Frage an Hans-Christian Ströbele bezüglich Finanzen

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Hans-Christian Ströbele
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Friedrich H. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Friedrich H. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Ströbele,

auf Ihrem aktuellen Plakat fordern Sie die Entwaffnung der Finanzmärkte.

Waren es nicht die Grünen mit Ihnen als stellv. Fraktionsvorsitzenden, die während der rot-grünen Regierungszeit die Finanzmärkte u. a. mit der Zulassung von Hedge-Fonds erst bewaffnet haben?

Mit freundlichen Grüßen,
Friedrich Hainer

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Hainer.

Nein bewaffnet habe ich die Finanzmärkte nicht. Richtig ist, daß 2003, also unter Rot/Grün, ein Investmentmodernisierungsgesetz im Bundestag verabschiedet wurde und zwar einstimmig ohne Gegenstimme und ohne Enthaltung - auch nicht von PDS-Abgeordneten. Soweit ich erinnere, war ich bei der Abstimmung nicht anwesend. Die Finanzpolitik gehörte nicht zu den Themen, mit denen ich damals im Bundestag befaßt war und in denen ich mich auskannte. Vor einer im Jahr 2008 bevorstehenden weltweiten Finanzkrise ahnte damals kaum einer etwas und ich selbst auch nichts.
Mit dem Investmentmodernisierungsgesetz sollten neben vielen anderen Regelungen im Finanz-und Wirtschaftsbereich nicht einfach Hedge-Fonds in Deutschland zugelassen werden, sondern der "Anlegerschutz verbessert", und, wie es in dem Gesetz ausdrücklich heißt, "erstmalig Regelungen zur Zulassung und Regulierung von Hedgefonds (Sondervermögen mit zusätzlichen Risiken) ins Gesetz aufgenommen werden". Der deutsche Gesetzgeber versuchte die Zulassung solcher Fonds von mehr Transparenz, der Einhaltung von Melde-, Genehmigungs- und Rechnungslegungspflichten abhängig zu machen und damit erstmalig die Anleger zu schützen. Der Versuch erwies sich bald als unzulänglich und illusorisch, schon weil die Hedgefonds, die in Deutschland eifrig Kapitalanleger sammelten, weiter ihren Sitz im Ausland behielten. Gerade wegen der geforderten Kostentransparenz und der deutschen Regulierungsvorschriften haben sie von der Regelung für Deutschland, die in dem Gesetz vorgesehen war, fast gar keinen Gebrauch gemacht.
Zudem sind die "Giftpapiere", die die Auslöser für die Finankrise darstellen, nicht über den rechtlichen Rahmen des Inverstmentgesetzes geflossen. Dieser Handel lief über den grauen Kapitalmarkt, wobei deutschen Banken in der Regel nur Zweitbezieher waren. Das Gesetz konnte also auch diese Vorgänge nicht beeinflussen.

Zusammenfassend kann man sagen, das Investmentgesetz hat die Finanzkrise weder beschleunigt, noch die Akteure wesentlich beeinflußt. Die spekulativen Finanzmärkte wurden leider nennenswert nicht reguliert, zur Kontrolle der internationalen Finanzmärkte wurde zu wenig getan, aber in Deutschland wurden die Finanzmärkte mit dem Gesetzt nicht bewaffnet, sondern versucht, wenigstens einer Teilentwaffnung vorzunehmen, die leider mißlang.

Ich wußte damals noch wenig über Hedgefonds und die Kapitalmärkte. Das war für mich alles kaum durchschaubar. Aber das, was ich damals schon wußte, trieb mich an die Seite von Herrn Müntefering, als dieser gegen die Heuschrecken zu Felde zog. Selten war ich so an seiner Seite wie auf diesem Feldzug. Das habe ich auch immer wieder in der Fraktion und sonstwo laut gesagt.

Im Mittelpunkt meines letzten Wahlplakates für 2005 findet sich dann folgerichtig auch die Szene, wie ich mit dem Fahrrad offensichtlich versuche, eine große Heuschrecke zu überfahren. Also bereits 2005 war die Bekämpfung der gefräßigen Heuschrecken eine meiner zentralen Wahlkampfforderungen.

Als dann 2008 die Finanzkrise auch in Deutschland aufschlug, habe ich mit der ganzen grünen Fraktion gegen das Finanzmarktstabilisierungsgesetz gestimmt. Dieses NEIN zu dem Gesetz im Bundestag war immer auch damit begründet, daß das Parlament damit sein Haushaltsrecht praktisch und ohne Not aufgibt und nicht mal sicherstellt, daß es von der Bundesregierung informiert wird, unter welchen Bedingungen die Hunderte von Milliarden Euro an Banken und Unternehmen ausgereicht werden. Wir haben die Forderungen nach Transparenz der Entscheidung der Bundesregierung und Mitbestimmung des Bundestages in zahlreiche Anträge im Parlament artikuliert und eingebracht. Wir haben uns für die Einsetzung des Untersuchungsausschusses zur Aufklärung eines Teiles der Finanzkrise stark gemacht. Ich habe in zahlreichen parlamentarischen Anfragen versucht von der Bundesregierung Auskunft über die Finanzhilfen für Banken zu erhalten. Vergeblich.
Und ich werde mich, wie auf dem Wahlplakat angekündigt, nach der Wahl besonders für die Entwaffnung oder auch Unschädlichmachung der Finanzmärkte engagieren.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele