Frage an Hans-Christian Ströbele bezüglich Soziale Sicherung

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Hans-Christian Ströbele
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Ulrich G. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Ulrich G. bezüglich Soziale Sicherung

Sie schreiben, dass durch die Einführung eines Grundeinkommens die Umverteilung der Reichtümer nicht genügend realisiert würde. Ich denke, es kann aber auch dazu einen Beitrag liefern.

Ich denke nämlich, dass nach der Einführung eines Grundeinkommens böswillige Arbeitgeber die Arbeitnehmer nicht weiter mit Minimallöhnen für gute Arbeit abspeisen werden können, weil das Grundeinkommen den Arbeitnehmern die Freiheit geben wird, ohne direkte Aussicht auf eine andere Arbeit zu kündigen, so wie es der Arbeitgeber im Prinzip schon immer kann.

Auch die von Götz Werner vorgeschlagene Finanzierung über Konsumsteuern trifft in meinen Augen die richtigen, nämlich diejenigen, die aus den von ihnen besessenen Unternehmen die Gewinne für private Zwecke abzweigen, statt sie zu investieren. Da findet schon eine Umverteilung statt. In der Kombination mit dem Grundeinkommen sind Konsumsteuern auch nicht mehr unsozial.

Was meinen Sie zu dem Gedanken über die Folgen einer gesteigerten Unabhängigkeit der Arbeitnehmer?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Gutdeutsch.

In den letzten Monaten war ich mit unaufschiebbaren Aufgaben zu anderen Themen überlastet. Zu der weiteren Beschäftigung mit den Problemen des Grundeinkommens fehlte mir die Zeit. Erst jetzt in der Sommerpause des Parlaments komme ich dazu, die liegengebliebenen mails zu beantworten.

Wie ich schon mitgeteilt hatte, ist die Idee erstmal faszinierend einfach und auch geeignet viele Probleme und Mißstände der heutigen Arbeitslosen- und Sozialversicherung zu lösen. Vor allem daß Überwachung, Druck und Zwang auf die eh schon geug geschundenen Arbeitslosen wegfallen würde, wäre ein großer Fortschritt. Aber es bleiben die Nachteile, die auch durch Ihre Einwände nicht beseitigt werden. Gerade die gegenteilige Wirkung könnte eintreten, nämlich daß Angestellte sich mit weniger Lohn für dieselbe Arbeit zufrieden geben, weil sie ja noch das Grundeinkommen haben. Arbeitgeber könnten geradezu darauf spekulieren, daß sie die Löhne und Gehälter niedriger halten mit dem Hinweis, es kommt ja noch das Grundeinkommen hinzu. Es gibt heute schon Äußerungen von Arbeitgeberseite, die mit diesem Argument der eigenen Entlastung durch geringere Arbeitskosten argumentieren. Das ist ja auch der Pferdefuß von Theorie und Praxis der Zahlung von staatlichen Lohnzuschüssen. Der Verweis der Unternehmen, sie könnten nicht mehr zahlen wegen der Konkurrenz aus den Billiglohnländern wird ja bleiben, und in Zukunft eher an Gewicht gewinnen.

Die von Götz Werner vorgeschlagene Finanzierung über eine drastische Erhöhung der Mehrwertsteuer auf dreißig, vierzig oder gar mehr Prozent halte ich für ganz falsch. Durch die Konsumsteuern werden die kleinen Einkommen unverhältnismäßig stärker belastet. Deshalb haben wir ja auch die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 3 Punkte nicht mitgetragen. Die Preisen für Waren und Dienstleistungen würden entsprechend drastisch steigen, so daß das geplante Grundeinkommen in Höhe von 800,- oder auch 1000,- Euro für die Deckung der Mindestbedürfnisse nicht ausreichen würde. Also müßten die Gruneinkommen höher angesetzt werden und konsequent auch die Erhöhungen der Mehrwertsteuer entsprechend steigen. usw. Auch die Löhne müßten entsprechend angepaßt werden. Ein Kreislauf würde in Gang gesetzt, dessen Ende schwer abzuschätzen wäre. Nein eine Finanzierung über die Erhöhung der Mehrwertsteuer halte ich nicht für richtig.Ich sehe auch nicht, woraus Sie den Umverteilungseffekt entnehmen.Die privaten Entnahmen der Unternehmer sind doch nicht das Problem. Sie fallen im Vergleich zu den sonstigen Entnahmen und Gewinnen in der Regel kaum ins Gewicht.

Deshalb müssen andere Einnahmemöglichkeiten aus Steuern und Abgaben erschlossen werde, dazu gehören Vermögenssteuer, Erhöhung der Grund-, Erbschafts-, und Unternehmenssteuer. Da es aber um riesige Milliardensummen geht, würde auch dies kaum ausreichen. Zumal ja die Finanzierung von Ausbildungs- und Fördermaßnahmen für Arbeitslose auch weiter finanziert werden sollten.

Richtig ist wieder, daß für viele Arbeiter, Arbeiterinnen und Angestellte mehr Unabhängigkeit geschaffen würde, denn eine drohende Arbeitslosigkeit würde die schlimmsten Schrecken verlieren. Aber täuschen wir uns nicht, auch ein Grundeinkommen wäre nicht so hoch, daß in der Regel der Lebensstandard von Normalverdienern gehalten werden könnte. Ein Teil des Schreckens der Arbeitslosigkeit bliebe also stets. Es gibt noch viel zu diskutieren über die Probleme von Grundseinkommen, d.h. nicht daß wir die Idee zu den Akten legen sollten.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele