Frage an Heinz Paula bezüglich Soziale Sicherung

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Heinz Paula
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Frage von Volker S. •

Frage an Heinz Paula von Volker S. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Paula,

Wie stehen Sie zur Problematik der Künstlersozialabgabe?

Es kann doch nicht sein, dass eine Internetagentur, die in der Hauptsache Programmierarbeiten leistet, für einen kleinen Anteil an der Gesamtleistung, etwa die (unwahrscheinlich künstlerische) Gestaltung der Buttons, die Einbindung des Kundenlogos in die Internetseite, für den *gesamten* Auftrag die KSK-Abgabe zahlen muss, nur weil eine *einzelne* Leistung von einem freien Gestalter eingekauft wurde. Das ganze auch noch rückwirkend für die letzten 5 Jahre!

Zudem müssen die Kunden der Agentur *nochmals* KSK-Abgabe auf die gleiche Dienstleistung zahlen! Ebenfalls rückwirkend für die letzten 5 Jahre.

Wieviele Kunden glauben Sie werden in Zukunft noch Leistungen einer "Internet-Kunst"-Agentur in Anspruch nehmen, wenn Sie jetzt die dicke Rechnung für die letzten 5 Jahre präsentiert bekommen. Wer zahlt die ganzen Bürokratiekosten? Können Sie sich vorstellen, welchen Aufwand es bedeutet, die gesamte Buchhaltung der letzten 5 Jahre auf (zudem noch äusserst schwammig definierte) "künstlerische" Dienstleistungen zu durchforsten?

Das Finanzamt sagt, Internetdienstleistungen sind *keine* Kunst, deswegen werden statt 7% Umsatzsteuer natürlich 19% fällig. Die KSK sagt, Internetdienstleistungen sind Kunst, deswegen wird die Abgabe fällig.

Z.B. Vereinen oder kleinen Theatern, die ja nicht umsatzsteuerpflichtig sind, würde eine Auftragsvergabe leichter fallen, wenn Sie 12% weniger Steuern darauf zu entrichten hätte.

Bekommt eine Internetagentur nun die zuviel entrichtete Umsatzsteuer für die letzten 5 Jahre zurückerstattet? Natürlich nicht!

Hier findet eine massive Wettbewerbsverzerrung zwischen 1-Mann-Klitschen, Personen- und Kapitalgesellschaften statt. Denn Kapitalgesellschaften sind kurioserweise von der Abgabepflicht ausgenommen. Einige werben sogar schon damit, dass ihre Kunden keine KSK zahlen müssen.

Mir fällt dazu nur ein: Abzock-Standort Deutschland...

mit freundlichen Grüßen,
Volker Stock

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SPD

Sehr geehrter Herr Stock,

bitte bedenken Sie, dass die Künstlersozialversicherung Grundlage der sozialen Sicherung von Künstlerinnen und Künstlern ist - und zugleich ein wichtiger Beitrag des Staates zur Künstler- und Kunstförderung. Die gemeinsame Finanzierung dieser Grundsicherung durch die Versicherten (zu 50%), die Verwerter (zu 30%) und den Bund (jetzt 20%) trägt den besonderen Arbeitsbedingungen von Künstlern, Autoren, Graphikern etc. Rechnung. Anders als bei üblichen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen beteiligt sich der Bund hier also aufgrund seiner kultur- und sozialpolitischen Verantwortung für freiberufliche Künstler und Autoren an der Finanzierung dieser sozialen Absicherung.

Zu der pauschalen Abgabepflicht unabhängig von der tatsächlichen Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse gibt es keine Alternative. Gäbe es diese pauschale Abgabepflicht nicht, hätten die versicherten Künstler und Publizisten unweigerlich Wettbewerbsnachteile. Durch diese Regelung kann die Künstlersozialabgabe zudem deutlich unter dem Satz des Arbeitgeberanteils zur allgemeinen Sozialversicherung liegen.

Mit dem Inkrafttreten des Dritten Gesetzes zur Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes (KSVG) vom 12. Juni 2007 (BGBl. I, S. 1034) wurde die Prüfung der künstlersozialabgabepflichtigen Arbeitgeber auf die Träger der Deutschen Rentenversicherung (DRV) übertragen, um flächendeckend und möglichst vollständig alle Verwerter künstlerischer und publizistischer Leistungen zur Erfüllung ihrer Abgabepflicht heranzuziehen. Die Pflicht zur Selbstmeldung (§ 27 KSVG) der abgabepflichtigen Verwerter bei der Künstlersozialkasse (KSK) gibt es seit 1983, sie wurde in der Vergangenheit trotz aller Aufklärung ignoriert. Die Politik hat dies lange genug mit Sorge verfolgt, weil es diejenigen Unternehmen belastet hat, die über Jahre durch einen unnötig hohen Abgabesatz für ihre Konkurrenten mitbezahlen mussten. Seit der letzten Reform wächst das Problembewusstsein, die Rentenversicherungsträger prüfen deutlich mehr Verwerter und die KSK stellt endlich auch ein erhöhtes Aufkommen an Selbstmeldern fest.

Wesentliche Kritikpunkte der Wirtschaft sind die unzureichenden Informationen über die Künstlersozialabgabe sowie die rückwirkende Überprüfung der Unternehmen für die vergangenen fünf Jahre und der damit verbundene Bürokratieaufwand. Allerdings hatte die Wirtschaft seit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von 1987 und der gesetzlichen Einbeziehung der Eigenwerber 1988 die Möglichkeit, sich umfassend über die Abgabepflicht zu informieren. Regelmäßig und erneut intensiv im Zusammenhang mit der dritten Novelle des KSVG 2007 haben das BMAS, die KSK und zusätzlich die DRV in Reden, Pressearbeit und Veröffentlichungen über die Verpflichtungen aufgeklärt und setzt auch diese Aktivität fort. Die DRV hat allein im 1. Halbjahr 2008 147 Veranstaltungen gezielt mit Multiplikatoren (u. a. Steuerberater) durchgeführt und setzt ihre umfangreiche Informationsarbeit fort. Auch die Verbände der Wirtschaft und insbesondere der Kulturwirtschaft informieren über die Abgabepflicht.

Unabhängig davon wird die Künstlersozialabgabe so bürokratiearm wie möglich erhoben. Die ausgewählten Unternehmen erhalten eine rasch erfassbare Information zur Künstlersozialabgabe und den auszufüllenden Erhebungsbogen. Das Unternehmen kann seine Abgabepflicht prüfen und in fast allen Fällen ohne Schwierigkeit eine Meldung vornehmen, auf deren Grundlage ein Abgabebescheid erfolgt. Auf Rückfragen sind die Mitarbeiter der Träger der DRV sowie der KSK vorbereitet. Zusätzlich wurde der Aufwand zur Ausfüllung des Bogens minimiert. Die Träger der DRV haben dazu den Erhebungsbogen weiter vereinfacht. Nach gut einem Jahr konnten bereits 67.000 Prüfungen (Stand: 31. August 2008) abgeschlossen werden.

Zu Ihren weiteren Kritikpunkten:

Bei mehrstufigen Verwertungsvorgängen besteht für die jeweils erbrachte künstlerische Leistung Abgabepflicht. Dahinter steht der Gedanke, dass die Leistung eines Künstlers an einem Produkt dessen Charakter verändert. Eine doppelte Abgabeerhebung auf ein und dieselbe Leistung erfolgt also nicht.

Die Künstlersozialabgabe orientiert sich nicht an der vom DIHK als Vergleich herangezogenen Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzugsprinzip, sondern ist dem Arbeitgeberanteil in der Sozialversicherung nachgebildet. Die Künstlersozialabgabe wird grundsätzlich für die soziale Absicherung aller beteiligten Künstler erhoben. Bei mehrstufigen Auftragsverhältnissen ist jede Honorarzahlung als ein eigener Vorgang zu werten, der für sich genommen Abgabepflicht auslöst. Eine Abgabepflicht lediglich auf den „ursprünglichen Auftrag“ würde auch die Bürokratie erhöhen, da für alle Folgeaufträge Nachweise zu führen wären, dass es sich um Folgeaufträge handelt. Gleichzeitig bestünden Möglichkeiten des Missbrauchs.

Entgelte an Kapitalgesellschaften, also an „juristische Personen“, können nicht in die Abgabepflicht einbezogen werden. Diese Abgabefreiheit ist rechtssystematisch vorgegeben, denn wie der Arbeitgeberanteil für Beschäftigte in der Sozialversicherung, so setzt auch die Künstlersozialabgabepflicht eine Zahlung an eine natürliche Person voraus. Die Abgabepflicht auch auf Zahlungen an juristische Personen zu erstrecken, ließe sich im Hinblick auf das Ziel der Künstlersozialversicherung nicht rechtfertigen: Selbständige Künstler und Publizisten - und gerade nicht Gesellschaften - sollen in den Schutz der gesetzlichen Sozialversicherung einbezogen werden.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Heinz Paula