Frage an Heidi Meißner bezüglich Soziale Sicherung

Heidi Meißner
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Rainer S. •

Frage an Heidi Meißner von Rainer S. bezüglich Soziale Sicherung

Halten Sie es für richtig, dass

1. der Gesetzgeber seinen Bürgern in Ergänzung zur immer weniger werdenden Rente den Abschluss einer Direktversicherung (DV) empfiehlt, langjährige Verträge später aber ohne Vorwarnung rückwirkend außer Kraft setzt (Vertragsbruch) und damit Vertragsinhaber vor vollendete Tatsachen stellt?

2. Arbeitnehmer durch Gehaltsumwandlung jahrzehntelang auf Konsum verzichten, um bei Auszahlung nach dem 01.01.2004 mit einer Kapitalvernichtung „belohnt“ zu werden?

3. Beiträge aus Gehaltsumwandlung (bereits versteuerte und verbeitragte Einzahlungen), bei Insolvenz des Arbeitgebers (AG) oder vorzeitiger Kündigung auch bezahlt mit Arbeitslosengeld und BfA-Rente (also Privatvermögen) vom Gesetzgeber nach Auszahlung als Versorgungsbezüge? deklariert werden, obwohl im Vertrag „von vornherein Einmalzahlung, Rentenwahlrecht ausgeschlossen“ festgelegt war?

4. Versicherungsbeträge gezahlt OHNE Arbeitgeberanteil aus Gehaltsumwandlung vom Gesetzgeber als eine der Betriebsrente vergleichbare Einnahme (!) definiert werden, während Zahlungen des AG ZUSÄTZLICH ZUM GEHALT in eine auf den Namen des AN lautende DV keine Betriebsrente ist und nach Auszahlung beitragsfrei zur GKV/-PV bleiben?

5. AG, Versicherungsgesellschaften und die Gesetzlichen Krankenkassen die Gewinner, Arbeitnehmer aber die Verlierer sind?

6. Privat Versicherte Rentner keinen Solidarbeitrag leisten (Ungleichbehandlung der Rentner)?

7. Hochrangige Regierungsmitglieder für sich ständig Bestands- und Vertrauensschutz sowie Vertragstreue einfordern, dies jedoch den Bürgern verweigern?

Erbitte Ihre Antworten zu 1-7. Werden Sie als (künftiges) Mitglied des Bundestages eine Gesetzesinitiative zur Rücknahme/Korrektur des GMG auf den Weg bringen?

Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Halten Sie es für richtig, dass
1. der Gesetzgeber seinen Bürgern in Ergänzung zur immer weniger werdenden Rente den Abschluss einer Direktversicherung (DV) empfiehlt, langjährige Verträge später aber ohne Vorwarnung rückwirkend außer Kraft setzt (Vertragsbruch) und damit Vertragsinhaber vor vollendete Tatsachen stellt?

Antwort: Dieses von Ihnen zurecht kritisierte Vorgehen des Gesetzgebers in den letzten Jahren kann ich natürlich in keinster Weise gut heißen. Allein schon die Menge der Reformen und Anpassungen des Renstensystems innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte ließ kaum einen Eindruck einer soliden und stabilen Rentenpolitik aufkommen und zeigte auch auf den Sektor der zusätzlichen privaten Altersvorsorge die von Ihnen genannten negativen Auswirkungen für die betroffenen Menschen. Dabei sind sowohl die langfristigen Trends der Demografieentwicklung bekannt, als auch die Einsicht über alle Interessensgruppen hinweg vorhanden, dass die Finanzierung des Rentensystems für die kommenden Jahrzehnte nötige Anpassungen erfahren muss. Diese sollten aber möglichst einmalig oder in wenigen Schritten erfolgen, und nicht wie bisher aller zwei bis drei Jahre größtenteils wieder in Frage gestellt und massiv geändert werden. Gründsätzlich halte ich unser grünes Konzept der BürgerInnenversicherung als Basis eines solidarischen staatlichen Rentensystems für elemantar, um die zukünftigen Renten zu sichern. Dazu erachte ich es noch für unabdingbar, einerseits einen Mindestbestandsschutz für bestehende Verträge zu garantieren, der auch nicht durch staatliche Gesetztgebung ausgehebelt werden kann. Andererseits sind Verträge der private Altersvorsorge gegenüber dem Anbieter derart zu sichern, dass dieser seiner Leistungspflicht in jedem Falle nachzukommen hat. Mit diesen Rahmenbedingungen wären sinnvolle und belastbare Modelle der zusätzlichen privaten Altersvorsorge sicherlich keine Utopie.

2. Arbeitnehmer durch Gehaltsumwandlung jahrzehntelang auf Konsum verzichten, um bei Auszahlung nach dem 01.01.2004 mit einer Kapitalvernichtung „belohnt“ zu werden?

Antwort: Dass Auszahlungen aus einer privaten Altersvorsorge seit dem 1.1.2004 SV-pflichtig sind und somit den Betrag gegenüber dem Zeitraum davor schmälern, ist zunächst richtig. Auch dass dies für den Versicherten mehr als ärgerlich ist, ist sehr verständlich, weil dies so bei Vertragsschluss vor vielen Jahren nicht absehbar war. Hier treffen wieder die Bemerkungen zu Frage 1) zu. Dem Begriff "Kapitalvernichtung" würde ich allerdings nicht zustimmen wollen, da a) die Beiträge zur Entgeltumwandlung ursprünglich SV-frei waren b) die Beiträge zur der Entgeltumwandlung andernfalls nicht 1:1 netto zum Konsum zur Verfügung gestanden hätte und c) selbst nach SV-Abzug duch die jahrelange Verzinsung der Altersvorsorge in der Regel mehr verfügbares Kapital vorliegt als in die Entgeltumwandlung investiert wurde Ob die Altersvorsorge letztendlich inflationsbereinigt ein Kaufkraftplus ergibt, das ist natürlich eine andere Frage...

3. Beiträge aus Gehaltsumwandlung (bereits versteuerte und verbeitragte Einzahlungen), bei Insolvenz des Arbeitgebers (AG) oder vorzeitiger Kündigung auch bezahlt mit Arbeitslosengeld und BfA-Rente (also Privatvermögen) vom Gesetzgeber nach Auszahlung als Versorgungsbezüge? deklariert werden, obwohl im Vertrag „von vornherein Einmalzahlung Rentenwahlrecht ausgeschlossen“ festgelegt war?

Antwort: Diese Frage geht doch sehr ins versicherungs- und vertragsrechtliche Detail und übersteigt leider meine Kenntnisse in diesem Gebiet. Soweit ich es weiß sind Entgeltumwandlungen aber bei Einzahlung doch steuer- und sozialverischerungsfrei? Eine Insolvenz den Arbeitgebers sollte den Vertrag dahingehend nicht betreffen, da das aufgebaute Kapital beim Versicherer liegt. Die Modalitäten einer vorzeigigen Kündigung unterliegen den Bestimmungen des geschlossenen Vertrages. Die Anrechnung einer vorzeitigen Auszahlung auf aktuell bezogene staatliche Versorungsbezüge ist sicherlich ein interessantes Diskussionsthema. Pauschal zustimmen oder ablehnen würde ich die Anrechnung nicht. Hier stehen Interessen der privaten Vermögenssicherung und des sozialen Ausgleichs gegenüber. Einerseits ist der Wunsch nach Sicherung des angesparten vermögens nachvollziehbar, andererseits kann der Staat allein nicht soziale Härten abfedern während in guten Zeiten rein privates Kapital ohne solidarischen Anteil aufgebaut wird.

4. Versicherungsbeträge gezahlt OHNE Arbeitgeberanteil aus Gehaltsumwandlung vom Gesetzgeber als eine der Betriebsrente vergleichbare Einnahme (!) definiert werden, während Zahlungen des AG ZUSÄTZLICH ZUM GEHALT in eine auf den Namen des AN lautende DV keine Betriebsrente ist und nach Auszahlung beitragsfrei zur GKV/-PV bleiben?

Antwort: Das ist natürlich nicht in Ordung, seit 2009 wird hier aber nach meinem Informationen nicht mehr unterschieden.

5. AG, Versicherungsgesellschaften und die Gesetzlichen Krankenkassen die Gewinner, Arbeitnehmer aber die Verlierer sind?

Antwort: Dies ist sicherlich eine pauschale oder aus dem Einzelfall heraus getroffene Aussage. Ob eine private Altersvorsorge letztendlich "gewinnbringend" (wie man auch immer das persönlich definiert) war, ist ein Produkt aus Güte des Vertrags, Wirtschaften des Anbieters und jeweils zutreffenden Gesetzesstand (siehe Antwort zu 1.). Tendenziell stützen Beobachtungen über veröffentlichte Einzelfälle, vertretene Lobbies im Umkreis des Gesetzgebers und meine persönliche Wahrnehmung dieser Thematik zu gewissen Teilen Ihre Aussage. Hier besteht auf jeden Fall Verbesserungsbedarf.

6. Privat Versicherte Rentner keinen Solidarbeitrag leisten (Ungleichbehandlung der Rentner)?

Antwort: Das halte ich natürlich nicht für richtig. Nach meiner Meinung hat der Abbau des sozialen Ausgleichs in den vergangenen Jahren zu vielen Problemen in der Finanzierung des Rentensystems geführt. Jede Bevölkerungsgruppe sollte gemäß ihrer finanziellen Leistungsfähiigkeit ihren Beitrag zu den gemeisamen gesellschaftlichen Aufgaben leisten, und sich nicht alleinig per Privatvorsorge bzw. -versicherung komplett aus dieser Aufgabe verabschieden können.

7. Hochrangige Regierungsmitglieder für sich ständig Bestands- und Vertrauensschutz sowie Vertragstreue einfordern, dies jedoch den Bürgern verweigern?

Antwort: Das halte ich ebenfalls nicht für richtig. Gerade hochrangige Staatsbedienstete sollten in Zeiten schwieriger finanzieller Probleme durch persönliche Mäßigung mit guten Beispiel vorangehen. Von Problemen einer Grunsicherung oder Aufstockung sind sie ehedem weit entfernt.

8. Erbitte Ihre Antworten zu 1-7. Werden Sie als (künftiges) Mitglied des Bundestages eine Gesetzesinitiative zur Rücknahme/Korrektur des GMG auf den Weg bringen?

Antwort: Sofern ich Mitglied des Bundestages werde, werde ich auf Korrekturen im GKV-Modernisierungsgesetz hinarbeiten. Zudem erachte ich es für dringend nötig, das Primat der Wirtschaftlichkeit und Kostenorientierung im derzeitigen Gesundheitswesen zugunsten des würdevollen Umgangs mit den Patienten abzuschaffen. Der Mensch muss wieder im Mittelpunkt der Behandlung stehen. Krankheiten machen keinen Unterschied zwischen sozialen Stand oder privatem finanziellen Hintergrund, unser aktuelles Gesundheitswesen aber schon. Dies gilt es zu korrigieren.

Werter Herr Seifert, ich hoffe Ihnen zu jeder Frage eine befriedigende Auskunft gegeben zu haben, vor allem da es sich hierbei nicht um meine Kernkompetenzen handelt.

Mit freundlichen Grüßen
Heidi Meißner