Frage an Günter Gloser von Josef M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Gloser,
würden Sie ihrem Nachbarn erlauben wollen sich jederzeit, ungefragt und zudem in unbegrenzter Höhe, an ihren Guthaben (letztlich ihrem gesamten Vermögen) zu bedienen?
Wohl kaum.
Nichts anderes geschieht aber mit Einführung des „ESM“, allerdings auf staatlicher Ebene. Dieser wird genau dazu „ermächtigt“. Und das ohne jede Kontrolle, irgendeine Art von Haftung der handelnden Personen, Fehlen von Einspruchsmöglichkeiten oder gar Kündigungsklauseln. Die Festsetzung der Vergütung für die handelnden Personen in Eigenregie ist da fast noch eine Randnotiz.
Das ist in den Augen vieler Menschen zutiefst undemokratisch und ist eine Aufgabe nahezu aller wichtigen Rechte des deutschen Parlaments (eine angebliche Alternativlosigkeit ist gelinde gesagt Schönfärberei, man will sich nur nicht mit den Alternativen – die es immer gibt – auseinandersetzen).
Wen wundert da noch die sprichwörtliche Politikerverdrossenheit.
Daher meine zwei Fragen:
Unterstützen Sie die Einführung dieses undemokratischen Konstrukts „ESM“ ?
Halten Sie das noch für vereinbar mit dem „Gewissen“ eines/einer Abgeordneten ?
Vielen Dank bereits jetzt für eine aussagefähige Antwort – Floskeln sind überall zu hören.
Mit freundlichen Grüßen
Josef Müller
Sehr geehrter Herr Müller,
vielen Dank für Ihre Fragen, die ich gerne beantworte. Sie suggerieren mit Ihren Aussagen, dass der ESM anderen Staaten einen unbegrenzten Zugriff auf den Haushalt der Bundesrepublik Deutschland gewährt, ohne dass eine Zustimmung des Bundestages und damit eine parlamentarische Kontrolle notwendig wäre.
Dies entspricht nicht den Tatsachen, da die Höhe der von Deutschland für den ESM bereitgestellten Mittel durch den Bundestag beschlossen wird und eine Erhöhung des finanziellen Beitrags ebenfalls der Zustimmung des Bundestages bedarf. Zusätzlich wird die eigentliche Vergabe der Mittel an Bedingungen geknüpft sein, die der Antragsteller zu erfüllen hat.
Meiner Ansicht nach wird der ESM dazu beitragen, die Währungsunion dauerhaft zu stabilisieren, was nicht zuletzt für Deutschland große Vorteile mit sich bringt. Beispielsweise gingen im Jahr 2011 rund 40% der deutschen Exporte in die Länder der Eurozone.
Darüber hinaus stimme ich mit meiner Fraktion darin überein, dass der ESM allein nicht alle Finanzprobleme in Europa lösen kann. Die Schaffung eines "Europäischen Währungsfonds" für die europäische Gemeinschaft ist daher eines unserer Ziele. Die Staaten Europas werden aufgrund der steigenden globalen Konkurrenz nicht als Einzelne auf dem Weltmarkt bestehen können. Deshalb sind zunehmend gemeinschaftliche, europäische Lösungen gefragt.
Ich frage mich, welche Alternative Sie für eine Absicherung der Eurozone aus europäischer und deutscher Sicht vorschlagen würden?
Auch wenn für mich aus Ihrem Schreiben nicht ganz deutlich wird, was genau Sie eigentlich für undemokratisch halten, so bin auch ich der Ansicht, dass in Zukunft sowohl das Europäische Parlament als auch die nationalen Parlamente im Verhältnis zu anderen EU-Organen gestärkt werden müssen, um die demokratische Legitimation zu sichern. Ich empfehle Ihnen zu diesem Thema eine kürzlich gehaltene Rede des Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD): http://www.europarl.europa.eu/the-president/de/press/press_release_speeches/speeches/sp-2012/sp-2012-may/speeches-2012-may-4.html
Aufgrund dieser Gründe, die für den ESM sprechen, werde ich dem Gesetz im Bundestag meine Zustimmung erteilen. Ich hoffe außerdem, dass Sie meine Argumente nicht automatisch für "Floskeln" halten, falls sie Ihre Meinung nicht bestätigen sollten.
Mit freundlichen Grüßen
Günter Gloser