Frage an Hanspeter Egel-Fischer bezüglich Verkehr

Hanspeter Egel-Fischer
DIE LINKE
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Frage von Oliver S. •

Frage an Hanspeter Egel-Fischer von Oliver S. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Herr Egel-Fischer,

als Einwohner des Wahlkreis Breisgau und als in der Schweiz tätiger Verkehrsspezialist (SPV) möchte ich mich bei ihnen v.a. bzgl. des Ausbaus des ÖPNV im Raum Breisach/Freiburg/Basel erkundigen (gerne aber auch nehme ich Ihre Antworten zu einer Gesamtverkehrlichen Entwicklung entgegen, danke):
1) welches sind ihre persönliche Ziele diesbzgl. bzw. welche Ziele ihrer Partei sind hierfür vorgesehen?

2) wie sollen diese dann umgesetzt werden (auch bis wann) und wie können/möchten sie persönlich dazu beitragen? Welche Massnahmen sehen sie als dringlich und hoch-prioritär an?

3) wie stehen sie zum Ausbau der Breisgau S-Bahn und in welchem zeitlichen Horizont sehen sie eine realistische Umsetzung dieses "Grossvorhabens"? Sehen sie eine realisitische Chance, dass dieser (überfälliger) Ausbau bis in den kommenden 8-10 Jahren umgesetzt werden kann.

4) Wie sehen Sie den Ausbau der "4-Spur Karlsruhe-Basel" und wie können Sie als (möglicher)MdL dieses (europaweit) wichtige Vorhaben pushen und weitere Verzögerungen beim Ausbau verhindern?

5) wie sehen sie die anstehende Ausschreibung (2014ff.) der ÖPNV-Verkehre auf der Schiene in BaWü? Wird das Land bzw. die MdL´s wiederum nur auf den Preis der eingegehende Angebote schauen od können/sollten nicht auch Kriterien wie Angebotsdichte und Qualität sowie Kundennähe der (neuen) Betreiber einen grosse Rolle bei der Vergabe von Leistungen an die Verkehrsunternehmen spielen?

Des weiteren habe ich noch eine weitere Frage bzgl. der Finanzierung der öffentlichen Haushalte - was und wo sehen sie als Kanditat dringlichen Handlungsbedarf und wie und wo sollte die Politik in der nächsten Legislatur ihre Schwerpunkte legen. Sollte der Statt weitere Investitionen (auch "auf Pump") vornehmen od muss aus Ihrer Sicht eine konsequente Sparpolitik gelten?

Vielen Dank für die Beantwortung meiner (umfangreichen) Fragen!
Freundliche Grüsse und viele Erfolg für die Landtagswahl 2011,
O.Specker

Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Specker,

ich bedanke mich für Ihr Interesse an meiner Positionierung zur Entwicklung des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) im Breisgau und im Markgräflerland und nehme gerne zu Ihren Fragen Stellung.

*Zu 1)* Die Ablehnung des Projektes "Stuttgart 21" durch DIE LINKE ist auch dadurch begründet, dass dieses geldverschlingende, verkehrlich zumindest fragwürdige Projekt für einen flächendeckenden Ausbau des SPNV im Land schon aus finanziellen Gründen nicht nützlich sein kann. Sonst wird uns doch von den derzeit Verantwortlichen in Bund und Land immer wieder vorgehalten, die Investitionsmittel seien sehr begrenzt, nur "Stuttgart 21" soll angeblich damit nichts zu tun haben! Wichtige Projekte, die (teilweise) hier in meinem Wahlkreis liegen, sind der weitere Ausbau der Breisgau-S-Bahn und der deutschen Strecken der Regio S-Bahn Basel.

*Zu 2) und 3)* Schon wegen der derzeitigen Rechtslage (Auslaufen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes [GVFG] Ende 2019) stehen wir mit der Umsetzung der ambitionierten Pläne insbesondere im Freiburger Raum erheblich unter Zeitdruck. Wegen der starken Auslastung der Züge auf der Breisacher Bahn würde ich mir eigentlich prioritär die erforderlichen Ausbaumaßnahmen auf dieser Strecke wünschen, da das Angebot dort am eigenen Erfolg zu ersticken droht. Leider haben die Mehrheiten in der Bundespolitik das Infrastrukturunternehmen DB Netz AG als Teil eines profitorientierten DB-Konzerns viel zu sehr aus der Verpflichtung auf das Gemeinwohl entlassen. Und so ist es der planenden Regio-Verbund Gesellschaft mbH hier (wie auch im Elztal) offensichtlich nicht möglich, zu einer zügigen und zweckmäßigen Baudurchführung (zweigleisige Abschnitte, moderne Stellwerkstechnik, Elektrifizierung) zu kommen. Deshalb konzentrieren sich die ersten Modernisierungsmaßnahmen nun auf die (landeseigenen) SWEG-Strecken ins Münstertal und am Kaiserstuhl, damit es mit dem Gesamtprojekt überhaupt voran geht und leider nicht so ganz nach der Dringlichkeit. Selbstverständlich ist es für die beteiligten Kreise eine enorme Herausforderung, die vereinbarte kommunale Kofinanzierung zu stemmen, um dann auch die Finanzierungszusagen der anderen politischen Ebenen abzufordern und die Realisierung zu ermöglichen. Deshalb kann ich auch kein Verständnis dafür haben, wenn Kreistagsmehrheiten sich freiwillig die Vorfinanzierung von Planungskosten für andere Projekte (=CDU-Wahlversprechen) auferlegen, für die es vom Bund noch längst keine Zusagen gibt!

*Zu 4)* DIE LINKE sieht bekanntlich die erheblichen Fehlentwicklungen des "globalisierten" Wirtschaftssystems sehr kritisch, deshalb gehören natürlich auch dessen vielfach absurde Warenströme hinterfragt. Wir bekennen uns aber eindeutig zur konsequenten Verlagerung des notwendigen Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene! Deshalb ist klar, dass - insbesondere nach der Inbetriebnahme der sogenannten NEAT-Infrastruktur in der Schweiz - der Durchgangsverkehr auf der Rheintalbahn keinesfalls abnehmen wird. Diese Strecke führt dabei mitten durch die Ortschaften und Städte, die sie einst erschließen sollte. Deshalb benötigen wir im Rheintal ergänzend eine möglichst siedlungsferne Neubaustrecke mit optimalem, rechtlich gesichertem Lärmschutz, die konstruktiv primär auf die Nutzung für den Güterverkehr auszulegen ist (sogenanntes "3. und 4. Gleis"). Zudem ist auch die Rheintalbahn (und die derzeitige Freiburger Güterbahn) wichtiger Bestandteil der oben genannten S-Bahn-Projekte. Da die Strecke bereits heute als überlastet definiert ist, lehnt die DB Netz AG derzeit jedoch Verbesserungen (weitere Zugfahrten und Halte) des SPNV ab und wachsender Güterverkehr droht sogar, diesen weiter zu beeinträchtigen - auch infolge der EU-Vorgaben zur Priorisierung. Aus meiner Sicht muss die Bundesregierung die DB ProjektBau GmbH daher jetzt unverzüglich zu einer wirklich kooperativen Planung der Neubaustrecke beeinflussen und die Finanzierung dieses Bundesverkehrsweges konsequent sicherstellen - auch deshalb meine Ablehnung von "Stuttgart 21"! Weitere parteitaktische Verschleppungsversuche schaden der Region und den Menschen an der bestehenden Rheintalbahn! Der neugewählte Landtag und die Landesregierung werden zudem aufgefordert sein, zusammen mit den anderen Bundesländern eine zukunftssichere Nachfolge für das GVFG zur Finanzierung von Nahverkehrsprojekten ab 2020 beim Bund auf den Weg zu bringen.

*Zu 5)* Die Ausschreibung der SPNV-Leistungen und "Paketaufteilung" ist ja bereits offiziell durch das Land angekündigt worden. DIE LINKE sieht durch einen ungezügelten Ausschreibungswettbewerb insbesondere Gefahren für die Sicherheit des Bahnbetriebes, die Arbeitsbedingungen und soziale Sicherheit des Personals und für die Qualität für die Reisenden. Wohin hemmungsloser betriebswirtschaftlicher Optimierungswahn am Ende führen kann, ist bei der DB-Tochter S-Bahn Berlin GmbH zu "bewundern". Andererseits hat der Eisenbahn-Netzzugang für innovative Verkehrsunternehmen - oft in kommunalem Eigentum - vielfach eine Renaissance des SPNV (beispielsweise rund um Freiburg, Offenburg und Karlsruhe / Baden-Baden / Pforzheim / Heilbronn) ermöglicht. Aus unserer Sicht müssen alle europarechtlichen Möglichkeiten genutzt werden, bei den Ausschreibungen wenigstens die genannten Gefahren abzuwenden. Zudem halte ich es für wichtig, dass die landeseigene Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg mbh als Besteller eine konsequente Qualitätsüberwachung der Verkehrsunternehmen und der Infrastruktur (z. B. bezüglich Langsamfahrstellen) durchführt und die Ergebnisse regelmäßig veröffentlicht. DIE LINKE strebt perspektivisch einen kostenlosen Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) im Land an. Kurzfristig ist auf jeden Fall die Kundenfreundlichkeit bezüglich der “kleinstaatlerischen” Tarifstruktur in Baden-Württemberg zu verbessern, so verläuft auch durch meinen Wahlkreis eine Kreis- und damit Verbundgrenze mit vielfach absurden Behinderungen der ÖPNV-Nutzung. Ein verbindliches Ausschreibungskriterium durch das Land muss es ebenfalls sein, standardmäßig auch im Nahverkehr den Fahrausweiskauf im Zug zu ermöglichen. Es darf nicht sein, dass man knappe Anschlüsse verpasst oder sogar durchgehende Züge verlassen muss, um an stationären Automaten Anschlussfahrkarten zu erwerben!

die Beantwortung Ihrer letzten Frage zu Haushalt werde ich nach Rücksprache mit meinem haushaltspolitischen Berater nachreichen

Mit freundliche Grüßen
Hanspeter Egel-Fischer