Frage an Hans-Christian Ströbele bezüglich Recht

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Hans-Christian Ströbele
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Roberto G. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Roberto G. bezüglich Recht

Was passiert mit dem Grundgesetz sollte die EU-Verfassung wie geplant in Kraft treten?

Steht die EU-Verfassung also über, neben oder unter dem Grundgesetz?

Schließlich heisst es im EU-Verfassungsvertrag:

"Die (EU-) Verfassung und das von den Organen der Union in Ausübung der ihnen zugewiesenen Zuständigkeiten gesetzte Recht haben Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten."

Damit wird doch klar unser Grundgesetz ausgehebelt.

Wie verhält es sich mit dem Schiessbefehl gegen Regimekritiker:

"a) Artikel 2 Absatz 2 EMRK:

“Eine Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie durch eine Gewaltanwendung verursacht wird, die unbedingt erforderlich ist, um

a) jemanden gegen rechtswidrige Gewalt zu verteidigen;

b) jemanden rechtmäßig festzunehmen oder jemanden, dem die Freiheit rechtmäßig entzogen ist, an der Flucht zu hindern;

c) einen Aufruhr oder Aufstand rechtmäßig niederzuschlagen”.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Gatelli.

Die EU-Verfassung wird wohl nicht so, wie vom Bundestag verabschiedet, in Kraft treten. Es bleibt abzuwarten, was bei den Regierungsverhandlungen rauskommt und noch übrig bleibt.

Die EU-Verfassung geht nicht immer den Bestimmungen des Grundgesetzes vor. Das Bundesverfassungsgericht hat sich vorbehalten, in bestimmten Fällen zur Wahrung von Grundrechten und der Grundwerte des Grundgesetzes einzugreifen. Im übrigen urteilen Europäischer Gerichtshof und Bundesverfassungsgericht durchaus nicht immer einheitlich über die Abgrenzung von europäischem und nationalem deutschen recht.

Artikel 2 der Europäischen Menschenrechtkonvention gilt wie diese insgesamt seit 1953 in der Bundesrepublik Deutschland als innerstaatliches Recht. Trotzdem heißt das nicht, daß damit die Todesstrafe wieder eingeführt wird, die in Artikel 2 Absatz I erwähnt ist und die Vorschrift des Absatz II wird nicht dahin ausgelegt, daß damit ein Recht zum Töten in den genannten Fällen gegeben wird. In diesen Fällen findet nur der Absatz I keine Anwendung. Die in Deutschland geltenden sonstigen Gesetze und auch die Bestimmungen des Grundgesetzes, die für private oder staatliche Notwehr regeln, werden damit nicht außer Kraft gesetzt. Sie sind nicht berührt. Aber ich gebe Ihnen recht. Der Artikel gibt so, wie er gelesen werden kann, zu Mißverständnissen Anlaß.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele