Frage an Harald Terpe bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Harald Terpe
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Frage von Lars K. •

Frage an Harald Terpe von Lars K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Dr. Terpe,

Danke für ihre
schnelle Antwort auf meine vorherige Frage bezüglich ihrer Enthaltung beim Internet-Sperren-Gesetz. Ich habe allerdings noch eine Nachfrage.

Sie schrieben folgendes:
"Der Anspruch auf eine unbedingt rechtsstaatliche, verhältnismäßige und effektive Bekämpfung dieses Delikts im Internet - als ein Beitrag zu einem umfassenden Kinderschutz - sollte daher nicht aufgegeben werden."

Dazu gab es während der Expertenanhörung im Bundestag (27.05.) folgende Meinungen der Geladenen:

1) Rechtstaatlichkeit:
Prof. Dr. Sieber verneint die Verfassungskonformität dieser geheimen Polizeimaßnahme ohne Richtervorbehalt

2) Verhältnismäßigkeit:
problematisch aufgrund des Overblocking (Prof. Dr. Sieber)
Verhältnismäßig ist aufgrund fehlender Informationen (siehe Antworten der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der FDP (11.06.)) nicht abschätzbar (Dr. Frey)

3) Effektivität:
Laut einem aktuellen Kurzgutachten des wisschenschaftliches Dienstes des Bundestages (WD 3 - 3000 - 211/09) ist das BKA berechtigt, auch ausländische Provider direkt zu kontaktieren. Das BKA nutzt also nicht die verfügbaren Mittel.
Die Effektivität eines direkten Anschreibens der Provider hat kürzlich die Organisation Carechild nachgewiesen, indem sie 16 von 20 kinderpornographischen Seiten, die bereits monatelang durch eine dänische Sperrliste "versteckt" wurden, innerhalb von 48 Stunden vom Netz nehmen ließ. Die vier verbliebenen Seiten waren legal.
Ein ähnlicher Versuch durch Alvar Freude legte innerhalb eines Tages 60 kriminelle Seiten lahm, die sich ebenfalls seit Monaten auf europäischen Sperrlisten befanden.
Diese Experimente belegen, dass Sperrlisten nicht das Problem, sondern nur seine Sichtbarkeit bekämpfen.

Die aktuelle Rechtslage scheint also genügend Mittel zur effektiven Bekämpfung der Kinderpornografie im Internet zu bieten. Leider werden diese bisher nicht genutzt.

Was genau wollten Sie also mit Ihrer Enthaltung erreichen? Oder fehlten Ihnen Fakten?

Danke und Grüße,
Lars Kruse

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Sehr geehrter Herr Kruse,

Herzlichen Dank für Ihre Frage.
Es lag nicht in meiner Absicht, Zweifel darüber aufkommen zu lassen, dass ich diese Art der bürgerrechtsfeindlichen Internetpolitik ablehne. Um das nochmal unmißverständlich klarzustellen: Ich lehne die geplante Sperrinfrastruktur als untaugliches und bürgerrechtsfeindliches Mittel ab.

Als Vater von fünf Kindern wollte ich mit meiner Enthaltung darauf hinweisen, dass staatliche Stellen längst noch nicht alles tun, um ein so widerliches Verbechen wie Kinderpornographie im Internet entschieden zu bekämpfen. Dabei muss der Grundsatz "Löschen statt Sperren" im Vordergrund stehen. Tests von Care Child ( http://www.carechild.de/news/politik/internetzensur_carechild_versuch_blamiert_deutsche_politiker_566_1.html ) zeigen etwa, dass sich nicht nur ein großer Teil der Anbieter kinderpornographischer Inhalte in Westeuropa oder den USA befindet, sondern dass der zeitliche Aufwand zur Löschung dieser Inhalte sehr gering ist.
Die geplante Sperrinfrastruktur ist für die Bekämpfung dieser Art von Kriminalität unbestritten der falsche Weg. Das wurde in der Anhörung des Innenausschusses ja so wie von Ihnen dargestellt herausgearbeitet. Sollte es im Einzelfall nötig sein, etwa wenn das Löschen nicht möglich ist, so bin ich dafür, eine bestimmte Seite mit strafbarem Inhalt zu sperren. Dies muss aufgrund einer überprüfbaren richterlichen Anordnung geschehen.

Die weiteren Argumente gegen die Sperren sind hier ( http://www.heise.de/ct/Die-Argumente-fuer-Kinderporno-Sperren-laufen-ins-Leere--/artikel/135867 ) aus meiner Sicht hinreichend und nachvollziehbar dargestellt.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Harald Terpe

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