Frage an Günther Beckstein von Michael H. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr Dr. Beckstein,
mein Sohn kommt langsam in das Schulalter und ich kann mir vorstellen, daß sich viele Eltern Sorgen um Ihre Kinder und deren Bildung machen. Was mir besonders Sorgen macht, ist der Umstand, daß unsere Kinder so früh bereits den Übertritt in das Gymnasium schaffen sollen. Mir sind die späteren Möglichkeiten bekannt, die ein Kind nach der 4. Klasse hat, dennoch übt diese Regelung starken Druck auf die Kinder und deren Eltern aus. Ich bin mir sicher, daß aus diesem Grund einige Eltern immensen Druck auf Ihre Kinder ausüben. Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen, daß ich damals (1978) den Notendurchschnitt nur knapp verfehlte, ich aber panische Angst vor der Aufnahmeprüfung hatte und sie deshalb nicht gemacht habe. Mit 10 Jahren sind viele Kinder nicht soweit, daß Sie den Anforderungen gewachsen sind, ein paar Jahre später sind es weitaus mehr. Könnte man diesen Druck nicht durch eine Änderung der Regelung von den Familien nehmen? Mit einem Hauptschulabschluss sind die Chancen nunmal schlechter, als mit einem Abitur. Gibt es Pläne den Übertritt in das Gymnasium zu verändern?
Vielen Dank schon an dieser Stelle.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Hausmann
Sehr geehrter Herr Hausmann,
In Bayern führen viele Wege zum Erfolg. Der Übertritt nach der vierten Klasse entscheidet nicht darüber, wie es weiter geht. Auch später stehen alle Wege nach oben offen. So hat beispielsweise ein Hauptschüler jedes Jahr die Chance, auf die Realschule zu wechseln. Von da aus geht es weiter. Bayern setzt Maßstäbe in Sachen Durchlässigkeit. Das Bayerische Schulsystem stellt darüber hinaus sicher, dass auch Absolventen der Hauptschule, etwa nach dem M-Zug oder einer Berufsausbildung, über die Berufliche Oberschule die Zugangsvoraussetzung für die Hochschule erwerben können. Die Berufliche Oberschule wird ab dem kommenden Schuljahr sogar flächendeckend eingeführt.
Die CSU steht für eine gemeinsame vierjährige Grundschulzeit von der ersten bis zur vierten Klasse. Eine Verlängerung um ein oder zwei Jahre bringt aus Sicht der CSU keine Vorteile und benachteiligt insbesondere die leistungsstärkeren Schüler. Das Übertrittsverfahren würde nicht entfallen oder entzerrt, sondern lediglich in eine spätere Jahrgangsstufe verlagert. Nach dem Erwerb der elementaren Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen entwickeln sich schnell Schüler mit überdurchschnittlicher Leistungsfähigkeit heraus. Die zunehmende Streuung der Interessen und Begabungen führt nachweislich bei längerer gemeinsamer Schulzeit zu einer Verlangsamung des Unterrichtstempos. Die Differenzierung nach der vierten Klasse fördert nachweislich die leistungsstärkeren Schüler, sie bietet aber auch bessere Vorraussetzungen für die Förderung der übrigen Schüler.
Wir werden dennoch mit einem erweiterten Beratungsangebot und der Ausstellung eines Übertrittszeugnisses mit Schulempfehlung für alle Schüler die Voraussetzungen für eine begabungsgerechte Schulwahl weiter verbessern.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Günther Beckstein, MdL
Bayerischer Ministerpräsident