Frage an Hans-Christian Ströbele bezüglich Recht

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Hans-Christian Ströbele
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Joachim P. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Joachim P. bezüglich Recht

Der BGH hat die Assekuranzen in Deutschland nach jüngst ergangenem rechtskräftigen Urteil zur Transparenz in ihrem Finanzgebaren gegenüber dem Verbraucher und dem Staat verpflichtet.
Frage:
Sollte der Banken-und Sparkassensektor in Deutschland in gleicherweise zur Transparenz in seinem Finanzgebaren insbesondere bei der Gestaltung seiner Zinsstruktur für Dispostionskredite (s.a. Hamburger Abendblatt Kommentar letzte Woche ) gesetzlich verplichtet werden? Sollte Alg-Empfängern das Recht eingeräumt werden, hochverzinsliche Dispostionskredite in niegrigverzinslichte Ratenkredite umzuschulden, bisher wird dieser Zielgruppe dieses Recht sogar von öffentlich-rechtlichen Sparkassen vorenthalten!
Sollte der gesetzlich festgelegte Unterhaltssatz von Euro 345.-/332.- Alg II von Zinszahlungen freigestellt werden, um weitere Verelendung zu verhindern? Sollten diese Zinszahlungen vom Staat übernommen werden? oder sollte das Insolvenzrecht entsprechend zu Lasten der Gläubiger geändert werden?

Halten Sie die Frage "Können wir uns den Sozialstaat überhaupt noch leisten?" für ebenso absurd wie die unmögliche Frage von Tschechen an die realen Hamburger "Können wir es uns überhaupt noch leisten, das Wasser der Elbe einfach über Dresden nach Hamburg rauschen zu lassen, wo doch die Hamburger das Wasser der Elbe einfach ungestaut und unkommentiert in die Nordsee stromern lassen?" Danke! für die Antwort!

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Petrick,

wirklich herzlichen Dank für Ihre Fragen, die für sehr viele Menschen interessant sein dürften. Herr Ströbele hat mich gebeten, Ihnen zu antworten.

Leider sind in der Öffentlichkeit offenbar einige sehr wichtige Verbraucherrechte gar nicht bekannt. Natürlich setzen wir uns für eine größtmögliche Transparenz bei Finanzprodukten ein und begrüßen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ebenso wie die oft sehr verbraucherfreundliche Rechtsprechung des BGH zu Bankgebühren, Zinsen und Bankprodukten.
Bei Dispositionskrediten müssen die Zinssätze schon auf Grund der Preisangaben-Verordnung ausgezeichnet werden. So kann jeder Verbraucher die verschiedenen Marktangebote vergleichen und entscheiden, ob das Angebot attraktiv ist. Eine Offenlegung der bankinternen Kalkulation wird hier keinen Mehrnutzen für die Verbraucherentscheidung bringen.
Ihre weitere Frage geht offenbar davon aus, dass eine Umschuldung eines Dispositionskredits in einen Ratenkredit gesetzlich nicht möglich sei. Hier gibt es keine gesetzliche Vorschrift, die das verbietet. Vielmehr ist die Umschuldung der auch von Banken gewählte übliche Weg. Schuldnerberater beklagen sogar, dass durch einen Dispositionskredit der Einstieg in die Schulden erleichtert wird und manchem Schuldner zu schnell und ohne Prüfung der Rückzahlmöglichkeiten ein Kredit eingeräumt wird. Einer Umschuldung steht also rechtlich nichts entgegen. Vielen Schuldner ist allerdings gar nicht klar, dass sie für die schnelle Verfügbarkeit eines Dispositionskredits einen viel höheren Zins zahlen, als für einen festen Ratenkredit. Ein Gespräch mit der Bank und vor allem Vergleiche der verschiedenen Kreditinstitute lohnen sich.
Auch beim ALG II haben Verbraucher Rechte. Bis zu 990 Euro monatlich sind gemäß § 850 c ZPO unpfändbar. Das gilt für alle Arten von Einkommen. Der Betrag erhöht sich, wenn unterhaltspflichtige Personen zu unterstützen sind.
Damit wird das Existenzminimum gesichert. In der Praxis der Schuldnerberatungen treten allerdings häufig Probleme auf, wenn die Kreditzahlungen vollständig eingestellt werden. Mahnungen, Kredit- und Kontokündigung sowie Pfändungen sind oft die Folge. Es empfiehlt sich, die jeweilige persönliche Finanzsituation und die nächsten Schritte mit Hilfe einer Schuldner- oder Verbraucherberatungsstelle zu besprechen.

Für weitere Fragen stehen wir auch jenseits von Wahlkampf und kandidatenwatch gern zur Verfügung, wenn auch die Sachverhalte meistens erst geprüft werden müssen.

Im Gegenzug sehen Sie mir hoffentlich nach, wenn ich Ihren Elbwasser-Vergleich einfach so stehen lasse und darauf verzichte, verschiedene Absurditäten gegeneinander abzuwägen.
Aber das eine reiche Gesellschaft wie die unsere sich nicht nur einen Sozialstaat leisten kann, sondern auch muss, halte ich für evident.

Mit freundlichen Grüssen

Dietmar Lingemann

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Kurt-Dietmar Lingemann
Wiss. Mitarbeiter MdB Ströbele