Frage an Hans-Christian Ströbele bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Hans-Christian Ströbele
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Peter L. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Peter L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Ströbele,

das Bundesverfassungsgericht genießt bei mir ein sehr hohes Ansehen, da es nun bereits mehrfach (und erschreckenderweise) den Regierungsparteien die "rote Kelle" bezüglich diverse umstrittener Gesetzesvorhaben gezeigt hat.
Im Zuge des EU-Reformvertrages soll wohl eine sehr große Einfluß vom EugH ausgehen. Damit verliert das Bundesverfassungsgericht leider Kompetenzen, was das Gericht wahrscheinlich dazu bewog, gewisse Schranken bei der Ratifizierung zu setzen. Nun las ich unter http://www.heise.de/tp/blogs/8/143318 , dass "Regierungsnahe Juristen" planen, dem BVerfG Einfluß zu nehmen, um zukünftigen Kompetenzstreitigkeiten den Boden zu entziehen.
Können Sie dies bestätigen? Gehören Sie, was ich nicht glaube, zu diesen Juristen?

Ist das EugH eigentlich als unabhängig von den aktuell Regierenden anzusehen, wenn die Richter von selbigen für 6 Jahre nominiert werden (mit der Aussicht auf Verlängerung) und bei fürstlichen Gehältern (ca. 20.000€/Monat)? Sieht der EU-Reformvertrag eine Änderung dieser Besetzungs-Praxis vor?

Warum darf eigentlich ich als Büger nicht über diesen wichtigen Vertrag abstimmen, wenn da so weitreichende Änderungen drinstehen?

Freundliche Grüße

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Lehmann.

Auch ich hätte es für richtig gehalten, wenn über die EU-Verfassung eine Volksabstimmung auch in Deutschland stattgefunden hätte. Grundsätzlich gibt die Bevölkerung sich eine Verfassung und niemand sonst. So sieht es das Grundgesetz dies vor. Jetzt ist es keine Verfassung mehr, sondern der Lissabon-Vertrag. Das Parlament hat diesem mit großer Mehrheit zugestimt.Das Bundesverfassungsgericht hat daran verfassungsrechlich nichts auszusetzen.

Aber es hat in seiner Entscheidung dem Parlament in der Möglichkeit, weitere Souveränitätsrechte an Europa abzugeben, Grenzen gesetzt und sogar betont, selbst eine Zweidrittelmehrheit des Bundestages dürfe dies nicht. Das sei der Bevölkerung vorbehalten, die direkt in einer Volksabstimung entscheiden müsse.

Ich begrüße dies, wie ich auch die Entscheidungen des Bundesverfassungsgericht begrüßt habe, die diesem Gericht, also sich selbst, weiterhin eine Zuständigkeit für die Wahrung der Grundrechte des Grundgesetzes zusprechen.

Von einem ernsthaften Regierungsplan, die Befugnisse des Bundesverfassungsgerichts zu ändern und einzuschränken, weiß ich nichts. Es gibt immer wieder ärgerliche Sprüche und Kommentare, wenn das Bundesverfassungsgericht der Regierung und dem Bundestag mal wieder bescheinigt, daß sie die Verfassung verletzt haben. Aber von einem Bemühen, dem Gericht durch Gesetzes- oder gar Grundgesetzänderung die Flügel zu stutzen, habe ich nichts gehört. Ich nehme auch an, daß es dafür keine Mehrheit im Bundestag geben würde. Ich jedenfalls wäre strikt dagegen. Bundestag und Bundesrat können ohnehin langfristig Einfluß auf die Rechtsprechung dieses Gerichts nehmen. Schließlich werden die Richter am Bundesverfassungsagericht von Bundestag und Bundesrat ausgesucht und gewählt. Die grüne Fraktion hatte vor der Sommerpause noch mit einem Gesetzentwurf versucht, das Auswahlverfahren für die Verfassungsrichter transparenter und demokratischer zu gestalten. Leider ohne Erfolg. Die große Koalition hat den Entwurf abgelehnt. Sie will sich diese Möglichkeit, die Verfassungsrichter selbst, allein und geheim auszuwählen, nicht nehmen lassen.

Danke für Ihren Hinweis auf das Wahlverfahrens der Richter des EUGH. Wir werden prüfen, wie die Auswahl der Richter für dieses Gericht läuft und ggffs. Auch dazu Änderungsvorschläge machen.

Mit freundlichem Gruß

Ströbele