Frage an Halina Wawzyniak bezüglich Soziale Sicherung

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Halina Wawzyniak
DIE LINKE
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Frage von Steffen M. •

Frage an Halina Wawzyniak von Steffen M. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrte Halina Wawzyniak,

den Medien ist zu entnehmen, dass die Hartz-4-Gesetze zeitnah verschärft werden sollen (siehe http://web.de/magazine/geld-karriere/aufrecht-netzwerk-wehrt-verschaerfung-hartz-iv-gesetze-30115488 ).

Insbesondere interessiert mich, wie die Bundesfraktion der Linken und Sie persönlich dazu stehen, dass unter anderem bei einem Umzug in eine Wohnung mit einer höheren Miete die Differenz nicht mehr vom Jobcenter bezahlt werden soll, was zur Folge hätte, dass zum Beispiel ein Wohnungswechsel von einem Niedrigmietengebiet in Ostdeutschland in ein Hochmietengebiet (Stuttgart herum und München) praktisch nahezu unmöglich gemacht wird.

Plant die Linke Gesetzesinitiativen, die grundsätzlich die Rechte von ALG-II-Empfängern gegenüber den Jobcentern stärken sollen, um diese Menschen vor willkürlichen Entscheidungen zu schützen? Als Beispiel nenne ich hier die Durchführung von ärztliche Untersuchen, die vom jeweiligen Sachbearbeiter nach eigenem Ermessen auch gegen den Willen der arbeitslosen Menschen einberäumt werden können.

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Müller,

ich danke Ihnen für Ihre Anfrage, die ich gern beantworte.
Natürlich ist es falsch und wird deshalb von uns abgelehnt, Hartz-IV-Beziehende mit immer härteren Sanktionen und Vorschriften noch mehr einzuschränken und zu diskriminieren, als dies ohnehin bereits geschieht. Wir waren von Beginn an gegen die sogenannten Hartz-IV-Gesetze und jede "Verschlimmbesserung", so auch die von Ihnen beschriebene, beweist nur, dass dieses gesamte Konstrukt darauf baut, Menschen, die keine Arbeit haben, zu demütigen und kleinzuhalten.

Für DIE LINKE ist Erwerbslosigkeit vor allem auf fehlende Arbeitsplätze zurückzuführen. Hartz IV dagegen stellt Erwerbslose unter den Generalverdacht, nicht arbeiten zu wollen. Diese Sichtweise lehnen wir ab.

Die 6,1 Millionen Hartz IV-Beziehenden sollen zum Jahreswechsel acht Euro mehr im Monat bekommen. Der Regelsatz für Alleinstehende soll dann um zwei Prozent von derzeit 391 Euro auf 399 Euro pro Monat steigen. Mit acht Euro mehr wird keinesfalls Armut und soziale Ausgrenzung bekämpft. Das Hartz IV-System muss generell abgeschafft werden. Denn niedrige Leistungen, Sanktionen und die Bedarfsgemeinschaftsregelung grenzen Betroffene aus und verletzen das Grundrecht auf eine ausreichende Existenz- und Teilhabesicherung eines jeden Menschen.
Wir fordern im ersten Schritt die sofortige Erhöhung der Regelsätze auf 500 Euro und die Abschaffung der Sanktionen und Bedarfsgemeinschaftsregelung. Unser Ziel ist in Übereinstimmung mit Beschlüssen des Europäischen Parlaments eine individuelle, sanktionsfreie Mindestsicherung in Höhe von derzeit 1.050 Euro.

Die von Erwerbslosigkeit und Hartz IV Betroffenen erleben tagtäglich die Bürokratie des Repressionssystems Hartz IV. So sollen künftig selbst angemessene Mietkosten nach einem Umzug nur dann bezahlt werden, wenn der Umzug vorher genehmigt wurde. Das klingt erst einmal harmlos. Es ist schon jetzt in vielen Städten verdammt schwer, im Rahmen der sogenannten angemessenen Unterkunftskosten eine Wohnung zu finden, die auch passt. Dann findet jemand womöglich eine Wohnung, es gibt Verzögerungen bei der Genehmigung von Amts wegen, und dann ist die Wohnung, ehe die Genehmigung erteilt worden ist, weg. Auch dies ist also ein falscher Vorschlag, der angesichts steigender Mieten geradezu zynisch wirkt.

Meine Fraktion hat Forderungen formuliert, die aus unserer Sicht schnell umgesetzt werden sollten, um die demütigende Behandlung von Arbeitslosen endlich zu beendigen und den Betroffenen nicht länger die Teilhabe an wesentlichen Bereichen gesellschaftlichen Lebens zu verwehren. Wir fordern:

Erstens: die Abschaffung des Konstrukts der Bedarfsgemeinschaft,

Zweitens: eine aktive Arbeitsmarktpolitik,

Drittens: die Abschaffung der Sanktionen bei Hartz IV,

Viertens. Die Sicherstellung, dass jedem in diesem Land ein soziokulturelles Existenzminimum garantiert wird. "Soziokulturell" heißt: Man muss sich sowohl Essen und eine Wohnung als auch eine Busfahrkarte und eine Tageszeitung leisten können.

Sie können hier< http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/011/1801115.pdf > den Antrag meiner Fraktion lesen, den wir im April 2014 in den Deutschen Bundestag eingebracht haben und mit dem gefordert wurde, Sanktionen bei Hartz IV und Leistungseinschränkungen bei der Sozialhilfe abzuschaffen.

Sie wissen, die Mehrheitsverhältnisse im Deutschen Bundestag geben wenig Anlass zur Hoffnung, es könnte sich eine parlamentarische Mehrheit für einen solchen Antrag oder ähnliche Initiativen finden. Nichtsdestotrotz werden wir weiter parlamentarisch dafür kämpfen, dass die gesetzlich verordnete Armut namens Hartz IV verschwindet. Ohne außerparlamentarischen Druck allerdings wird dies nicht gelingen.

Herzliche Grüße

Halina Wawzyniak