Frage an Hans-Christian Ströbele bezüglich Recht

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Hans-Christian Ströbele
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Jürgen K. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Jürgen K. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Ströbele !

Als in der DDR geborener Deutscher frage ich mich immer noch welchem Staat ich angehöre. Denn in meinem Personalausweis, der nach der Wende ausgestellt wurde, steht bei "Staatsangehörigkeit": "DEUTSCH" und nicht BRD. Bei den Österreichern steht an dieser Stelle "Österreich" und nicht östereichisch oder so.
Es gibt noch weitere eigenartige Zusammenhänge die ich nicht oder nur schlecht verstehe, denn ich bin in diesen Dingen nicht unbedingt fit.
Aber wenn Sie Zeit haben könnten Sie sich auch folgenden Link ansehen:

http://www.rsv.daten-web.de/Germanien/IDR_-_DIE_JAHRHUNDERTLUEGE_-_V4
.pdf

Gruß Jürgen Korn

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Korn.

Das Rätsel kann ich auch nicht ganz eindeutig und definitiv lösen.
Ich vermute, die Formulierung "deutsch" als Staatsangehörigkeit stammt aus der Zeit der alten Bundesrepublik noch ohne die neuen Länder.
Damals hätte die Bezeichnung "Deutschland" zu Mißverständnissen führen können, denn es gab ja zwei deutsche Staaten. Aber es gab lange und bei vielen auch den Anspruch die BRD sei der deutsche Staat und zwar der einzige, weil der andere kein Staat mit einer eigenen Staatsbürgerschaft sei. Und darum wählte man vermutlich diese Bezeichnung, die ja richtig war, denn daß die Staatsangehörigkeit "deutsch" war, traf ja für beide Staaten in Deutschland zu.
Aber, wie gesagt, diese Erklärung ist nur eine These von mir.

Die angefügte "Jahrhundertlüge" habe ich angesehen. Dazu gäbe es viel zu schreiben, wozu mir aber die Zeit fehlt.
Ich sehe auch nicht, warum ich mich damit beschäftigen soll, daß der Adler als Wappentier Deutschlands mal so mal anders mit mehr oder weniger vielen Federn dargestellt wird oder warum die deutschen Pässe rot und nicht blau sind. Für die EU-Pässe wurde nun mal die Farbe rot gewählt nicht nur für Deutschland.
In dem Text des Autors wird vieles vermischt und zusammengebracht, was nicht zusammengehört. Neben zum Teil berechtigter Kritik etwa an der verfassungsrechtlichen Konstruktion der Wiedervereinigung oder an der Abwickelung der DDR-Wirtschaft sowie an politischen Entwicklungen mit massiven Grundrechtseinschränkungen der letzten Zeit enthält der Text zum Teil schwer Erträgliches wie schlecht versteckte revanchistische Forderungen bezüglich der ehemals deutschen Gebiete im Osten, also im heutigen Polen und anderer Ländern, und wenn auch unausgesprochen und nicht ausdrücklich, wird eine Infragestellung der deutschen Verbrechen während der Nazizeit nahegelegt.
Viele Behauptungen wie die, die Bundesrepublik sei aufgelöst und das Reich bestehe fort, halte ich für falsch. Die Schlußfolgerungen, daß die Urteile deutscher Gerichte unwirksam sind, sind unzutreffend. Und die These, daß die alliierten Besatzungsrechte trotz der eindeutigen Formulierungen der Verträge aus dem Jahr 1990 fortgelten, ist nicht haltbar, wenn auch manche Erkenntnisse als Mitglied im Untersuchungsausschuß des Deutschen Bundestages zu Aktivitäten der US-Geheimdienste in Deutschland und dem Verhalten oder besser Nichtverhalten der Bundesregierung dazu im Krieg gegen den Terrorismus durchaus diesen Anschein erwecken könnten.

Nein, Berlin ist Hauptstadt Deutschlands anders als vor 1990. Das ist unübersehbar.
Der Staat Bundesrepublik Deutschland existiert und zwar ganz kräftig. Da bringt es jetzt wenig zu beklagen, daß eine Volksabstimmung bei der Gründung 1949 und bei Vereinigung mit der DDR durch Beitritt der Ostbundesländer 1990 nicht durchgeführt wurde und manche andere verfassungsrechtlichen Ungereimtheit festgestellt werden kann. Die Hoffnung, daß sich die Bundesrepublik Deutschland doch noch mal eine Verfassung gibt, über die die Bevölkerung abstimmt, ist auch kleiner geworden, da die europäische Entwicklung Vorrang hat.

Es gilt jetzt, die besonderen Errungenschaften des Grundgesetzes wie die Sozialpflichtigkeit des Eigentumsrechts, die Grundrechte und die Notwendigkeit der Zustimmung des Deutschen Bundestages zur Entsendung von Bundeswehr ins Ausland zu erhalten und zu bewahren, anstatt verpaßten Chancen bei der Staatswerdung nachzutrauern.

Und Sie, Herr Korn, können getrost davon ausgehen, daß Sie Bürger des Staates Bundesrepublik Deutschland sind. Die Bevölkerung der DDR wollte das mehrheitlich so.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele