Frage an Hans-Christian Ströbele bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

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Hans-Christian Ströbele
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Ralf O. •

Frage an Hans-Christian Ströbele von Ralf O. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Ströbele,

Ist es überhaupt möglich, in Afghanistan hearts und minds der afghanischen Bauern zu gewinnen, wenn die NATO sich als Stütze des Feudalismus, seiner Feudal- und Kriegsherren erweist-sei es in Afghanistan oder in Pakistan.Der Feudalismus konserviert und radikalisiert doch den politischen Islam und verhindert jeglichen gesellschaftlichen Fortschritt.
Wäre es nicht sinnvoller, eine islamomarxistische Theologie der Befreiung unter den verschuldeten Bauern zu initiieren, die für eine Landreform auch mit der Waffe kämpft und die konkrete Perspektive von Schulderlaß, Besitz eines Stückes Landes und staatlichem Starhilfekredit hat?Großgrundbesitzer und Feudalherren könnten ja entschädigt oder an aufzubauenden Genossenschaften oder Industrien beteiligt werden (siehe japanische Landreform unter den Meijis).
Inwieweit hat die NATO-Strategie eine Landreform Afghanistans vorgesehen, die Überwindung des Feudalismus oder welche wirtschafspolitischen Zielvorstellungen hat sie?Oder ist ein moderater Feudalismus ohne Al Kaida, aber mit gemäßigten Taliban und Scharia die NATO-Zielvorstellung.Werden die Wiederaufbauteams, Entwicklungshelfer und Soldaten für eine systematische Landreform eingesetzt oder sind das verstreute Einzelprojekte ohne roten Faden, die mehr den strategic hamlets der USA in Vietnam zu ähneln beginnen.Was nutzt es, wie Obama jetzt vorschlägt eine 400 000 starke afghanische Armee errichten zu wollen, wenn sie keine Perpsektive hat.Eine für eine Landreform kämpfende Armee mit einer derartigen Vision hätte hingegen Unterstützung bei der Bevölkerung.Oder befürchtet die NATO, dass sich dann die Feudal- und Kriegsherren der Karsairegierung neben Taliban auch noch gegen sie wenden und setzen da lieber auf Luther als auf Müntzer?Wie steht eigentlich die Taliban zu Fragen des Eigentums, der Landreform und sozialen Fragen?

Mit freundlichen Grüssen

Ralf Ostner

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Oster.

Nein, so ist es nicht möglich Herz und Verstand der Bevölkerung Afganistans zu gewinnen. Da haben Sie vollkommen recht.
Ganz im Gegenteil tun US-Armee und Nato vieles, das eher Haß und Feindschaft säht bei den Menschen. Bomben- und Raketenangriffe der US-Luftwaffe aus Drohnen und Flugzeuge, durch die Duzende von Zivilisten getötet werden, tragen viel dazu bei, daß Taliban und El Quaida aus der afghanischen Bevölkerung immer weiter Zulauf haben und viele junge Menschen, deren Verwandte getötet wurden, zu Selbstmordattentäter werden.
Ihr Vorschlag, daß ausgerechnet die Nato sich für eine Landreform mit Enteignung der Großgrundbesitzer und Feudalherren einsetzen sollte, ist völlig unrealistisch. Der Nato und den meisten Regierungen der Mitgliedstaaten dürfte schon eine solche Überlegung völlig wesensfremd sein und der Gedanke an die Unterstützung einer Bauernrevolte unter Führung eines Thomas Münzer körperliches Unwohlsein verursachen. Die Nato ist doch keine rote Hilfe für die Armen und Entrechteten. Das war sie nie und wollte sie nie und will Sie nicht sein. Eher im Gegenteilt. Da müssen Sie was verwechselt haben.

Bisher ist die Nato in Afghanistan gut Freund und Waffenkamerad mit den Feudalherren und Warlords, auch wenn diese korrupt sind und schlimmster Kriegsverbrechen beschuldigt werden. Die Nato ist der beste Schutz für diese und ein großer Teil der Hilfsgelder fließen in die Taschen dieser Leute. Die demokratische Opposition kritisiert genau dieses Verhalten der Nato immer wieder. Es sieht nicht so aus, als werde die Nato ihren Kurs ändern und sich neue Freunde suchen.

Inzwischen sehen die meisten Menschen im Osten und Süden Afghnistans die US- und Nato-Soldaten als üble Besatzer. Und auch im Norden schwindet das ursprünglich vorhandene Vertrauen. Die Natosoldaten können sich kaum noch aus den befestigten Standorten raustrauen.

Der Krieg muß beendet werden und zwar möglichst bald. Nicht erst nach 10 Jahren und nach ständig weiterer Eskalation wie in Vietnam. Und nicht durch einen überstürzten Abzug, sondern in verantwortbarer Weise durch die Beendigung der offensiven Kriegführung, insbesondere der Luftangriffe, und den Beginn von Waffenstillstandsverhandlungen mit allen, die Waffen tragen und gebrauchen. Ich habe dazu mit anderen Grünen und der Grünen Jugend eine Unterschriftenaktion intiert, die Sie unter www.afghanistankrieg-beenden.de einsehen und bei der Sie mitmachen können.

Mit freundlichem Gruß
Ströbele