Frage an Heinz-Joachim Barchmann bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

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Heinz-Joachim Barchmann
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Frage an Heinz-Joachim Barchmann von Peter S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Vielen Dank für die nicht mal eine Minute dauernde Lehrstunde in Demokratie, die Sie und ihre Kollegen uns mit der Abstimmung über das neue Meldegesetz gegeben haben. Ich habe mir mal den zweifelhaften Spaß gemacht und durchgezählt: Ganze 28 Abgeordnete waren (wie auf dem Video zu sehen ist) anwesend (< 5% der Parlamentarier)!

Wir haben bei der Abstimmung zum ´Betreuungsgeld´ gelernt, dass das Parlament nur dann beschlussfähig ist, wenn mindestens 50% der Parlamentarier anwesend sind (bei 620 sind das 310). Können Sie mir erklären, wie das Plenum vom 28. Juni 2012 dann mit 28 Anwesenden beschlussfähig sein kann? (Nein, das ist keine rhetorische Frage!)

Was meinen Sie, wie dieses Verfahren in der Bevölkerung aufgenommen wird? Sie, die Politiker, beklagen sich ja oft über die „Politikverdrossenheit“ (ein - nebenbei bemerkt – völlig falscher Begriff, denn die Leute interessieren sich heutzutage mehr für Politik denn je - zutreffend wäre: „Politikerverdrossenheit“!). Meinen Sie nicht auch, dass Sie mit Ihrem Verhalten diesem Sachverhalt einen Bärendienst erwiesen haben? Nein, dies ist, wie Sie vielleicht meinen könnten, auch keine rhetorische Frage. Die Frage ist wie jede andere sehr ernst gemeint! Es geht darum, ob Sie und Ihre Kollegen ihr Mandat überhaupt noch ernst nehmen! Was sollen wir von Ihnen, den Politikern, halten, wenn Sie so wenig Engagement für unsere Belange wie die Grundrechte auf Datenschutz und informelle Selbstbestimmung zeigen?

Im übrigen bitte ich Sie, uns den Link zum Gesetzentwurf und zu den niedergelegten Reden zu übermitteln, damit wir uns ein Bild über den Sachverhalt und die Hintergründe machen können (bei längeren Dokumenten bitte mit Seitenzahl, damit sich nicht jeder durchwuseln muss!).

PS: So, nun ist es mir doch noch gelungen, trotz meiner Empörung einen (einigermaßen) sachlichen Text zu verfassen, der nebenbei ein kleines Stimmungsbild des Volkszornes widerspiegelt (natürlich nur, damit sie informiert sind, was so läuft...).

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Springstubbe,

die Abstimmung zum Bundesmeldegesetz dauerte 57 Sekunden. Und dies ist kein Skandal. Die Reden zum Gesetzentwurf wurden, wie Sie richtig erwähnen, zu Protokoll gegeben. Diese Vorgehensweise ergibt sich aus der Vielzahl der Tagesordnungspunkte. Hielten alle Abgeordneten ihre Reden, so müsste das Parlament mindestens bis tief in die Nacht tagen, wenn nicht zum nächsten Morgen. So ist diese Praxis schlicht notwendig, um das Pensum, also die zahlreichen Tagesordnungspunkte, zu schaffen und handlungsfähig zu sein.
Der Deutsche Bundestag ist ein Ausschussparlament. Die eigentliche Arbeit, wie die Beratung, findet in den Arbeitsgruppen der Fraktionen und eben in den Ausschüssen statt. Hier hat jede und jeder ihr, bzw. sein Spezialgebiet, ein Themenfeld, dass jede oder jeder Abgeordnete verantwortet, bearbeitet und überblickt. Es ist unmöglich, alle Themenbereiche im Blick zu haben. Eine kritische Gesetzgebung wäre ohne diese Arbeitsteilung nicht möglich.
Darum waren bei der Abstimmung zum Bundesmeldegesetz 28 Parlamentarierinnen und Parlamentarier im Plenum und nicht 622. An den Sitzungen nimmt teil, wer sich mit dem behandelten Thema befasst. Alle anderen arbeiten in dieser Zeit in ihren Büros, in Arbeitskreisen oder sind in Anhörungen oder Fachgesprächen. Der Bundestag ist trotzdem beschlussfähig. Die Geschäftsordnung regelt in §45 Abs. 1 die Beschlussfähigkeit und sieht diese als gegeben an, wenn die Hälfte der Abgeordneten anwesend ist. Wie erläutert ist dies natürlich nur selten der Fall. Daher wird die Anwesenheit grundsätzlich unterstellt. Nur wenn Zweifel daran bestehen, kann die Beschlussfähigkeit formal festgestellt werden. Dies war zur Abstimmung zum Betreuungsgeld bei einen Hammelsprung der Fall, bei dem die Beschlussfähigkeit nicht festgestellt wurde.
Ich kann Ihnen versichern, dass ich mein Mandat sehr Ernst nehme. Ebenso wie meine Kolleginnen und Kollegen. Die Mitglieder des zuständigen Innenausschuss haben am 27. Juni 2012 deutlich Stellung bezogen gegen das Einknicken der schwarz-gelben Koalition vor der Adresshandelslobby. Leider sind die Mehrheitsverhältnisse im Innenausschuss ebenso wie im Plenum, so wurden sie von der Regierungsmehrheit überstimmt. genau wie bei der spätabendlichen Sitzung im Plenum. Nun bleibt nur noch der Weg, das zustimmungspflichtige Bundesmeldegesetz im Bundesrat zu stoppen. Eine Debatte im Bundestag keinen anderen Weg aufgezeigt. Es ist darum eine unglückliche Verzerrung, wenn in den Medien eine Verbindung zwischen der spätabendlichen Verabschiedung im Plenum und dem zeitgleichen EM-Halbfinalspiel hergestellt wird. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Medien selbst unsere Pressemitteilung vom 29. Juni 2012 zur 2./3. Lesung des Gesetzentwurfs offenbar erst mit einwöchiger Verspätung zur Kenntnis genommen haben.
Die SPD wird sich weiter dafür einsetzen, dass die Rechte der Bürgerinnen und Bürger auf den sorgsamen Umgang mit ihren Daten gewahrt bleiben.

Mit freundlichen Grüßen,
Achim Barchmann

Das Vollständige Protokoll der 187. Sitzung mit den Reden finden Sie hier: http://suche.bundestag.de/plenarprotokolle/search.form

Das Bundesmeldegesetz wird im Tagesordnungspunkt 21 behandelt.

Den Gesetzentwurf steht zum Download bereit unter:
http://dip.bundestag.de/btd/17/077/1707746.pdf