Frage an Hans-Christian Ströbele bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Hans-Christian Ströbele
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Karl J. S. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Karl J. S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Ströbele,

was halten Sie davon, Internetseitenbetreiber dazu zu verpflichten, persönliche Informationen von Personen (insbesondere Name, Adresse) auf deren ausdrücklichen Wunsch in jedem Fall löschen zu lassen? Zu Beginn des Internetzeitalters, aber auch heute noch, machen viele Menschen (insbesondere Schüler) unbewusst über die möglichen Konsequenzen, die das später bei Bewerbungen, Job etc. haben wird, unter Angabe von Namen und Adressen politische Statements ab, machen in z.T. fragwürdigen Internetforen fragwürdige Aussagen oder geben an sich harmlose, jedoch für Ausbildung und Beruf unvorteilhafte Kommentare ab. Dann haben sie im Nachhinein, trotz geistigem Reifungsprozess und gestiegenem Bewusstsein für Datenschutz auch nach Jahren keine Möglichkeit, diese einmal getätigten Aussagen zurückzunehmen. Sie können allenfalls den Betreiber darum zu bitten, doch eine grundsätzliche gesetzliche Verpflichtung zur Löschung besteht nicht, schon gar nicht, wenn nebenbei noch ausdrücklich eingewilligt wurde, Namen und Kommentar öffentlich zu machen. Viele dürfen dann auch nach Jahrzehnten eigene peinliche oder fragwürdige Aussagen unter vollem Namen im Internet lesen, ohne dass für Dritte ein Wandel der Ansichten und dergleichen nachvollziehbar wird. Da hat ein gewöhnlicher Krimineller es ja leichter, mit seiner Vergangenheit abzuschließen, sofern er sich niemals im Internet offenbart hat.

Von Datenschützern wurde in die öffentliche Debatte eingebracht, dass derartige persönliche Informationen ein "Verfallsdatum" bekommen sollten. Dieses wäre auszuweiten auf die Möglichkeit, Namen und Adressen auch von Namenslisten und über Suchmaschinen auffindbare Dokumente (Chatprotokolle, Forenprotokolle, namentlich untersützte politische oder gesellschaftliche Statements) entfernen zu lassen. Was halten Sie davon, bzw. haben Sie dazu bessere Vorschläge?

Mit freundlichen Grüßen,

Karl J. Schmilter

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Schmilter,

Zunächst einmal brauchen wir eine grundsätzliche Novellierung des Datenschutzgesetzes, weil es entstanden ist, als vieles der heutigen IT-Technik noch unbekannt war. Die Grünen fordern dies seit mehr als einem Jahrzehnt und hatten 1996 einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt.

Ihr Gedanke ist mir grundsätzlich sympathisch, persönliche Informationen im Internet auf Verlangen des Betroffenen unter bestimmten Voraussetzungen unzugänglich zu machen. Über Einzelheiten wird man noch zu diskutieren haben.

Schon heute kann jeder verlangen, daß ihn betreffende, durch Dritte veranlaßte unrichtige Angaben - zumal ehrenrührigen Inhalts - unterlassen bzw. gelöscht werden (§ 7 ff. TMG). Faktische Schwierigkeiten, derlei etwa gegenüber ausländischen Providern auch rasch durchzusetzen, sind bekannt und müssen in zwischenstaatlichen Vereinbarung der jeweiligen Medienaufsichtsbehörden überwunden werden.

Hingegen ist die weitere Nutzung und Veröffentlichung von Angaben, die der Betroffene selbst in das Internet gestellt hat, grundsätzlich von der (v.a. zeitlichen) Reichweite seiner eigenen Einwilligung abhängig. Hier kann ich mir eine Begrenzung technisch-juristischen Mitteln gut vorstellen.

Juristisch würde dies erfordern, daß nach den Geschäftsbedingungen der Provider Einwilligungen nicht zeitlich unbegrenzt abverlangt werden dürfen.

Technisch wäre zur Realisierung von Verfallsdaten zunächst erforderlich, den Beginn solcher Fristen festlegen zu können. Dazu müßten die betreffenden Daten je mit sogenannten Metadaten versehen werden, das heißt Informationen über ihre Herkunft, ihre Weitergabe, ihre Verwendungszwecke und schließlich auch die Nutzungsfrist. Verfahren und sogar den Entwurf eines technischen Standards dafür (namens EPAL) gibt es bereits; doch leider wurde dies noch nicht in den gerade beschlossenen Entwurf der Bundesregierung für eine Bundesdatenschutzgesetz-Novelle aufgenommen.

Insgesamt sollten Nutzer von EDV und Internet sich ständig mit der Frage konfrontiert sehen, wie lange sie Informationen aufbewahren wollen. Dies würde dazu führen, dass Menschen sich langsam erinnern, dass - wie das eigene Gedächtnis - jede Information eine Halbwertzeit und ein Ablaufdatum haben kann, dass sie nicht permanent gültig und aktuell ist, sondern mit der Zeit an Wert verlieren kann.

Mit freundlichen Grüßen

Christian Ströbele