dazu führen, dass die Konzentration auf der Vermittlung von leichter Behinderten liegen wird und die schwerbehinderten Menschen auf der Strecke bleiben. Die Bundesagentur für Arbeit muss in diesem Zusammenhang verpflichtet werden, die für Rehabilitationsmaßnahmen zur Verfügung stehenden Gelder auch auszugeben und nicht zu bunkern, um den Bundeshaushalt zu sanieren.

Praktika, Arbeitserprobungen und kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse gehören insbesondere für behinderte und benachteiligte Menschen zum beruflichen Alltag. Es muss daher sichergestellt sein, dass auch für solche Beschäftigungsverhältnisse Arbeitsassistenz, Kfz-Hilfe oder Fahrgelder bewilligt werden.