Frage an Harald Terpe bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Harald Terpe
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Frage von Torsten L. •

Frage an Harald Terpe von Torsten L. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Terpe,

die zur Zeit weitestgehend hinter verschlossenen Türen und deswegen bislang von der Öffentlichkeit praktisch nicht wahrgenommenen Verhandlungen zum Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA bedrohen meiner Ansicht nach (und die wird offensichtlich inzwischen von vielen kritischen Beobachtern geteilt) unsere Demokratie. Besonders schockierend ist der Umstand, dass von führenden EU-Politikern offensichtlich bewusst Nebelkerzen gezündet werden und unsere Vertreter im Bundestag und im EU-Parlament hierzu, zumindest öffentlich nicht wahrnehmbar, keine Front gegen das Abkommen aufmachen.

Ich füge Ihnen mal zwei Links zu einem und dem selben Monitor-Beitrag vom 30.1.2014 (Freihandelsabkommen-Das Märchen vom Jobwunder) bei. Hier wird der Nachweis erbracht, wie die Öffentlichkeit offensichtlich bewusst im Interesse einer starken Wirtschaftslobby getäuscht wird.

Monitor Nr. 657 v. 30.1.2014 “Freihandelsabkommen- Das Märchen vom Jobmotor”

http://www.youtube.com/watch?v=2M2a_O-cdjk
http://www.wdr.de/tv/monitor/sendungen/2014/0130/freihandelsabkommen.php5

Man muss sich über die Abwendung von den etablierten Parteien und über die sinkende Wahlbeteiligung nicht wundern, wenn in so dreister und scheinheiliger Weise letztlich Umverteilung organisiert und Demokratie ausgehebelt wird.

Ich würde gern wissen, was im deutschen Bundestag unter den Abgeordneten zu den Verhandlungen bekannt ist, was für Meinungen dazu existieren und wie sich die Parteien positionieren. Insbesondere würde mich auch Ihre Meinung und Ihre Aktivitäten diesbezüglich interessieren. Sollten Sie nicht auch öffentlich wirksam tätig werden?

MfG

Torsten Lindow

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Sehr geehrter Herr Lindow,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Ich teile Ihre Sorgen und Bedenken hinsichtlich des Abschlusses eines Freihandelsabkommens zwischen den USA und der EU.

Selbstverständlich braucht es für eine Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit verbindliche Abkommen – auch bilaterale, das zeigen uns die seit Jahren stagnierenden multilateralen Verhandlungen zu einem weltweiten Klimaschutz, der z.Z. die Vorreiter eher ausbremst als fördert. Die EU und Deutschland dürfen dabei aber nur Vereinbarungen eingehen, die neben wirtschaftlichen Vorteilen den Verbraucher- und Umweltschutz verbessern und soziale und Freiheits-Standards sichern. Nach allem, was aus den geheimen Verhandlungen bekannt geworden ist, droht hier aber im Gegenteil ein Aufweichen über Jahre erkämpfter Standards. Daher haben wir bereits vor der Mandatserteilung an die EU-Kommission im Juni 2013 klare Kriterien und Mindestanforderungen an das Verhandlungsmandat formuliert, ohne deren Erfüllung eine Abkommen unseres Erachtens nicht realisiert werden darf.

Die Grüne Bundestagsfraktion hat dazu einen Antrag in den Bundestag eingebracht. (http://gruenlink.de/jvm). Darin haben wir deutlich gemacht, dass es durch ein solches Abkommen nicht zu einer Verschlechterung von sozialen und ökologischen Standards kommen darf. Insbesondere die bestehenden EU-Standards im Bereich der Produktsicherheit, des Umweltschutzes, des Verbraucher- und Gesundheitsschutzes und des Tierschutzes sowie der ILO Arbeits- und Sozialstandards müssen unter allen Umständen erhalten bleiben. Das europäische Vorsorgeprinzip darf nicht ausgehebelt werden. Die im Vergleich zu den USA weiterreichenden europäischen und deutschen Regelungen im Bereich Gentechnik und Chemikalienrecht sind für uns Grüne nicht verhandelbar. Bestehende Rückverfolgbarkeits- und Kennzeichnungsregelungen müssen weiterhin Bestand haben und die jeweils höherwertigen Standards des Partnerlandes sollen als Untergrenze übernommen bzw. anerkannt werden.

Wasserver- und -entsorgung sollen von den TTIP-Vereinbarungen ausgenommen werden. Es dürfen nicht wieder durch die Hintertür über eine Anpassung des Vergaberechts die kommunalen Dienstleistungen zur Disposition gestellt werden. Das Abkommen darf keine Bestimmungen etwa im Bildungsbereich enthalten, die die Ausnahmeregelungen für öffentliche Dienstleistungen gefährden oder den Druck erhöhen, den öffentlichen Dienstleistungssektor zu liberalisieren. Im Gesundheitswesen müssen die nationalen und europäischen Standards zur Patientensicherheit sowie die jeweiligen nationalen Versorgungs- und Finanzierungsstrukturen erhalten bleiben und weiterentwickelt werden können: Regelungen wie etwa die nationalen Arzneimittelbewertungen und -preisfestlegungen oder die Planung sowie Steuerung der ärztlichen Versorgung und der Krankenhäuser müssen weiterhin möglich sein.

Insbesondere dürfen auch die europäischen Datenschutzregeln durch ein solches Abkommen nicht in Frage gestellt werden. Auch die geplanten Verhandlungen im Bereich Investitionsschutz sind bedenklich. Wir lehnen es ab, dass bspw. Regelungen zu Investoren-Staat-Schiedsgerichtsverfahren in das Abkommen mit aufgenommen werden. Das Niveau des Rechts- und Investitionsschutzes in der EU und in den USA ist aus unserer Sicht ausreichend hoch. Das haben wir in unserem Antrag ebenfalls deutlich gemacht.

Von Anfang an haben wir uns dafür stark gemacht, dass zivilgesellschaftliche Akteure in die TTIP-Gespräche mit einbezogen werden. Aus unserer Sicht müssen die Verhandlungen möglichst transparent gestaltet werden. Deshalb haben wir uns auch für die Veröffentlichung des Verhandlungsmandats ausgesprochen. Bisher ist die Transparenz der Gesprächsrunden noch immer nicht hergestellt. Vor allem die deutsche Bundesregierung bremst derzeit alle Initiativen im Rat aus, die das Verhandlungsmandat offiziell der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen möchten. Das ist für uns nicht akzeptabel. Nach dem Bekanntwerden der NSA-Ausspähaktionen haben wir als Fraktion deutlich gemacht, dass zurzeit eine vertrauensvolle Gesprächsgrundlage für Verhandlungen fehlt. Wir haben uns daher dafür ausgesprochen, die Verhandlungen so lange auszusetzen, bis die Bespitzelungsvorwürfe gegen die USA restlos aufgeklärt worden sind. (siehe auch Antrag der Grünen Bundestagsfraktion im November 2013: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/000/1800065.pdf)

Ich hoffe, dass ich Ihnen die Grüne Position zu den laufenden TTIP-Verhandlungen nachvollziehbar darlegen konnte. Für die Positionen der andere Parteien bzw. Fraktionen im Bundestag wenden Sie sich bitte an deren Vertreterinnen und Vertreter.

Mit freundlichen Grüßen,
Dr. Harald Terpe

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