Frage an Heinz Boettjer bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Heinz Boettjer
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Frage an Heinz Boettjer von renate m. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Hallo Herr Boettjer,

Warum sind die Piraten so vehement gegen die Datenspeicherung?

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PIRATEN

Sehr geehrte Frau Mahnken,

die allgemein, umfassende Datenspeicherung ohne konkreten Anlass, genannt Vorratsdatenspeicherung, lehnen wir als Piraten aus mehreren Gründen ab.

1. Sie stellt alle Bewohner dieses Landes pauschal unter Generalverdacht. Die Überwachung von Verdächtigen auch mithilfe aller potenziell verfügbaren Daten ist ohnehin bereits gestattet: bei ausreichendem Anfangsverdacht und mit richterlicher Genehmigung. Wir lehnen die anlasslose Vorratsdatenspeicherung ab, da sie das rechtliche Prinzip der Unschuldsvermutung verletzt. Nach dieser hat jeder als unschuldig zu gelten, bis das Gegenteil bewiesen ist. Dies ist ein Merkmal eines Rechtsstaats.

2. Die Vorratsdatenspeicherung ist für die Verhinderung von Straftaten nicht wirkungsvoll, wie das Beispiel Frankreich und die Attentate von Paris beweisen: Die Attentäter waren als Extremisten polizeibekannt, die Daten wurden gespeichert, und dennoch konnte weder der Anschlag auf das Satiremagazin Charlie Hebdo noch der Überfall eines koscheren Supermarktes verhindert werden. Für eine erwiesenermaßen ungeeignete Maßnahme wie die anlasslose Vorratsdatenspeicherung dürfen Prinzipien des Rechtsstaats und Bürgerrechte wie das Recht auf Privatsphäre nicht außer Kraft gesetzt werden. Ein weiteres, grundlegendes und sehr praktisches Problem ist die Auswertung. Es genügt schließlich nicht, einfach Daten zu sammeln und zu speichern. Sie müssen, um daraus Erkenntnisse zu gewinnen, auch sinnvoll gruppiert und interpretiert werden. Auch wenn dies überwiegend von Computern übernommen werden kann, müssen die Erkenntnisse überprüft werden. Es ist völlig unklar, wer das tut, mit welcher Absicht und wie korrekt er dabei vorgeht. Auch hier ist Frankreich ein Beispiel: Die Daten waren vorhanden, aber wurden nicht genutzt. Ein negatives Beispiel sind die Flugverbotslisten in den USA: Dort werden Menschen, die auch wegen der Analyse ihrer Daten unter Terrorverdacht stehen, von der Flugzeugnutzung ausgeschlossen. Darunter befinden sich Säuglinge, Kleinkinder, Menschen mit Behinderung und viele völlig unbescholtene Personen, die nachweislich nichts mit terroristischen Aktivitäten zu tun haben.

3. Das Missbrauchspotential ist unübersehbar und unendlich. Wir leben unter ständiger und vollständiger Überwachung mehrerer Geheimdienste und haben keinerlei Kontrolle über das, was mit den gesammelten Daten geschieht. Dies ist dank der Schwäche unserer Regierung momentan nicht zu ändern. Wir können und müssen jedoch dafür sorgen, dass in Europa und Deutschland nicht dieselben Fehler wiederholt werden. Daten, die zum Zweck der Terrorbekämpfung gesammelt wurden, sind gespeichert und können auch für andere Zwecke verwendet werden; auch zum Schaden der Betroffenen.

Die Speicherung von Daten, wie sie z. B. von Behörden und Firmen vorgenommen werden, betrifft dies nicht. Sie sind notwendig, damit diese Stellen ihre Arbeit tun können. Wichtig ist hierbei jedoch, dass nur das gespeichert wird, was für die Erledigung der Aufgaben notwendig ist und dass das Datenschutzgesetz eingehalten wird.

Bremer hört die Signale!

Heinz Böttjer