Frage an Hans-Christian Ströbele bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Hans-Christian Ströbele
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage an Hans-Christian Ströbele von Kay R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Ströbele,

seit nunmehr zehn Jahren arbeite ich mit Migranten u. a. auch immer wieder mit U25. Ich war einige Jahre politisch engagiert, zuletzt im Vorstand der SPD Hochtaunuskreis. Ein Grund für meinen Entschluss dieses Engagement zu beendenden war die Integrationspolitik dieses Landes. Die neuste Integrationsstudie zeigt meiner Ansicht nach ein verheerendes Bild auf. Wie Ihnen sicherlich bekannt ist verlassen 30% aller türkischstämmigen Migranten die Schule ohne Schulabschluss, nur 14% erlangen das Abitur. Das in der Vergangenheit Fehler gemacht wurden ist unumstritten. Chancengleichheit ist in Deutschland meiner Meinung nach in weiter Ferne. Was gedenkt man in Zukunft zu tun um Migranten in Deutschland eine "ähnliche" Chance zu geben wie dem deutschen Mitbürger? Ist es nicht endlich an der Zeit für diese Bevölkerungsgruppe Geld auszugeben, nicht um in der Presse ein akzeptables Bild abzugeben, sondern um tatsächlich etwas zu bewegen? Meine zukünftige Frau ist Marokkanerin. Ohne mein Zutun, hätte sie weder das Abendgymnasium geschafft, noch würde sie jetzt studieren. Es war ihr durch die in ihrer Familie bestehenden Unstände nicht möglich ohne Unterstützung von Außen ihr Abitur in der Vergangenheit zu erlangen. Durch meine Arbeit kenne ich mannigfaltig weitere Beispiele die letzendlich das Ergebnis der Integrationsstudie bestätigen. Nicht zuletzt die Ignoranz von besagter Chancengleichheit führt zu Isolierung und Erhalt von der bekannen Parallelgesellschaft in Deutschland, ich möchte fast sagen Parallelgesellschaften. Die Möglichkeit der Integration ist für viele Menschen in diesem Land fast unmöglich. Man fast einfach nicht genug Geld an um beispielsweise Deutschunterricht spätestens im Kindergarten zu gewährleisten. Nur so können Kinder mit Migrationshintergrund eine annährend gleiche Chance wie ihr deutscher Counterpart erhalten. Was gedenkt man zu tun Herr Ströbele?

Gruß,
Kay Roebuck-Lange

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Roebuck-Lange.

Ihre Kritik und Ihre Auffassung teile ich ganz überwiegend.
Wir haben Fehler gemacht. Ein Hauptfehler war, daß die meisten dachten, die Ausländer kommen für einige Jahre nach Deutschland zum Arbeiten und gehen dann wieder, und daß wir viel zu spät gemerkt und zu spät darauf reagiert haben, daß diese Annahme falsch war. Diesen Fehler haben übrigens nicht nur wir gemacht, sondern auch viele Eingewanderte.
Das war eine Ursache dafür, daß wir uns nicht genug darum gekümmert haben, ob die Migrantinnen und Migranten deutsch lernen und auch sonst integriert werden.
Wir wissen es längst besser und müssen jetzt alles Mögliche tun und nachholen, um die Chancen für eine gute Schul- und Berufsausbildung, auf einen Arbeitsplatz und für eine Perspektive für alle in Deutschland zu verbessern und möchlichst gleich zu gestalten. Das erreichen wir in erster Linie dadurch das Lernen der deutschen Sprache und des Zurechtfindens in der deutschen Gesellschaft. Dazu müssen wir jede Hilfestellung organisieren und finanzieren, also - wie Sie zutreffend schreiben - zum Beispiel mehr Lehrer und kleinere Klassen in den Schulen, mehr Erzieher in Kindergärten und Schulen, mehr Hilfen bei Schul- , Berufs- und Hochschulausbildung. Zukunftsperspektiven für die Eingewanderten sind nicht "nur" im Interesse der Migrantinnen und Migranten, sondern im Interesse von uns allen und der deutschen Gesellschaft.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele